Di 15.12.2020
"Wir haben seit Frühjahr 2020 immer wieder darauf hingewiesen, dass die Wirtschaftskrise durch Corona ausgelöst und beeinflusst, aber nicht verursacht worden ist. … Ein Zurück zu einem 'funktionierenden Kapitalismus mit funktionierendem Sozialstaat' kann und wird es nicht geben.“ Diese Sätze stammen aus dem Dokument 'Österreichische Perspektiven', welches unter anderen auf der Konferenz der SLP vom 11.-13. Dezember beschlossen wurde. Diese Konferenz fand unter akut schwierigen Bedingungen online statt. Viel könnte dabei schief gehen, doch die SLP meisterte kollektiv diese Herausforderung genauso wie ein auf mehreren Ebenen schwieriges und turbulentes Jahr 2020. Angesichts der gegenwärtigen Belastungen gelang eine gute Vorbereitung in Form von drei umfangreichen Dokumenten: Perspektiven, Aufbau der Organisation sowie Leitfaden zu Umgang mit Sexismus.
Die Konferenz begann mit internationaler Beteiligung und einem globalen Rundblick durch Rob J., Mitglied der Internationalen Exekutive. Es folgte eine Präsentation der Meilensteine im ersten Jahr der neuen Internationale ISA nach der Trennung von der ehemaligen Führung des 'CWI'. (Wir berichteten: https://www.slp.at/artikel/nach-der-krise-im-cwi-gro%C3%9Fe-aufgaben-international-9700). Besonders beeindruckte die Bilderpräsentation von Aktivitäten unserer Schwesterorganisationen auf allen Kontinenten. Ebenso am Konferenz-Wochenende anwesend war Anja Deschoemacker (Belgien), unter anderem Mitglied im Frauenbüro der Internationalen Sozialistischen Alternative (ISA).
Jede nationale Wirtschaft ist in extremem Ausmaß von internationalen Entwicklungen abhängig. Die genaue Schwere der globalen Krise des Kapitalismus ist noch nicht abzusehen. Gewiss ist einerseits, dass gegenwärtig die sozialistische Arbeiter*innenbewegung noch nicht als prägender Faktor vorhanden ist. Andererseits jedoch zeigen Massenbewegungen rund um den Globus nicht nur den wachsenden Unmut, sondern auch ein in der Breite gesteigertes Bewusstsein dafür, dass es sich bei Rassismus, Gesundheitsnotstand, Klimawandel und Frauenunterdrückung gleichermaßen um Systemfragen handelt. Sie können innerhalb des Kapitalismus und seinem jeweiligen nationalen Rahmen niemals gelöst werden.
Die gute Vorbereitung der Konferenz fand seine Fortsetzung in lebendigen, produktiven und disziplinierten Diskussionen. Die Teilnehmer*innen kamen aus allen Bundesländern, in denen die SLP bislang aktiv ist. Das gesamte Wochenende hindurch war ein konstant hoher Anteil der Delegierten anwesend - obwohl die Konferenz durchwegs online stattfand.
Beschlossen wurde ein "Leitfaden zum Umgang mit Sexismus". Ausgangspunkte sind die Unterdrückungs- und Spaltungsmechanismen im Kapitalismus, deren vielfältige Folgen vor allem Frauen und LGBTQI-Personen tagtäglich erleiden müssen. Um diese in sozialen Kämpfen zu überwinden, ist es unabdingbar, dass innerhalb unserer Organisation unmissverständliche Prinzipien für den Umgang miteinander, eine gesteigerte Sensibilität bezüglich sexistischem Verhalten und der bewussten Konfrontation solchen Verhaltens wirken. Dies wird in den bevorstehnden Zeiten zunehmender Proteste und Bewusstseinsentwichklungen unter Arbeitnehmer*innen und Jugendlichen entscheidend sein, da wir alle – Aktivist*innen und Unterstützer*innen – in strukturell diskriminierenden Verhältnissen aufgewachsen sind. Nur durch Einheit und volle Gleichberechtigung aller Teile der Arbeiter*innen-Klasse können nachhaltige Erfolge erzielt werden. Der Arbeit von NMM/Rosa International, die schon in den letzten Monaten sehr lebendig verschiedene Aktionen gesetzt hat, wird daher auch in der kommenden Zeit wichtig für SLP-Aktivist*innen sein.
Die kapitalistische Krise reisst uns alle aus den bisherigen Komfortzonen (auch wenn diese schon bisher wenig Komfort boten). Nur durch kollektiven und organisierten Widerstand kann daraus eine Bewegung entstehen, die eine Alternative zu Verschwörungs-Idiotien und Rechtsextremismus darstellt und den verfallenden Kapitalismus international überwinden kann. Der Druck auf jede/n von uns wird weiter wachsen. Psychische Belastungen, die schon vor der Covid-Krise Jung wie Alt betrafen, verstärken sich. Auch dazu braucht die sozialistische Bewegung bewussten Umgang und eine Strategie. Die Bedeutung des Sozial- und Gesundheitsbereiches (die durch die Covid-Pandemie noch einmal deutlicher geworden ist) bedeutet auch, dass die SLP auch künftig einen wichtigen Teil ihrer Arbeit in diesem Bereich haben wird.
Der Schwerpunkt für die Gewinnung neuer Aktivist*innen muss und wird bei der Jugend liegen. Massenbewegungen wie gegen den Klimawandel werden sich politisieren und stärker mit dem System Kapitalismus und seinen Eliten in Konfrontation geraten. Ebenso zählen Frauen bzw. Arbeitnehmerinnen zu den dynamischten Teilen von Bewegungen und Veränderung. Sie umfassen jene Teile der Arbeiter*innenklasse, die gegenwärtig nicht nur die Krise besonders scharf zu spüren bekommen. Vor allem sind in vielen Branchen (Gesundheit, Pflege, Soziales, Bildung, Handel …) Arbeitskämpfe unvermeidbar. Internationale Beispiele wie in Polen zeigen, wie schnell an einzelnen Fragen wie "Selbstbestimmung über den Körper" ein politischer Flächenbrand losbrechen kann. Entwicklungen wie in Chile zeigen, wie aus scheinbar nebensächlichen Themen (wie einer Fahrpreiserhöhung) generalisierte Bewegungen erwachsen können, die auch vielfältige andere soziale und politische Konflikte mit sich reißen können. In diesen Bewegungen aktiv zu sein und sie mit unseren Vorschlägen und Ideen positiv zu beeinflussen, wird auch im kommenden, bewegten, Jahr zentral für die SLP sein. Mit dem richtigen Programm, einer mutigen Methode und Mitgliedern, die sich der bevorstehenden Umbrüche und Chancen bewusst sind, kann selbst eine sehr kleine Organisation binnen kurzer Zeit an Bedeutung gewinnen. Die unvermeidbaren sozialen Kämpfe können so in die richtige Richtung gelenkt werden und zum Anfang vom Ende des kapitalistischen Chaos werden.