Mo 28.09.2015
Die SPÖ ist erstaunt, den zweiten Platz verloren zu haben, die Grünen sehen das Wahlergebnis als Erfolg, weil sie mal wieder ein Prozent dazugewonnen zu haben. Wirklich gewonnen hat bei dieser Wahl aber nur die FPÖ – und das war absehbar.
Das große Thema war bei dieser Wahl die Asyl“krise“. SPÖ und ÖVP haben in den letzten Jahren aktiv dazu beigetragen eine „das Boot ist voll“ Stimmung anzuheizen. Die bewusste Überfüllung des Lagers in Traiskirchen und die Errichtung von Zeltstädten sollten ein Bild von einer Flut von Flüchtlingen in Österreich zeichnen, die nicht mehr zu bewältigen sei. Mit der schrittweisen Aushöhlung des Asylrechts (zuletzt mit der Forderung nach „Asyl auf Zeit“) und dem Grenzeinsatz des Bundesheeres werden FPÖ-Forderungen nach und nach umgesetzt. SPÖ und Grüne werden nicht als Alternative zu Rassismus gesehen – zu Recht. Die Unterbringungs- und Abschiebesituation ist in Oberösterreich trotz grüner Regierungsbeteiligung um nichts besser, teilweise sogar schlechter, als in anderen Bundesländern. Die SPÖ hat mit ihrer „Taferlaktion“ gegen die Unterbringung von AsylwerberInnen in Linz gezeigt, dass sie selbst versucht, mit Angstmache a'la FPÖ auf Stimmenfang zu gehen. SPÖVP aber auch Grün können keine Alternative zu rechter Hetze anbieten und treiben so die WählerInnen in die Arme der FPÖ.
Asylthema ist v.a. Ausdruck für wachsende soziale Probleme
Doch das Asylthema ist nur Ausdruck für andere Ängste, denn für die meisten WählerInnen ging es weniger um eine rassistisch motivierte „Anti-Ausländer“ Stimme, sondern um die Angst vor der eigenen Zukunft. Landes- und Bundesregierung erklären seit Jahren, dass gespart werden „müsse“. Es wird ganz bewusst so getan, als ob Geld nur für Flüchtlinge ODER für OberösterreicherInnen da wäre. Nur eine Minderheit der OberösterreicherInnen hat von den Wachstumszahlen in der Wirtschaft auch tatsächlich profitiert, weil die Reallöhne gesunken und die Arbeitslosigkeit gestiegen ist. Die sozialen Probleme nehmen auch in Oberösterreich seit Jahren zu: Rekordarbeitslosigkeit und -armut, steigende Preise für Mieten, Nulllohnrunden und Kürzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich – die immer schlimmere soziale Lage haben alle etablierten Parteien zu verantworten.
In Oberösterreich waren die Grünen zwölf Jahre in einer Koalition mit der ÖVP und haben in dieser Zeit die Gesundheitsreform (Streichung von hunderten Spitalsbetten und Schließung von vielen Stationen), die Privatisierung der Energie AG, die Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und Kürzungen im Sozialbereich von über 12 Millionen Euro mitgetragen. Auch die SPÖ hat nie versucht, gegen diese Maßnahmen Widerstand zu organisieren, im besten Fall symbolische Aktionen durchgeführt. Das gilt auch für Privatisierungen auf Bundesebene, die viele Betriebe in Oberösterreich betroffen und inzwischen tausende Arbeitsplätze gekostet haben (Voest, Austria Tabak,...). Der FPÖ ist es – trotz Mittäterschaft bei diesen Angriffen auf Beschäftigte und sozial Schwache – gelungen, sich als „sozial“ zu präsentieren. Diese Politik auch der SPÖ wurde abgestraft – auch bei den Gemeinderatswahlen in den größeren Städten. In Linz und Wels verliert sie etwa neun Prozent, auch hier gewinnt die FPÖ stark dazu – besonders in Wels. Mit 43% ist sie klarer Wahlsieger, die Wahl des ihres Bürgermeisterkandidaten Rabl in zwei Wochen ist reine Formsache (47,59% im ersten Durchgang).
Bei diesen Wahlen konnte die FPÖ noch stärker als sonst von der Angst profitieren, was die Zukunft bringen wird. Die vielen Flüchtlinge, die über und nach Österreich kommen machen Menschen Angst davor, ihren Job zu verlieren und das Wohnen noch teurer wird. Weil SPÖVP das Bild mit zeichnen, dass eben nicht genug da wäre für alle, kann die FPÖ davon so stark profitieren. Doch tatsächlich ist genug Geld vorhanden, für OberösterreicherInnen (oder überhaupt alle Menschen die in Österreich leben) UND Flüchtlinge. Das reichste Prozent an Menschen hierzulande wird pro Tag um 80 Millionen reicher. Die Superreichen wurden in der Krise, für die wir zahlen sollen, sogar noch reicher! Es braucht eine starke Linke die aufzeigt, wo das Geld ist – nämlich bei den Reichen und den großen Unternehmen – um Wohnungen und Jobs für alle zu schaffen! Nur wenn klar ist, dass nicht die ArbeiterInnenklasse für die Versorgung von Flüchtlingen zur Kasse gebeten wird, sondern dass endlich mal die Reichen zahlen müssen, nur dann kann der FPÖ das Wasser abgegraben werden.
Linke Alternative hat gefehlt – obwohl es Möglichkeiten gab!
Möglich ist das nur, weil es keine linke Alternative gibt, die den existierenden Unmut aufgreift und organisiert. Der Austritt von Sonja Ablinger aus der SPÖ, gemeinsam mit den vielen Menschen die sich seit Jahren enttäuscht von der SPÖ abwenden, die im Gesundheitswesen „was tun“ wollen gegen die dortigen Missstände, gemeinsam mit den Menschen die in den letzten Wochen Flüchtlingen geholfen haben – sie hätten eine Alternative auch auf der Wahlebene anbieten können.
In den letzten Wochen wurden hunderte aktiv, um den Flüchtlingen, die nach Österreich kommen, zu helfen. Während die Regierung versagt und hetzt. Die Solidaritätsbewegung hat gezeigt, wie groß die Solidarität ist und auch, dass viele gegen Rassismus aktiv werden wollen. Drei Tage vor der Wahl waren 5.000 Menschen in Linz auf der Straße, um gegen die menschenverachtende Politik der Regierung in der Asylfrage zu protestieren. Der Erfolg der FPÖ zeigt vor allem eines: Dass diese AktivistInnen keine Partei haben, die sie bei Wahlen vertritt.
Eine solche neue linke Liste hätte den Aufstieg der FPÖ nicht völlig bremsen können. Doch sie hätte ein deutliches und ernsthaftes Signal sein können in den kommenden Monaten eine starke linke Kraft aufzubauen. Denn die Logik, das kleinste Übel zu wählen, funktioniert nicht. Seit Jahren erklären verschiedene Linke und Fortschrittliche, man müsse SPÖ oder Grün wählen, um die FPÖ zu verhindern. Die aktuellen Wahlen in Oberösterreich zeigen, dass die Taktik nicht aufgeht.
2009 schrieb die SLP „Wels: Wenn sich nichts ändert...FP-Bürgermeister 2015?“ Damals kam es zu einer Stichwahl zwischen SPÖ (Koits) und FPÖ um den Bürgermeister, damals noch mit umgekehrten Vorzeichen, also die SPÖ als stärkere Partei. Wir machten damals klar: „Wir denken, dass es wirkliche sozialistische Antworten auf die sozialen Probleme und eine echte sozialistische Alternative auch zur Politik der Welser SPÖ braucht, weil sonst die FPÖ bei den nächsten Wahlen noch stärker wird. Also billigere und gute Wohnungen für alle, ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs, Jobs mit ordentlicher sozialer Absicherung, kostenlose Kinderbetreuung...Eine Stimme für Koits hat nur diesmal einen FPÖ-Bürgermeister verhindert - kann aber die FPÖ nicht stoppen. Es braucht in Wels (und anderswo) eine aktive antirassistische Bewegung.“
Diese Analyse hat sich in Wels und in ganz Oberösterreich bestätigt und macht die Dringlichkeit einmal mehr deutlich, eine neue ArbeiterInnenpartei aufzubauen. Den der Wahlerfolg der FPÖ macht auch in Bezug auf die Flüchtlingsbewegung deutlich, dass es abgesehen von direkter Hilfe mit Spenden und Unterstützung bei der Flucht, auch dringend notwendig ist, eine politische Bewegung und eine neue, linke ArbeiterInnenpartei aufzubauen.
Konsequenzen der Wahl
Es sind nur wenige Tage bis zur Wienwahl. In SPÖ und ÖVP geht die Panik um. Auch weil die Parteien der Bundesregierung KEINE Lösungen für die sozialen Probleme haben werden sie hier nun verstärkt auf das „Asylthema“ setzen. Das Gerede von „Menschlichkeit“ darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich der Ton hier verschärft. Wenn Flüchtlinge in Österreich bleiben wollen oder müssen, wird der Wind noch rauer werden. So werden Maßnahmen gegen sogenannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ zunehmen, die aus Ländern kommen, in denen „eh kein Krieg“ ist (zum Beispiel vom Balkan, wo österreichische Banken und Konzerne für die katastrophale soziale Situation, Massenarmut und -arbeitslosigkeit verantwortlich sind). Es gibt zwar viele, die in Solidarität mit Flüchtlingen aktiv geworden sind. Doch viele werden, auch vor dem Hintergrund des FPÖ-Erfolgs, lauter werden. SPÖ & ÖVP werden versuchen, mit einer vermeintlichen Trennung in „echte“ und „falsche“ AsylwerberInnen Stimmen von den Freiheitlichen zu Gewinnen. Dass das nicht funktionieren wird, liegt auf der Hand: Wer rassistische Politik will, wird die Rassismus-Profis von der FPÖ wählen.
Kämpfen nicht Auswandern
Nach Rosa-Blau im Burgenland ist ein Schwarz-Blaues Koalitionsabkommen in Oberösterreich eine sehr reale Gefahr. Sich darauf zu verlassen, dass die FPÖ automatisch bei der nächsten Wahl abgestraft, weil „entlarvt“, wird, wäre trotzdem ein Fehler. Vor allem, weil sie bis dahin massiven Schaden anrichten kann. Nachfolgende Regierungen mit SPÖ- und grüner Beteiligung werden diese Maßnahmen auch nicht rückgängig machen. Schwarz-Blau im Bund und die Kärntner FPÖ haben das gezeigt.
Doch ein Auswandern aus Oberösterreich, oder aus Städten wie Braunau oder Wels ist die falsche Antwort. Denn trotz des starken Abschneidens der FPÖ haben dort 1) die Mehrheit der Menschen nicht die FPÖ gewählt und 2) ist der Kampf gegen die Politik von Sozialabbau und Rassismus nun noch wichtiger geworden. Z.B. in Wels sind die sozialen Probleme und die Schönfärberei der SPÖ Gründe für den Wahlsieg der FPÖ. Viele fürchten um ihren Job (wenn sie noch einen haben) oder können sich keine Wohnung leisten. Die FPÖ schaffte es, bei diesen Menschen zu punkten, weil sie ihre Probleme anspricht. Dass sie keine Lösungen hat, zeigt sie aber immer dann, wenn sie in einer Regierung sitzt. Wohnbaulandesrat Haimbuchner zum Beispiel ist für Kürzungen bei der Wohnbeihilfe in Oberösterreich verantwortlich, die FPÖ stimmte auch für Lohnkürzungen im öffentlichen Dienst und die Einsparungen im Gesundheitswesen. Tatsächlich bedeutet eine Stärkung der FPÖ neben rassistischer Hetze auch verschärfte Kürzungspolitik. Gerade aus dem Unternehmerflügel der ÖVP mehren sich die Rufe nach schwarz-blau in der Hoffnung, so aggressive Angriffe auf ArbeiterInnenklasse schneller umsetzen zu können.
Die neoliberale Politik der FPÖ wird sich z.B. in Wels schon recht bald zeigen, auch bei kommenden Angriffen auf Kultur- und Jugendeinrichtungen (z.B. dem alten Schlachthof) und z.B. im Öffentlichen Dienst. Auch auf Landesebene wird die FPÖ fleißig an der Kürzungspolitik der ÖVP mitwirken, verstärkt um eine rassistische Note von „Sozialleistungen nur für ÖsterreicherInnen“. Mit einer derartig gestärkten FPÖ werden auch rechtsextreme Übergriffe, wie z.B. in Wels, weiter zunehmen. Wels ist für seine sehr aktive Naziszene bekannt. Auf der Liste der Freiheitlichen haben auch zwei rechts-außen-Kandidaten den Einzug in den Gemeinderat geschafft: Ralph Schäfer, der vor kurzem eine Bürgerwehr gegründet hat, sah sich 2009 mit einem Verfahren nach § 3g Verbotsgesetz konfrontiert und posierte 2013 im Internet in einem T-Shirt der Neonazi-Marke Masterrace.
Um so notwendiger ist daher ein gemeinsamer Kampf von Flüchtlingen, MigrantInnen, die schon länger hier sind und „ÖsterreicherInnen“: Gegen die kommende rassistische Politik und Kürzungen, für leistbaren Wohnraum, höhere Löhne, Arbeitsplätze, Bildung und gesundheitliche und soziale Versorgung – für alle die hier leben. Wir brauchen eine Bewegung die die sozialen Themen wie auch das Flüchtlingsthema von links aufgreift und klar macht, dass es keine Frage von Flüchtling gegen OberösterreicherInnen ist, sondern eine von Arm gegen Reich. Eine solche Bewegung kann auch Ansatzpunkt für eine neue ArbeiterInnennpartei sein, die klar macht: Es ist genug Geld da, um alle zu Versorgen die hier leben wollen. Es liegt nur in den falschen Händen. Ein klares Programm, das wirkliche Alternativen zur Kürzungspolitik der etablierten Parteien aufzeigt, kann auch den Aufstieg der FPÖ stoppen.