Sa 15.09.2007
Wien-Brigittenau, 13. September, 17 Uhr: An der Ecke Dammstraße/Pappenheimgasse versammeln sich die TeilnehmerInnen einer Demonstration gegen den geplanten Ausbau des Islamischen Kulturzentrum. “Moschee Ade!”. Den Herrschaften fehlt es noch ein bißchen Übung beim Demonstrieren, die eher dilettantisch fabrizierten Transparente sind nur schwer an den Mann zu bringen. Bei der Lektüre der Spruchbänder bestätigt sich im Übrigen die alte Regel, dass jene, die besonders beherzt fürs Deutschtum kämpfen, mit der deutschen Sprache gewaltig auf Kriegsfuß stehen.
Ein paar Glatzen von der Milchzahn-Fraktion verteilen Flugblätter der “Nationalen Volkspartei” (NVP). Mit stolzgeschwellter Hühnerbrust berichten sie von ihrer Agitation an Gymnasien und HTLs in Wien und Umgebung. Ein besonders rabiater Patriot (mit rotweißrotem Wimpel und “Ich bin stolz, ein Österreicher zu sein”-Leiberl) krakeelt herum, dass er alle Moscheen in Österreich verboten haben will, und zwar subito. Gesetztere, beleibte Herren aus der Totschlägerabteilung der 1988 wegen NS-Wiederbetätigung verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP) stoßen mit Büchsenbier an.
Es treffen immer mehr FPÖ-Chargen aus der zweiten Garnitur ein: Bezirksparteiobmänner, Ex-Abgeordnete, Landtagsabgeordnete und solche, die's werden wollen. Ein paar ältere, in Blood&Honour-Fanfetzen gehüllte Glatzen fachsimpeln über das “Terrorurteil”, das am Vormittag zwei ihrer Vorarlberger Kumpane ereilt hat: “Ocht und nein Jahr' für so a Zecken, a Wauhnsinn!” (Am selben Tag waren in Feldkirch zwei Blood&Honour -Leute verurteilt worden, weil sie einen 20jährigen Lehrling buchstäblich zum Krüppel getreten hatten.) Eine Gruppe ehemaliger VAPO-Leute gibt sich am Rande des Gewusels ein Stelldichein, sogar aus St. Pölten und Krems ist Verstärkung angereist. Gleich daneben versammelt sich der örtliche Ableger des neonazistischen “Bundes Freier Jugend” (BFJ). Und, ob FPÖler, ob Naziglatze, ob Neonazi: man kennt einander, grüßt einander, die einzelnen Gruppen haben keinerlei Abgenzungsprobleme. Heute geht's gegen die “Kanaken”, da müssen kleinliche Fraktionsstreitigkeiten hintanstehen.
Ein paar Megaphondurchsagen der Bürgerinitiative gegen die Moschee gehen im Trubel unter. Klar ist, dass es hier nicht um die vorgeblichen “Parkplatzprobleme”, “Lärmbelästigung” oder “Angst vor Verschleierten”(!) geht, sondern um geballte rassistische Hetze. Plötzlich Applaus, Jubelrufe und “Stra-che, Stra-che”-Sprechchöre branden auf. HC betritt die Szene, blaubeschalt, maskenhaft grinsend. Seine Verehrerschar will ihn nimmer loslassen, jedeR will ein Quäntchen abkriegen von der Gunst des ehemaligen Wehrsportgrupplers und Wiking-Jugend-Unterstützers. Nach Abklingen der Strache-Huldigungen setzt sich der Zug langsam in Bewegung. Man ist unter sich, man fühlt sich stark, man lässt den niedrigsten Instinkten freien Lauf. Es läuft ein Spruch, den zu zitieren der bürgerliche Anstand verbietet. Wenn irgendwo (und sei es an einem Fenster im vierten Stock) ein Schleier auftaucht, ertönen reflexartig Pfiffe, Buhrufe, Mittelfinger werden hochgestreckt und übelste sexistisch-rassistische Beschimpfungen vom Stapel gelassen. Hier marschiert der braune Mob.
Unterwegs werden von Blood&Honour-Leuten und den Jungglatzen, die eben noch für die NVP warben, massiv Flugblätter und Aufkleber der schon mal wegen nationalsozialistischer Widerbetätigung verbotenen “Aktionsgemeinschaft für demokratische Politik” (AFP) unters Volk gebracht. Das zeitigt den schönen Effekt, dass sich im Verlauf der Demo gut jedeR Zweite der von FPÖ und ÖVP (!) Mobilisierten ein oranges Neonazi-Pickerl an Brust, Arsch oder Kapperl pappt. So viel zum Thema “überparteiliche Bürgerinitiative”.
Nach ein paar hundert Metern tauchen in einer Nebengasse einige GegendemonstrantInnen auf. Sofort formiert sich ein Rudel von ca. 60 Faschos, die mit allerlei szenetypischen Kraftmeiereinen und unflätigen Beschimpfungen zu provozieren versuchen. Und es dauert keine 30 Sekunden, da schallte es durch die Brigittenau: “Hier marschiert der nazionale Widerstand!” Auch durch diese eindeutige Neonaziparole lässt sich HC Strache nicht von seinem aufgesetzten Dauergrinser abbringen. Womit wir auch das Thema von der Distanz Straches zu seinen alten Kameraden behandelt hätten.
Dem Mob zog dann weiter zum Bezirksamt Brigittenau, dort gab es bisschen Hin und Her mit einer Delegation zum Bezirksvorsteher, und anschließend hatten die Schnaps-Abfüllstationen im Umkreis Hochkonjunktur.
Ach ja: gezählt wurden 840 TeilnehmerInnen an diesem Faschisten-Spektakel. Mindestens 130 von ihnen waren eindeutig dem militanten Neonazispektrum zuzuordnen. Sie werden weiter marschieren, und das ist angesichts der Ereignisse vom 13. September durchaus als gefährliche Drohung anzusehen.