Fr 06.11.2009
Wieder zehntausende Studierende auf der Straße - Österreichweite Proteste - SchülerInnen, ArbeiterInnen, KindergärtnerInnen, BetriebsrätInnen, Lehrende solidarisieren sich - die Politik ist rastlos
So in etwa sieht die Bilanz des zweiten Demotages, des 5.11., aus. In Wien, Linz, Salzburg, Innsbruck und Graz gab es Studierendendemonstrationen. Wenn die Regierung gehofft hatte, die Proteste würden einfach einschlafen, dann hat sie sich geirrt. In der Früh eine gemeinsame Kundgebung und Demonstration von MetallarbeiterInnen und Studierenden die von der SLP maßgeblich mitorganisiert wurde. SchülerInnen demonstrieren vor dem Unterrichtsministerium. Ab 16.00 die Großdemonstration in Wien. Bei der Abschlusskundgebung moderiert Michael Gehmacher - Student, Aktivist der ersten Stunde und SLPler. Auch in Salzburg sind SLPlerInnen vom ersten Tag an dabei. Es werden Diskussionen zum "wie weiter", "welche Strukturen will die Bewegung" und "sind wir links?" geführt.
Unsere Forderungen richten sich gegen die kapitalistische Logik
Die Forderungen der Studierendenbewegung kratzen an der kapitalistischen Logik. "Freie Bildung ist ein Menschenrecht" meinen viele Studierende zu Recht - aber eines dass in der kapitalistischen Profitlogik nicht umgesetzt werden kann. Die zentrale Frage ist nichtl, ob sich Studierende als "links" sehen oder nicht - die absolut berechtigten Forderungen nach mehr Geld für die Bildung, nach Bildung statt Ausbildung etc. lassen sich mit dem kapitalistischem Ziel von Profitmaximierung nicht vereinen. Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise wird den Studierenden oft an den Kopf geworfen "es ist leider kein Geld da". Richtig ist, dass in der Krise weniger Geld da ist, aber selbst da ist noch die Frage, wofür es eingesetzt wird. Knapp gesagt: Es ist eine politische Entscheidung ob 10 Milliarden für die Banken bereitgestellt werden, oder für die Bildung. Oder ob 2 Milliarden an AktionärInnen ausgeschüttet werden oder in die Unis. Keine der etablierten Parteien greift diese Logik an: die ÖVP ist für Zugangsbarrieren und Studiengebühren. Die SPÖ versucht sich zwar in Worten an die Studierenden anzubiedern, wettert aber gleichzeitig gegen die deutschen Studierenden und ist auch für Formen der Zugangsbarrieren. (So nebenbei: wir haben schon längst Zugangsbarrieren – die Matura bzw. Berufsreifeprüfung.) Die Grünen sind zwar für mehr Geld für die Bildung, aber auch sie beantworten die Frage, wo es herkommen soll, nur zögerlich. Und die „Sympathie“ der FPÖ für die Studierendenanliegen ist geheuchelt: die eigenen Jugendorganisationen (RFJ und RFS) fordern die (auch gewaltsame) Räumung der besetzen Hörsäle und sind für Elitenuniversitäten und mehr Wirtschaftseinfluss an den Universitäten.
17.11. - 12.11 - 21.11 - 25.11. - 28.11.
Wie geht’s jetzt weiter? Einige Termine stehen an: am 17.11. ist in Deutschland Bildungsstreik mit Aktionen an Schulen und Universitäten. Die österreichische Politik versucht ja den deutschen KollegInnen die Schuld für die Bildungskatastrophe in die Schuhe zu schieben. Schon jetzt haben sich Studierende in Deutschland mit der Bewegung in Österreich solidarisiert und diese als Anlass genommen, selbst Hörsäle zu besetzen. In der Bewegung in Österreich sind viele ausländische Studierende – Deutsche und solche mit Migrationshintergrund – aktiv. Der 17.11. gibt die Möglichkeit in Österreich Solidaritätsaktionen mit Deutschland zu organisieren. Z.B. in Form von Protesten vor der Deutschen Botschaft, deutschen Firmen und Tourismus-Einrichtungen.
Das Besondere an der aktuellen Bewegung ist die reale Verbindung zu Protesten von ArbeitnehmerInnen. Appelliert wurde an diese auch in anderen Studierendenprotesten. Diesmal gibt es einen sehr realen Schulterschluss. Die MetallerInnen z.B. werden in ihren KV-Verhandlungen von den Studierenden aktiv unterstützt – und die Gewerkschaftsführung so auch nach links gedrückt. Für Donnerstag den 12.11. - einen Tag vor der nächsten Verhandlungsrunde – sind neuerliche Proteste der MetallerInnen geplant – die Studierenden sollte diese laut und stark unterstützen.
BündnispartnerInnen der ersten Stunde sind die KindergärtnerInnen die seit Monaten gegen die immer schlechteren Arbeitsbedingungen protestieren. Durch Gratiskindergarten in Wien und dem verpflichtenden letzten Kindergartenjahr wird der Arbeitsdruck massiv gesteigert – es fehlt an Personal, die Gehälter sind mager, die Anzahl der Kinder pro BetreuerIn viel zu hoch. Am 21.11. halten die KindergärtnerInnen in Wien Proteste ab, die die Studierenden offensiv unterstützen sollten.
Für 25.11. lädt Noch-Minister Hahn zu einem „Hochschul-Dialog“ in der Akademie der Wissenschaften. 50 „ExpertInnen“ sollen da diskutieren – darunter lediglich drei VertreterInnen der kämpfenden Studierenden. Hahn drückt sich somit vor einer echten Diskussion mit den Betroffenen oder gar Verhandlungen. Nichts desto trotz sollte dieser Termin genützt werden, um einen nächsten Protesttag zu organisieren. Bis zum 25.11. brauchen wir einen österreichweiten Studierendenkongress um gemeinsame Forderungen und die nächsten Schritte zu debattieren. Wir müssen VertreterInnen wählen, die an diesen – und anderen – Debatten teilnehmen. Aber wir sollten uns ihre Spielregeln nicht aufdrücken lassen. Die Debatte soll ins Audimax (oder einen größeren Raum) verlegt werden, aufs Podium gehören VertreterInnen der Studierenden (nicht der ÖH sondern der verschiedenen besetzten Unis) sowie von Gewerkschaften. Das Thema darf nicht „wie den Mangel verwalten“ sondern „wie das Geld von Wirtschaft und Reichen bekommen“ sein. Diese und andere Gespräche müssen für jedeN mitverfolgt werden können – also Übertragen per TV oder Livestream etc. Der Tag selbst sollte mit massiven Protesten begangen werden, Kundgebungen, Demonstrationen, aber auch Streiks an den Unis - immerhin haben sich viele Lehrende und auch der Betriebsrat der Uni Wien solidarisiert.
Am 28.11. gibt es in Wien eine Demonstration unter dem Motto „Eure Krise zahlen wir nicht“ - passend auch zu den aktuellen Protesten – und ein guter Termin für die Uni-AktivistInnen, wieder einmal auf die Straße zu gehen.
Demonstrieren – Diskutieren – Organisieren
Diese Bewegung zeigt viel:
-
Der Unmut in der Bevölkerung steigt, viele sind froh, dass sich endlich wer wehrt. Die Unterstützung für die Studierendenproteste ist groß.
-
Die Jugend ist alles andere als unpolitisch – sie will bloß mit den etablierten Parteien nichts zu tun haben: zu Recht!
-
Wer sich wehrt, kann was erreichen: es wird über die Bildungsmissäre diskutiert und Hahn hat ein erstes – wenn auch viel zu kleines – Zugeständnis über 34 Millionen Euro gemacht.
-
ArbeitnehmerInnen und Jugendliche haben gemeinsame Interessen – und wissen dass auch. Der Schulterschluss zwischen Studierenden, SchülerInnen und ArbeitnehmerInnen macht der Regierung Angst. Zu Recht denn wenn sie gemeinsam Kämpfen, können sie viel erreichen.
-
Gemeinsame Kämpfe von ÖsterreicherInnen und Menschen mit Migrationshintergrund können Rassismus stoppen. Der Spaltungsversuch in österreichische und deutsche Studierende hat nicht funktioniert. Und durch die Bewegung sind rechte und rassistische Kräfte wie die FPÖ in die Defensive gedrängt worden. Das ist gut so!
-
Die Bewegung steht erst am Anfang. Die Proteste der Studierenden können noch weiter gehen. Ob sie letztlich Erfolg haben werden hängt auch davon ab, wie intensiv der Schulterschluss mit anderen betroffenen Gruppen, v.a. den ArbeitnehmerInnen ist. Die bisherige Zusammenarbeit baut Hemmschwellen ab und stellt die gemeinsamen Interessen in den Vordergrund. Sie zeigt was gemeinsam erreicht werden kann. Sie ist damit ein Baustein auf dem Weg zu einer neuen politischen Kraft links von SPÖ und Grünen, die wir in Österreich so dringend brauchen.