Mo 03.08.2015
Die Roma und Sinti sind eine der größten Minderheiten Europas. Dennoch ist das Wissen über sie gering und von Vorurteilen oder im besten Falle von Idealisierung geprägt. Kaum eine Gruppe von Menschen wird so verfemt und verachtet wie sie. Das Wissen über sie ist gering und die Kenntnisse über ihre Lage und deren Ursprung erschreckend oberflächlich.
Vorurteil, Stigma, Idealisierung
Wenn in den Medien über Roma berichtet wird, dann oft in einem negativen Kontext. Häufig scheinen die Medienmacher ihren eigenen Vorurteilen zu erliegen. Das scheinbar ewig währende Klischee des kriminellen, nicht integrationsfähigen (bzw. des nicht integrationswilligen) Roma wird wieder und wieder reproduziert. Auch scheinen alle Roma ein Nomadenleben zu führen. Tatsächlich migrieren aber nur 5% dauerhaft oder saisonal, die meisten sind sesshaft. Auch das Thema Kriminalität ist bei weitem nicht so einfach, wie es manchmal scheint. Roma die kriminell auffallen, begehen in der Regel Armutsdelikte wie zum Beispiel Taschen- oder Metalldiebstahl. An Korruptionsdelikten; welche z.B. in Rumänien, das Land mit der größten Romabevölkerung weltweit, ein enormes Problem darstellen; sind sie schon aufgrund ihrer Armut meistens nicht beteiligt. Auch werden Verbrechen wie Mord oder Körperverletzung nicht häufiger beobachtet als in der Nicht-Romabevölkerung. Es mag Roma geben, welche wie in Slums der dritten Welt leben, die Gewaltproblematik dieser teilen sie jedoch nicht.
Ein weiteres häufiges Klischee, welches besonders gerne von Boulevardmedien oder Lokalpolitikern bemüht wird, ist die sogenannte „Bettelmafia“. Es besagt, dass die betreffenden Personen nicht für sich oder ihre Familie betteln, sondern in Wirklichkeit ihr erbetteltes Geld an Hintermänner abgegeben müssen und diese sich damit ein Luxusleben finanzieren. Auch die Polizei stellt manchmal mal mehr mal weniger konkrete Vermutungen auf. Doch wurde bis heute kein Beweis erbracht, dass so etwas wie eine Bettelmafia wirklich existiert. Überhaupt ist es sehr auffällig, dass meist mit der Bettelmafia argumentiert wird, wenn mal wieder ein Bettelverbot in Innenstädten durchgesetzt werden soll oder wenn sich Politiker auf Stimmenfang befinden. Es ist auch leicht gegen eine Gruppe zu hetzen, die sich nicht so gut wehren kann, um für sich zu werben, anstatt die tatsächlichen Probleme anzugehen und wenn schon die Armut (welche der Kapitalismus tagtäglich erzeugt) nicht bekämpft werden kann, dann müssen eben die Armen bekämpft werden. Auch sollte die entlastende Funktion solcher Gerüchte nicht außer acht gelassen werden. Es ist deutlich weniger unangenehm, einen bettelnden Menschen eine Spende zu verweigern, wenn man sich der Illusion hingeben kann, damit keine kriminellen Strukturen zu unterstützen. Faktisch sind es jedoch meist einfach „nur“ völlig verarmte Romafamilien, die zusammen betteln. Das Gerede, dass sie von Bettelmafiosi ausgebeutet würden, entbehrt jeglicher Grundlage.
Es gibt jedoch noch eine andere Seite des Klischees. Hier ist der „Zigeuner“ freiheitsliebend, nicht an ökonomische und gesellschaftliche Zwänge gebunden und gibt sich sorglos dem Müßiggang hin. Es ist das Stereotyp des edlen Wilden und einer romantischen, leidenschaftlichen und freien Lebenswelt. Exotik welche praktischerweise direkt vor der Haustür in Europa liegt. Opern wie z.B. „Carmen“ oder die Operette „Der Zigeunerbaron“ sind Ausdruck davon. Diese Idealisierung der Roma entsprach und entspricht nicht der Realität und ist gelinde gesagt sogar zynisch. Sie lässt außer acht, dass die Roma oft nicht freiwillig umhergezogen sind, sie vergisst auch das ihr Leben nicht weniger sorglos gewesen ist und ihre Geschichte (die später noch Gegenstand genauerer Betrachtungen sein wird) viele Tragödien aufweist.
Auch die scheinbar wichtige Rolle der Familie für Sinti und Roma wird positiv wie negativ hervorgehoben. Diejenigen die es gut mit ihnen meinen, sehen hier das Idealbild des familiären Zusammenhalts und der Solidarität; diejenigen die es weniger gut mit ihnen meinen, werfen ihnen vor das ihre Familienstrukturen undurchsichtig und abgeschottet wären und daher kein Interesse am Kontakt mit der restlichen Bevölkerung hätten. Unbestreitbar ist, dass viele Sinti und Roma die Familie als außerordentlich wichtig erachtet, einige ihrer Vertreter sogar sagen, man könne Sinti oder Roma nur im Familienzusammenhang sein. Warum die Familie eine so wichtige Bedeutung erlangt hat, lässt sich jedoch aus den historischen, sozialen und ökonomischen Kontext erklären. Letztlich bot und bietet heute noch die Familie Sicherheit und Rückhalt. Aber ist dies nun „typisch Roma“? Mitnichten. In vielen Teilen der Erde stellt die Familie eine wichtige, wenn nicht sogar die wichtigste und einzige,Sicherungs- und Versorgungsinstanz dar. Die bürgerliche Politik fördert ein bestimmtes Familienbild. Die Familie wird als DAS Sinnbild der Fürsorge und Sicherheit dargestellt. Die Familie soll möglichst viele soziale Aufgaben wie zum Beispiel Erziehung und Pflege übernehmen (und wird zu oft damit allein gelassen). Der erste Satz, der sich auf der Webseite der CDU (der vielleicht bürgerlichsten Partei in Deutschland überhaupt) zum Thema Familienpolitik lesen lässt, lautet wie folgt:„Ehe und Familie sind zentrale Fundamente unserer Gesellschaft. Familien mit Kindern bilden die Grundlage für eine langfristige stabile wirtschaftliche und soziale Entwicklung unserer Gesellschaft„. Weiter heißt es: „Die Familie ist eine der tragenden Säulen unserer Gesellschaft. In der Familie wachsen Kinder auf, in ihr werden Alte behütet. Familie bietet heute mehr Rückhalt als früher. Familien spiegeln den Wandel und den Lauf menschlichen Lebens wider. Familie ist kein Auslaufmodell, im Gegenteil: im Zeitalter der Globalisierung ist sie heute wichtiger denn je“.
Auch wenn es hier nicht offen gesagt wird, in der bürgerlichen Gesellschaft sind Familien unterschiedlich wertvoll. Die Familie ist eben nicht nur ein Zusammenschluss von Menschen, die ihr Leben zusammen leben wollen. Im Gegenteil: die Familie soll auch wirtschaftlich sein, soll eine Wirtschaftseinheit sein. Den Roma wird ihr familiärer Zusammenhalt vorgeworfen, ungeachtet der Tatsache, dass sie dem bürgerlichem Familienideal (familiäre Solidarität etc.) wahrscheinlich mehr entsprechen als viele deutsche Familien. Aber viele von ihnen sind arm und gelten als (vermeintlich) wirtschaftlich nicht verwertbar. Daher sind sie unerwünscht.
Außerdem eignen sie sich als idealer Sündenbock, wie sich Ende Oktober des Jahres 2012 wieder zeigte. Diesmal rückten sie in den Mittelpunkt des Interesses der Medien, weil der Bundesinnenminister Friedrich sich über zunehmende Asylanträge aus Serbien und Mazedonien empörte. Da er beide Länder als „sichere Herkunftsländer“ ansieht, sollen Barleistungen für Asylsuchende aus solchen Ländern gekürzt werden, um angeblichen „Asylmissbrauch“ zu verhindern. Diese Aussagen richten sich vor allem gegen die Roma aus diesen Ländern und schüren weitere antiziganistische Vorurteile von Roma als Betrüger und falsche Asylsuchende, die dem Ansehen Mazedoniens und Serbiens im Ausland schaden.
Kurz darauf berichtete die Tageszeitung „junge Welt“, dass sich besonders Mazedonien bei der Behinderung zur Ausreise hervortue. Pässe von Personen, die im Verdacht stehen in der EU Asyl zu beantragen, würden markiert und es gäbe Stempel mit denen man nicht mehr ausreisen kann. Auch würden Menschen an der Ausreise gehindert, indem ihnen die Reisepässe abgenommen werden. Damit wird ihnen faktisch die Reisefreiheit genommen. Hier zeigt sich besonders markant die Heuchelei der bürgerlichen Politiker. Wurde die DDR noch dafür verurteilt, dass sie ihre Bürger nicht frei reisen lässt, so scheinen solche Maßnahmen heute nicht mehr problematisch zu sein, um unliebsame Menschen fernzuhalten.
Dass es aber durchaus sehr triftige Gründe zur Flucht von Roma aus ihrer Heimat gibt, zeigt eine Untersuchung des Flüchtlingsrates Niedersachsen aus dem Jahre 2011. Der Flüchtlingsrat stellte fest, dass Asylanträge aus Serbien mit erschreckender Regelmäßigkeit abgelehnt werden. Weder werden Diskriminierung, das Leben in Slums ohne Strom und Wasser oder sanitäre Anlagen, noch Zwangsräumungen illegaler Siedlungen (nach denen kein neuer Wohnraum zur Verfügung gestellt wird und daher in die Obdachlosigkeit zwingt), noch die lang andauernde Bedrohung durch serbische Nationalisten als Fluchtgründe anerkannt, ebenso wenig sexuelle Übergriffe. Allerdings werden solche Fälle tatsächlich berichtet und sind keine Hirngespinste der Romaflüchtlinge. Was man über die Aussage von „sicheren Herkunftsländern“ nicht behaupten kann. Die Situation von Roma in Serbien ist offensichtlich prekär. Ihre sozioökonomische und politische Lage soll deshalb genauer beleuchtet werden.
Aktuelle Lage
Wie viele Roma de facto in Europa leben, lässt sich schwer messen und ihre Größe schwer beziffern. Es gibt mehrere Gründe hierfür. Zum einen gibt es Länder, in denen Fragen zur Ethnie bei Volkszählungen nicht erlaubt sind. Zum anderen wird aber auch, sofern solche Fragen erlaubt sind, von nicht wenigen Roma bei Volkszählungen nicht „Roma“ sondern eine andere Nationalität angegeben, teils aus Angst oder Misstrauen, teils aus Scham oder auch einfach weil sie sich gar nicht mehr als Roma fühlen. Auch sind gerade in den ärmsten Gebieten nicht alle Personen (ob Roma oder nicht) amtlich registriert und einige Regierungen setzen Schätzungen bewusst niedrig an. Letztendlich wird geschätzt, dass weltweit ca. 7 – 10 Roma Millionen leben, davon 1,45 – 4,3 Millionen in Europa. Doch wirklich genau und seriös beziffern lässt sich ihre Größe nicht.
Vor allem in Ost- und Südosteuropa leben viele von ihnen unter prekären Bedingungen. Eine Studie von UNICEF zur Situation von Kindern aus Romahaushalten in Südosteuropa kam zu erschütternden Ergebnissen. 85% der Romahaushalte in der Region können eine ausreichende Ernährung nicht sicherstellen, Kinder aus solchen Haushalten sind viermal häufiger von ernährungsbedingten Kleinwuchs betroffen als Kinder der übrigen Bevölkerung und in Serbien sterben Kinder von Roma im Durchschnitt dreimal häufiger im ersten Lebensjahr. In Rumänien leben zwei Drittel, in Albanien sogar 78% der Roma unter dem Existenzminimum von ca. 100€ pro Monat, im Gegensatz zu „nur“ 25% unter den Nicht-Roma in Rumänien und 22% in Albanien. In Serbien sind es immerhin noch 57%, in Mazedonien 34%. Nicht alle Armen in Südosteuropa sind Roma, aber ein erheblicher Teil der Roma ist arm. Wer kaum etwas hat, wird auch nichts sparen können. Nur wenige haben es seit dem Zusammenbruch des Ostblocks zu Wohlstand bringen können.
Auch der Zugang zu Bildung ist schwierig. Laut der Studie gehen bis zu 80% der Kinder aus Romafamilien nicht zur Schule, was unter anderem den Anteil von Analphabeten unter Roma z.B. in Albanien, Serbien und Bulgarien hat ansteigen lassen. Die Gründe sind vielfältig. Die bildungsferne des Elternhauses spielt eine Rolle, ebenso der Mangel an Geld für Schulmaterial oder den Bus zur Schule. Häufig werden Romakinder wegen Kleidung, Dialekt oder Hautfarbe gemobbt und wollen deshalb nicht mehr zur Schule. Andere müssen frühzeitig bei der Betreuung kleinerer Geschwister helfen oder arbeiten gehen um Geld zu verdienen. Zum Teil spielen aber auch überkommene Rollenmuster ein Rolle, einer Umfrage in Serbien zufolge mussten 57% der Roma-Mädchen die Schule aufgrund von Heirat abbrechen. Aber auch Überweisungen auf Sonderschulen erschweren den Zugang zu angemessener Bildung. Dies trifft z.B. auf Tschechien zu, hier werden Romakinder immer noch pauschal auf Sonderschulen abgeschoben.
In Bezug auf ihre Wohnsituation kommt diese Studie auf nicht weniger miserable Zustände. 25% der Roma der Region lebt in baufälligen Gebäuden oder Baracken, 50% lebt in Häusern ohne Anschluss an die Kanalisation und ein Drittel verfügt weder über Badezimmer noch Toilette. In Rumänien leben ein Drittel der Roma in regelrechten Ghettos. Auch die ärmere Bevölkerung unter den Nicht-Roma kennt solche Probleme. In Rumänien hat weniger als die Hälfte der ärmeren Bevölkerung Zugang zu fließend Wasser. In Serbien und Montenegro leben 10-15% der Gesamtbevölkerung ohne Anschluss an die Kanalisation, in Mazedonien sind es 7%.
Infolge der jüngste Krise des Kapitalismus, welche 2007/08 begann und die wohl größte Krise seit knapp 80 Jahren ist, hat sich der antiziganistische Ton gegen die unliebsame Minderheit wieder einmal verschärft. Zweifelsohne haben unter der Krise Roma als auch Nicht-Roma zu leiden. Doch um von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken, wird gegen sie gehetzt. In Ungarn, das von der Krise heftig getroffen wurde, hat der Hass auf Roma enorme Ausmaße angenommen. Es gab mehrere Anschläge gegen Roma mit Todesopfern.
Einer davon ereignete sich am 23.02.2009 in Tatarszentgyörgy südlich von Budapest. Die Täter zündeten das Haus einer Romafamilie an und als diese aus dem brennenden Haus flüchtete, wurde auf sie geschossen. Ein fünfjähriges Kind und sein Vater starben. Die Polizei wollte nicht von Mord sprechen, die Versicherung weigerte sich den kompletten Schaden zu bezahlen(Berliner Zeitung). Sollten jedoch Roma Verbrechen bezichtigt werden, schlägt dies riesige Wellen.
2011 erlangte das kleine ungarische Dorf Gyöngyöspata traurige, internationale Berühmtheit. Was war geschehen? Als „Reaktion“ auf „ausufernde Zigeunerkriminalität“ marschierten wochenlang faschistische Milizen durch Gyöngyöspata und terrorisierten die örtliche Romabevölkerung. Erst als 300 Roma (unter ihnen vorrangig Frauen und Kinder) mit Unterstützung des Roten Kreuzes evakuiert worden, sah sich die Regierung genötigt einzuschreiten und die Milizen zu verbieten. Die angebliche „Zigeunerkriminalität“ erwies sich als dreiste Lüge. Tatsächlich wurden laut Pester Lloyd vor den Ereignissen nicht mehr Delikte registriert als sonst auch. Auch danach gingen die Schikanen weiter. Die Wochenzeitung „der Freitag“ berichtete im Dezember 2011, dass nach der Wahl eines Mitgliedes der Jobbik-Partei (einer offen faschistischen Partei) zum Bürgermeister Ordnungsstrafen eingeführt wurden, welche vorrangig bei Roma geahndet werden. Beispielsweise wurde das Laufen auf der Straße mit einen Strafgeld belegt. Die Gehwege in ländlichen Regionen sind indessen sehr schmal und in einem schlechten Zustand, des weiteren ist der Straßenverkehr mehr als nur überschaubar. Um Roma weiterhin zu schikanieren, ist dies offenkundig kein Hindernis. Außerdem gründeten die Rechten einfach neue Organisationen, wie „der Freitag“ weiterführend berichtet.
In anderen Ländern müssen Roma ebenso mit Gewalt durch Nationalisten und Faschisten rechnen. Es kann wirklich nicht verwundern, wenn sie vor solchen Zuständen in andere Staaten Europas flüchten und auch in Deutschland ihr Glück suchen.
Sinti und Roma in Deutschland
Laut dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma leben in Deutschland ca. 70.000 Roma und Sinti mit deutscher Staatsangehörigkeit. Die Sinti leben seit 600 Jahren in Deutschland, die deutschen Roma wanderten im 19. Jahrhundert ein. Außerdem gibt es noch ca. 40.000 – 70.000 Roma, die als Flüchtlinge oder Arbeitsmigranten nach Deutschland gekommen sind. Einige WissenschaftlerInnen setzen die Zahlen höher oder niedriger an. Diese Zahlen sind letztlich jedoch nur zweitrangig. Für diesen Artikel ist ihre soziale Lage in Deutschland von größerem Interesse. Wie sieht sie aus?
Es gibt eine Vielzahl von Studien, leider sind es oft aber nur lokale Erhebungen oder mit einer relativ kleinen Gruppe von Befragten, andererseits kommen viele zu ähnlichen Ergebnissen Demnach sind auch in Deutschland Vorurteile weit verbreitet . Leider ist das keine Überraschung und war zu erwarten. Das viele Roma und Sinti gar nicht als solche sichtbar sind, tut dem anscheinend keinen Abbruch. Beispielsweise kamen viele Roma Ende der 60er Jahre aus Jugoslawien als Arbeitsmigranten nach Deutschland. Wahrgenommen wurden sie nicht als Roma sondern als Jugoslawen und nach dem Auseinanderbrechen Jugoslawiens waren sie eben Serben, Kroaten oder Bosnier. Auffälliger waren sie nicht. Auch Sinti, welche schon seit Generationen in Deutschland leben, versuchen so unauffällig wie möglich zu bleiben. Unter Sinti und Roma sitzt das Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen und die Angst vor Diskriminierung tief. Auch wird berichtet, dass Kinder aus Romafamilien häufiger auf Sonderschulen und Hauptschulen gehen. Auch sind sie häufiger arbeitslos und beziehen Transferleistungen. Allerdings zeigen sich auch dahingehende Tendenzen, dass sich Aufsteiger herausbilden. Für jene die sich ein gewissen Wohlstand erarbeiten können eine erfreuliche Entwicklung. Allerdings zeigt sich auch bei Sinti und Roma eine Tendenz zur Aufspaltung in gute und schlechte Wohngebiete, vor allem bei Alteingesessenen. Die Wohlhabenderen ziehen fort und die Ärmeren bleiben zurück, oder werden infolge der Gentrifizierung verdrängt. Mit all den Konsequenzen, die solch eine Entwicklung hat. Für Romaflüchtlinge ist die Situation wesentlich prekärer. Für Flüchtlinge besteht in der Bundesrepublik Ausbildungs- und Arbeitsverbot, sie haben keinen Anspruch auf Sprachkurse und zu allem Überfluss besteht in einigen Bundesländern (namentlich: Hessen, Baden-Württemberg und Saarland) nicht einmal eine Schulpflicht für Asylsuchende. Mit dem Scheinargument, Flüchtlinge blieben doch nur für eine begrenzten und kurzen Zeitraum, wird ihnen massiv der Zugang zu Bildung und Arbeit verwehrt; dadurch werden sie in illegale Beschäftigungsverhältnisse gedrängt, in denen sie ideal ausgebeutet werden können. Tatsächlich jedoch dauert dieser „kurze“ Aufenthalt oft 10 Jahre oder länger und gerade Roma, als eine besonders stigmatisierte Gruppe, trifft dies hart. Im Bildungsbereich zeigen sich vielfach Probleme, die sich auf die Unterbringung und den Aufenthaltstitel zurückführen lassen. Kinder von Flüchtlingen sind unruhig und unkonzentriert aufgrund der ständigen Angst vor der Abschiebung (welche bevorzugt mitten in der Nacht durchgeführt werden), häufige Umzüge und beengter Wohnräume. Schlechte Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz und abgeschiedene Lage von Flüchtlingsheimen verschärfen viele Probleme noch. Allerdings kann von Desinteresse keine Rede sein. Es mag einzelne Roma geben die an Bildung nicht interessiert sind, oft werden Bildungsangebote jedoch bei entsprechender Aufklärung und Betreuung gut angenommen. Eine Sozialarbeiterin aus Köln, befragt im Rahmen einer von der TU-Berlin durchgeführten und von UNICEF in Auftrag gegebenen Studie, äußerte sich folgendermaßen:“Der mangelnde Schulbesuch, den wir lange gehabt haben, lag nicht an der fehlenden Bereitschaft der Roma, ihre Kinder zur Schule zu schicken. […] Und es gibt keine Roma-Community, die sagt, wir interessieren uns nicht für die Schule. Es gibt Familien, die damit kokettieren. Und es gibt auch welche, die kein Interesse haben, aber das ist eben nicht durchgängig so“. Flüchtlinge und speziell Romaflüchtlinge leben deswegen am Rande der Gesellschaft, weil es politisch gewollt ist.
Eine weitere Verschlechterung bedeutete das Rückführungsabkommen mit dem Kosovo im Jahre 2010. Viele Flüchtlinge, die infolge des Kosovokrieges geflohen sind, waren Roma. Nach der Unabhängigkeitserklärung Kosovos, wesentlich unterstützt von Deutschland, den USA, Großbritannien und Frankreich, konnte endlich solch ein Abkommen unterschrieben werden um die missliebigen Flüchtlinge loszuwerden. Durch dieses Abkommen konnten Flüchtlinge wieder nach Kosovo abgeschoben werden.
Viele der Abgeschobenen waren gut integriert, haben schon seit Jahren in Deutschland gelebt und gearbeitet, sprachen und sprechen auch jetzt noch gut Deutsch, gerade deren Kinder sprechen ausschließlich Deutsch und kennen die Sprache ihrer „Heimat“ nicht. Auch wurden Alte, Kranke und Kinder angeschoben. Faktisch wurden all diese Menschen ins Elend abgeschoben. Die Arbeitslosigkeit in Kosovo liegt bei 45%, unter Roma sind es sogar annähernd 100%(!). Das Bildungs- und Gesundheitssystem ist marode. Aus Deutschland abgeschobene Kinder können kein Wort Albanisch und ihre Schulzeugnisse werden teilweise gar nicht anerkannt, was ihre Bildungschancen minimiert. Um Sozialhilfe beantragen zu können, muss man vor der Flucht in der jeweiligen Gemeinde gelebt haben und auch jetzt dort wieder Wohnraum besitzen. Was schwer ist, viele Wohnungen und Häuser wurden im Zuge des Jugoslawienkrieges bzw. Kosovokrieges zerstört oder wurden vor der Flucht zu Schleuderpreisen verkauft.
Als Feigenblatt legte die Bundesregierung das Programm „Ura“ (albanisch für „die Brücke“) auf. Wer freiwillig nach Kosovo zurückkehrt erhält 6 Monate lang (Verlängerung um weitere 6 Monate möglich) einen Essens-, Miet- und Lohnkostenzuschuss und andere kleinere Leistungen wie zum Beispiel Geld für Medikamente. Allerdings nutzen es Arbeitgeber vorrangig um kostenlose Arbeitskräfte zu finden und nach Auslauf der „Förderung“ werden die betroffenen entlassen. Bei einer so hohen Arbeitslosigkeit macht eine solche „Förderung“ auch kaum Sinn; davon abgesehen, dass sie nur max. 12 Monate beträgt. Der Absturz ins Elend wird in den allermeisten Fällen nur aufgeschoben.