Mi 14.11.2012
Millionen von Menschen stießen einen Seufzer der Erleichterung aus, als sie hörten, dass Mitt Romney und Paul Ryan nicht ins Weiße Haus kommen würden. GewerkschafterInnen, Frauen, Afro-AmerikanerInnen, LateinamerikanerInnen und die Schwulen-Lesben-Transgender Community haben die Agenda der Republikaner richtigerweise als eine brutale und reale Gefahr erkannt.
Der rechte Flügel versuchte die Wahlen durch Einschüchterung der WählerInnen, Verdrängung und einer unechten populistischen Haltung bezüglich der Wirtschaft in den letzten Wochen zu gewinnen. Sie steckten über eine Milliarde Dollar in ihre Wahlkampagne in dem Versuch die Armen, Jugendliche und people of color zu entrechten.
Obama’s Stimmergebnis war nichts im Vergleich zu der begeisternden und energetischen Kampagne von 2008. Dieses Jahr fiel die Wahlbeteiligung um 12 Millionen Stimmen im Vergleich zu 2008. Die meisten Menschen wählten Obama eher als ein „kleineres Übel“, als dass sie in ihm wie 2008 den Retter sahen, der „hope“ (Hoffnung) und „change“ (Wandel) bringen würde.
Die Occupy Wall Street Bewegung vom letzten Jahr hatte einen Einfluss auf diese Wahl, in dem sie die Diskussion über wirtschaftliche Ungleichheit zwischen den „99%“ und den „1%“ in den Vordergrund rückte. Ein grelles Licht wurde auf die Rekordsumme von sechs Milliarden Dollar geworfen, die für die Bundeswahlen ausgegeben wurden, was Millionen Menschen empörte. Occupys Aussagen gegen die Dominanz der großen Konzerne entflammte auch einen gesunden Hass gegen Mister 1% selbst, Mitt Willard Romney.
Obama hat die Wahl trotz seiner Politik für die Konzerne gewonnen. Banken hatten Billionen an Steuergeldern erhalten, während Sozialleistungen gekürzt wurden und Millionen Familien ihr Haus verloren. Viele Antikriegs Wählerinnen und Wähler unterstützten Obama, trotzdem er in einem Land nach dem anderen Bomben auf Zivilisten abwerfen ließ, Bushs Modell eines niemandem Rechenschaft schuldigen imperialen Präsidenten fortsetzte, einen Krieg in Libyen wagte und Dronenangriffe an vielen Orten der Welt anordnete, ohne eine einzige Diskussion dazu im Kongress zu führen.
Viele von Obamas Wählerinnen und Wählern waren tief enttäuscht von seinen Leistungen in den letzten vier Jahren und sehen in ihm korrekterweise eine Marionette der Wall Street und der 1%. Die Obama Administration beginnt ihre zweite Amtszeit ohne ein wirkliches Mandat. Die Basis der Demokratischen Partei in den Gewerkschaften, bei people of color, Frauen und in den Schwul-Lesbischen-Transgender Communities hat ihren Ärger während der Wahl heruntergeschluckt, sich die Nase zugehalten und für das „kleinere Übel“ gestimmt. Jetzt, nach dem die Wahlen hinter ihnen liegen, wird die ganze angestaute Wut und der Frust irgendwann überkochen.
Forderungen nach Arbeitsplätzen, Investitionen in Energiesysteme, Bildungsausgaben, Wohnraum und nach Lösungen für die endlose Liste von Ungerechtigkeiten werden wieder an die Oberfläche kommen. Und wieder wird Obama die Interessen der Wall Street und des Big-Business an erste Stelle setzen und damit Empörung und Opposition provozieren. Die Zeit ist reif, neue Bewegungen der Beschäftigten und Unterdrückten aufzubauen, die unabhängig von beiden Parteien der Konzerne sind.
Neue Situation und Meinungsumschwung
Auf bundesweiten Level haben das erste Mal WählerInnen aus Washington, Minnesota, Maine und Maryland für das Recht auf gleichgeschlechtliche Ehen gestimmt, was einen historischen Wendepunkt in dem Kampf für Homosexuellen-Rechte darstellt. Viele andere progressive Volksabstimmungen im ganzen Land waren erfolgreich, von Anhebung des Mindestlohns über die Verteidigung von gewerkschaftlichen Rechten bis hin zu Maßnahmen gegen den rassistischen „Krieg gegen Drogen“. In Minnesota wurde der Versuch eine scharfe Begrenzung von Wahlrechten im dem Bundesstaat in die Verfassung aufzunehmen, knapp abgelehnt. Das alles zeigt einen Wandel in der Demographie und einen Wandel in der Einstellung von Jugendlichen und ArbeiterInnen. Zusammen mit massiver Wut in der Arbeiterklasse ist das die Basis für explosive Bewegungen im nächsten Jahr.
Romney richtete seine Strategie vor allem auf ein solides Stimmergebnis unter männlichen Weißen (insbesondere aus dem Süden) aus und hoffte auf eine geringe Wahlbeteiligung. Die Taktik der Republikaner war schon immer seit den 1960er Jahren Wahlen zu gewinnen, in dem sie die Furcht und die Wut unter weißen WählerInnen anstacheln. Diese Wahlstrategie wird auf bundesweiter Ebene immer schwieriger und wird sich noch deutlicher bei den kommenden Wahlen zeigen. Diese Wahlniederlage wird die brodelnde Krise in der Republikanischen Partei vertiefen, die gezwungen werden wird, ihre Identität neu zu definieren oder sonst eine ständige Partei der Minderheit zu werden.
Während es keine großen Änderungen in der parteilichen Zusammensetzung des Kongresses gibt, sind die Änderungen bei den Republikanischen Gesetzgebern nennenswert. Die „gemäßigten“ Maine Republikaner und der „Zentrist“ Dick Lugar sind aus dem Amt so wie manch andere der tollwütigsten Tea Party Mitglieder. Trotz mancher Rückschläge für die Tea Party, ist die insgesamte Verteilung der Macht in der republikanischen Kongress Fraktion noch weiter nach rechts gerutscht, was den Weg bereitet für einen weiteren Stillstand der Zusammenarbeit der beiden großen Parteien.
Dennoch wiederholte Obama in seiner Siegesrede das Versprechen sich mit den Republikanern zu einigen. In Wirklichkeit ist Obamas Zusammenarbeit zynischerweise darauf ausgerichtet, der Mantel für seine offene pro-Big-Business Politik zu sein, welche bald entlarvt sein wird. Beide Parteien bereiten historische Kürzungen im Sozialsystem, Gesundheitswesen und anderen lebenswichtigen Bereichen der Daseinsfürsorge noch vor Ende 2012 vor. Das könnte eine Radikalisierung, Straßenproteste und weitere Kämpfe provozieren. In diesem Zusammenhang wird es die Möglichkeit geben massenhaften Widerstand der Arbeiterklasse, Anti-Big-Business Wahlkampagnen und eine politische Partei der 99% aufzubauen.
Aufbau einer sozialistischen Bewegung unter neuen Umständen
Das historische Ergebnis für die Kandidatin von Socialist Alternativ Kshama Sawant im Bundesland Washington zeigt das Potential eine Bewegung gegen Kapitalismus aufzubauen. Während sie offen als Sozialistin antrat hat sie mehr Stimmen bekommen als jemals ein Republikaner gegen Frank Chopp in seiner starken Demokratischen 18 Jahre langen Parteikarriere.
Während sie gegen Kürzungen und Steuerflucht antrat, für die Überführung in öffentliches Eigentum von Boeing, Microsoft und Amazon aufrief, half der Wahlantritt von Socialist Alternative die Ideen des demokratischen Sozialismus bekannt zu machen. Sie gewann über 11,906 Stimmen aus der Arbeiterklasse, was wahrscheinlich auf über 20,000 ansteigen wird, wenn die Zählung vorüber ist. Dieses Ergebnis ist das größte Highlight für eine lokale unabhängige Kandidatur im Jahr 2012 und darauf muss aufgebaut werden.
Um diese Situation zu nutzen, müssen wir mutig für organisierten Widerstand gegen Kürzungen eintreten, der Hunderttausende Gewerkschaftsmitglieder, Occupy UnterstützerInnen, Stadtteil-AktivistInnen und Jugendliche einbezieht. Diese Bündnisse müssen sich vorbereiten auf Streiks und massenhafte Aktionen, um ihren Lebensstandard gegen die Angriffe der Konzerne zu verteidigen. Aus diesen Kämpfen heraus, können wir die Basis dafür schaffen, was notwendig ist: eine Massenpartei der arbeitenden Bevölkerung mit einem demokratischen sozialistischen Programm.
Auf der anderen Seite der Entwicklungen außerhalb der beiden großen Parteien sahen wir die Gefahr des Rechtspopulismus. Gary Johnson, der Präsidentschaftskandidat der Libertarian Party, bekam über eine Millionen Stimmen, drei Mal so viele wie die prominente linke Präsidentschaftskandidatin Jill Stein von der Green Party. So wie die Siege der Tea Party 2010 gibt das einen Eindruck von dem Potential für rechtspopulistische Ideen, was weiter wachsen kann, wenn die Linke und die Arbeiterbewegung daran scheitern eine massenhafte politische Alternative zum verhassten Establishment aufzubauen.
Diese Wahlen, die im fünften Jahr der wirtschaftlichen Krise stattfanden, zeigten die tiefe Polarisierung der Gesellschaft in den USA. An der Basis entsteht die politische und soziale Polarisierung von der sich verschärfenden Spaltung und der anwachsenden Verzweiflung von Millionen von ArbeiterInnen. Durch den Mangel an einer klaren politischen Stimme der Arbeiterklasse in den Wahlen, hat die Auseinandersetzung der kapitalistischen Politiker einen verzerrten Ausdruck der Wut der Arbeiterklasse gegeben. In dieser Situation können rechte Ideen Unterstützung gewinnen und in den letzten vier Jahren hat es ein rapides Wachstum von rechten militanten Gruppen gegeben.
Auf der anderen Seite kann dort, wo es einen mutigen linken Anhaltspunkt gibt, die Leute provozieren weitreichende linke Schlussfolgerungen zu erwägen. Es gibt eine weit verbreitete Suche nach Ideen, die einen Ausweg aus der kapitalistischen Misere geben. Wie die Kampagne von Socialist Alternative für Kshama Sawant in Seattle zeigt, wird die Gesellschaft in den USA ein fruchtbarer Boden für das Anwachsen von sozialistischen Ideen.