Mi 07.07.2021
Bei einem Blick auf die Wahlergebnisse und Umfragen der letzten Jahre läuft einem schon mal ein Schauer über den Rücken. Der Rassemblement National (früher: Front National) ist zur Zeit in Umfragen stärkste politische Kraft Frankreichs, Fidesz scheint in Ungarn fest im Sattel zu sitzen. In Österreich denken noch viele mit Schrecken an Schwarz-Blau zurück. In Deutschland stellt die AFD eine massive Gefahr für Migrant*innen, Frauen, LGBT+ Personen und die Arbeiter*innenklasse insgesamt dar. Europaweit marschieren auf Anti Corona Demos Kleinbürger*innen, Verschwörungsmythiker*innen und faschistische Organisationen gemeinsam. In den USA stürmen Rechtsextreme das Parlament. Anschläge, wie im deutschen Hanau vor einem Jahr wiederholen sich in trauriger Regelmäßigkeit. Hinzu kommt eine zunehmende Verrohung der „normalen“ und sogar der vermeintlich fortschrittlichen bürgerlichen Parteien – was nicht zuletzt durch die Regierungsbeteiligung der Grünen und ihrer zumindest Duldung von Abschiebungen und den Zuständen in Moria etc. verdeutlicht wird.
Im Zuge der ökonomischen Krise und zu erwartendem Unmut gegen die Herrschenden von Seiten der Arbeiter*innenklasse werden zudem in vielen Ländern demokratische Rechte weiter eingeschränkt. So kann der Eindruck entstehen, dass sich die Gesellschaft ständig weiter nach rechts bewegt. Unter manchen Linken und Aktivist*innen im antirassistischen, im feministischen Bereich, sowie der LGBT+ Community geht gar die Angst vor einer Machtergreifung des Faschismus um. Oft wird auch von einem neuen Faschismus gesprochen. So bedrohlich die Lage auch ist: Aus marxistischer Sicht ist eine solche Entwicklung unwahrscheinlich. Der Faschismus basierte auf einer Massenunterstützung v.a. im Kleinbürgertum, welche sich auch auf den Straßen und in bewaffneten Organisationen (historisch die SA, die Heimwehren etc.) ausdrückte. Die rechten Parteien heute schielen eher auf Wahlerfolge, um an Regierungen beteiligt zu sein. Eine dauerhafte Massenmobilisierung abseits des Bierzeltes gelingt ihnen kaum. Im Gegenteil richteten sich die größten Proteste der letzten Jahre – Black Lives Matter, Fridays for Future – gegen rechte Politik und ihre Folgen.
Aber die Entwicklung macht zu Recht Angst. Die Frage, wie diese Entwicklung gestoppt werden kann, ist insbesondere für die Arbeiter*innenklasse von zentraler Bedeutung, da die Rechte der Arbeiter*innen stets zentrales Angriffsfeld für Rechte sind. Die Diskussion „wie die Rechten schlagen“ ist nicht neu, aber umso wichtiger. „Was funktioniert wirklich“ muss die zentrale Frage sein abseits von Wunschdenken und schönen Fantasien.
Wir stehen für eine möglichst große Einheit gegen Rechte und ihre Politik. Ist die Lösung also ein möglichst breites Bündnis, das sich - unabhängig von der Klassenzugehörigkeit, oder der politischen Ausrichtung ihrer Bestandteile – auf den kleinsten gemeinsamen Nenner „gegen rechts sein“ beschränkt? So sollen möglichst viele angesprochen werden. Klingt vielversprechend! Doch lassen sich hiermit eine Strategie und ein Programm gegen rechte Politik und Autoritarismus entwickeln? Sind es nicht gerade die Parteien wie Grüne oder SPÖ, die selbst rechte Politik mittragen (oder sogar vorantreiben), die „Österreich zuerst“ umsetzen und den Arbeiter*innen Sparprogramme verordnen? Kann ein Antirassismus, welcher nicht soziale Fragen wie überhöhte Mieten, zu niedrige Löhne, Stellenabbau und die allgemein ungerechte Verteilung von Reichtum und Vermögen anspricht, überhaupt massentauglich sein? Und: Kann der Kampf gegen rechts innerhalb des Kapitalismus, also einem System, das rechte Ideen und auch Regime auch immer mal wieder braucht und unterstützt, überhaupt zum Erfolg führen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich der folgende Schwerpunkt. Dabei ist es auch nötig, aus der Geschichte zu lernen, um zu sehen, was funktioniert. Für Sozialist*innen hat sich gezeigt, dass ein Kampf gegen rechts nur durch eine Überwindung des Kapitalismus nachhaltig erfolgreich geführt werden kann. Die Niederlagen der Linken nach der revolutionären Welle in Folge des 1. Weltkrieges und dann in den 1930er Jahren haben dies auf tragische Weise gezeigt. Heute gibt es eine neue Generation, die weltweit gegen sämtliche Aspekte rechter Politik – von Rassismus bis Homophobie, von Frauenunterdrückung bis Klimawandel – auf die Straße geht. Diese neue Generation sieht auch zunehmend die soziale Komponente, wir würden sagen, die Klassenfrage, in dieser Situation und stellt sich zunehmend gegen das ganze kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftssystem. Dieses erwachende Verstehen gilt es aufzugreifen und mit einer Strategie zu versehen, die die Folgen und Ziele rechter Politik mit der Abschaffung ihrer Grundlagen endgültig in die Schranken weist.