Mi 02.03.2011
Vor dem Hintergrund der dramatischsten wirtschaftlichen Krise in der Geschichte des Landes hat am 25. Februar die vorgezogene Parlamentswahl in Irland stattgefunden. Diese war nötig geworden, weil die Regierungskoalition der konservativen Fianna Fáil mit den Grünen und einigen parteilosen Abgeordneten zerbrochen war.
Ab Mitte der neunziger Jahre hatte es in Irland eine Periode von beispiellosem ökonomischen Wachstum gegeben. Die globale Wirtschaftskrise traf Irland aber besonders hart, und eine von der Regierung ausgesprochene unbegrenzte Garantie für die Schulden maroder Banken brachte den Staat an den Rand des Bankrotts. Es folgte eine Intervention des Internationalen Währungsfonds (IWF) und ein massives Kürzungspaket.
United Left Alliance
Die Ablehnung dieser Kürzungen durch die Bevölkerung bekam die Regierung in Form von Umfragetiefstwerten und Massenprotesten sofort zu spüren. Gleichzeitig formierte sich eine Vereinte Linke Allianz, die United Left Alliance (ULA), als linke Alternative, um den Widerstand gegen die Kürzungen zu organisieren. Die ULA ist ein Bündnis der Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV in Irland), der von der Socialist Workers Party gegründeten Organisation „People before Profit Alliance“ (PBPA) sowie der „Workers and Unemployed Action Group“ (WUAG).
Die ULA gründete sich auf dem Konsens, dass die Kosten für die Krise nicht auf die arbeitende Bevölkerung und die Arbeitslosen abgewälzt werden dürfen, und dass die, die sich in den „Boom-Jahren“ bereichert haben, nicht „gerettet“ werden sollen.
Im Wahlkampf organisierte die ULA insgesamt 15 öffentliche Veranstaltungen im ganzen Land, bei denen Joe Higgins (für die Socialist Party im Europaparlament) und andere bekannte Köpfe des Bündnisses zusammen mit den jeweiligen örtlichen KandidatInnen auftraten. Diese dienten nicht nur dem Wahlkampf, sondern auch dem Aufbau der ULA als Organisation vor Ort. Mit 21 KandidatInnen war die ULA in knapp der Hälfte der Wahlkreise vertreten – auch in ländlichen Wahlkreisen ohne Tradition linker Kandidaturen. Dies unterstreicht, dass es der ULA in der Wahlkampagne nicht nur um das Erringen von Parlamentsmandaten ging, sondern auch um den Aufbau von Ortsgruppen im ganzen Land.
Erdrutsch-Niederlage für Regierende
Die Wahl geriet zu einer Katastrophe für die Regierungsparteien. Die Grünen verloren alle ihre sechs Sitze – Fianna Fáil, die bei jeder Wahl seit 1932 stärkste Partei geworden war, über 50 ihrer 78 Mandate, sie wird nun bestenfalls drittstärkste Kraft. Reihenweise verloren Minister und prominente Fianna-Fáil-Abgeordnete ihre Mandate.
Die neue Regierung wird die ebenfalls konservative Fine Gael anführen, wahrscheinlich in einer Koalition mit Labour. In den Medien wurde sogar die Möglichkeit einer absoluten Mehrheit für Fine Gael diskutiert. Diesen Umstand nutzte Labour, um vor einer Fine-Gael-Alleinregierung zu warnen, die massive soziale Kürzungen durchsetzen würde. Dass Labour als Regierungspartei die Diktate von EU und IWF ebenso bereitwillig ausführen würde, steht allerdings außer Frage. Große Schwankungen der Umfragewerte für die Oppositionsparteien waren im Vorfeld der Wahl zu beobachten. Viele waren auf der Suche nach Veränderung und Alternativen, und weder Fine Gael noch Labour, die zeitweise sogar als stärkste Partei in den Umfragen geführt wurde, konnten überzeugen. Die Angst vor einer neuen Welle des neoliberalen Kahlschlags durch eine Fine-Gael-Alleinregierung hat tatsächlich einige WählerInnen dazu gebracht, Labour zu wählen. Die Partei hat mit rund 35 Sitzen ihr bestes Ergebnis aller Zeiten erzielt.
Große Zugewinne gab es auch für Sinn Féin, die sich als Gegner der IWF-Intervention profilieren konnte, obwohl ihre vier Abgeordneten der Bankenrettung zugestimmt hatten. Die Partei wird über ein Dutzend Abgeordnete im neuen Parlament stellen.
Joe Higgins und andere Linke gewählt
Auch die ULA konnte ihre eigenen Erwartungen übertreffen. Bis zum Redaktionsschluss standen fünf Mandate für das Linksbündnis fest – Joe Higgins und Clare Daly (Socialist Party), Seamus Healy (WUAG), Richard Boyd Barrett und Joan Collins (PBPA).
„Das ist ein neuer Aufbruch für die Linke in Irland. Wir werden eine starke Gruppe von prinzipienfesten linken Abgeordneten haben, die Widerstand leisten werden gegen die Politik der neuen Regierung, die nicht anders sein wird als die der letzten Regierung“, kommentierte Joe Higgins nach dem Wahlerfolg.
Auch wenn die neue Regierung eine große Mehrheit im Parlament hat, hat sie keine Mehrheit in der Bevölkerung. Sie wird ebenfalls versuchen, die Kosten der Krise auf die Arbeiterklasse abzuwälzen. Desillusionierung, Wut und Widerstand sind programmiert, und zwar bereits kurzfristig. Deshalb ist es von entscheidender Wichtigkeit, dass die ULA den Wahlerfolg als Sprungbrett benutzt, um den Widerstand gegen diese Politik mit anzuführen und eine neue politische Kraft auf der Linken aufzubauen.