Umbrüche in China

Schon vor dem Auftreten der kürzlich erlebten Spannungen zwischen China und Japan war China im Mittelpunkt des Interesses der ganzen Welt.
Peter Taaffe, CWI

Dies ist jetzt noch stärker der Fall. Der Japanische Premierminister Koizumi hat, angesichts großer Demonstrationen in China und Angriffe auf Japanische Geschäfte, einige Forderungen aus Beijing erfüllt und sein „tiefstes Bedauern“ für die Kriegsverbrechen, die in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges vom Japanischen Imperialismus begangen wurden. Hinter diesen Demonstrationen in  Shanghai und einigen anderen Städten (siehe vorherige Berichte auf der CWI-Website) steckt ein gewaltiger Konkurrenzkampf zwischen der emporkommenden Macht China und Japan, unterstützt durch die USA, um die Vorherrschaft in Asien.

In diesem Konflikt hat das Chinesische Regime an tiefverwurzelte Gefühle des Chinesischen Nationalismus appelliert. Diese Gefühle entstammen dem berechtigten Glauben der ChinesInnen, dass sie im Laufe der Geschichte Opfer zahlreicher Ungerechtigkeiten waren, die ihnen durch die kapitalistischen Mächte des Westens zugefügt wurden. Sie verstehen dass China eine bedeutende Macht war - in vielerlei Hinsicht sogar weiter entwickelt als der Westen - vor der Entwicklung des Kapitalismus in Europa und der darauf folgenden Besetzung Chinas durch den Imperialismus und seinen Verbündeten. Hinzu kommt das furchtbare Leiden der Menschen in China unter dem Japanischen Imperialismus vor allem in den 1930er Jahren und während des Zweiten Weltkrieges. Deswegen haben seitdem anti-Imperialistische und vor allem anti-Japanische Gefühle eine wichtige Rolle in der „Chinesischen Psyche“ gespielt. In einigen Fällen hat sich dieses Element in einem fortschrittlichen Sinne manifestiert. So demonstrierten zum Beispiel im Mai 1919 StudentInnen in Beijing gegen die Übergabe Deutscher Kolonien an Japan im Rahmen des Vertrages von Versailles. Was als anti-japanische Demonstration begann verwandelte sich rasch in eine Massenbewegung gegen den schwachen, rückwärtsgewandten und autoritären chinesischen Kapitalismus der damaligen Zeit. Die herrschende Elite heute fürchtet einen ähnlichen Verlauf der jüngsten Demonstrationen und bemühte sich, diese schnell wieder zu beenden.

Angesichts des Untergangs der stalinistischen Ideologie blieb dem zunehmend kapitalistischen Regime Chinas alleine der Nationalismus als verlässliches Mittel um China zusammen zu halten. Um dies zu machen, haben sie sich auf die Geschichte bezogen. Mao stützte sich ebenfalls auf den chinesischen Nationalismus, genau wie Deng Xiaoping, dem geistigen Vater von Chinas Entwicklung hin zum Kapitalismus, der „patriotische Museen“ ins Leben rief, die sich hauptsächlich mit Japanischen Gräueltaten beschäftigten.  Auf ähnlicher Weise gingen anti-japanische Proteste der Revolution auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Jahre 1989 voraus - ein Ausdruck davon, wie Demonstrationen gegen den Japanischen Militarismus sehr schnell in Kritik des chinesischen Regimes umschlagen können.

Die jüngsten Demonstrationen speisen sich aus dem Reservoir des legitimen Unmutes der ChinesInnen aufgrund der Gräueltaten, die die japanische herrschende Klasse an sie verübt hat, dennoch erfuhren diese Demonstrationen zumindest ein Stück weit Unterstützung seitens der Regierung. Wer in China Demonstrationen organisiert, muss meistens mit sofortiger Festnahme rechnen. Es gab eine Reihe von Faktoren, die zu diesen Demonstrationen geführt haben. Die herrschende Klasse Chinas war verärgert über Japans Forderungen nach einem Sitz im UN-Sicherheitsrat , über die Weigerung des japanischen Premierministers Koizumi, sich auf angemessene Weise für die Kriegsverbrechen Japans zu entschuldigen, über die Remilitarisierung Japans und über den Konflikt um Zugriff auf Energieressourcen im südchinesischen Meer. Offenbar wurden bereits 17 Mal Entschuldigungen für japanischen Kriegsverbrechen ausgesprochen, doch diese waren immer wenig überzeugend und haben auf Chinesischer Seite eher mehr Wut verursacht. So wird etwa das Massaker von Nanjing, bei dem 1937 Schätzungsweise 300.000 ChinesInnen durch Japanische Streitkräfte ermordet wurden, in Japanischen Schulbüchern lediglich als „Zwischenfall“ bezeichnet.

Es ist möglich dass Koizumi angesichts der Demonstrationen in China und der Befürchtung, dass sich diese Situation, etwa wenn es zu einem Boykott kommt, negativ auf die Wirtschaft beider Länder auswirken könnte, versuchen wird, die Situation vorübergehend zu beruhigen.

Die Sachfragen, die die Demonstrationen ausgelöst haben, bleiben jedoch ungelöst.

Die chinesische Wirtschaft

Diese Ereignisse bewirken eine Zuspitzung wichtiger Fragen geo-politischer und anderer Art für China und die Welt. Wird China ein Rettungsanker für den globalen Kapitalismus sein? Wird das Wachstum der wirtschaftlichen Macht Chinas auch mit einem stärkeren Auftreten in militärischer und diplomatischer Hinsicht einhergehen? Was wird dies wiederum für Asiens und den Rest der Welt bedeuten? Was werden die sozialen und ökologischen Kosten des massiven Wachstums sein, sowohl für China selbst als auch für die Welt als Ganzes? Vor allem, aus Sicht von SozialistInnen und MarxistInnen, stellt sich die entscheidende Frage nach der Chinesischen Arbeiterklasse und ihre Chancen für die Schaffung eigener, unabhängiger Organisationen, Gewerkschaften und Parteien.

Die Frage, wie diese potentiell mächtige Kraft wenn nicht zufriedengestellt doch wenigstens im Zaum gehalten werden kann, ist das Dilemma, ja sogar der Alptraum, der die Chinesische Elite heimsucht. Sicherlich ist es richtig, dass in China auch weiterhin ein wirtschaftliches Feuerwerk abgebrannt wird, durch das die Chinesischen Massen geblendet und in Schach gehalten werden. Dies wird wiederum beeinflusst werden durch die Beziehungen Chinas zu dem Rest der Welt sowie zu den anderen Riesen oder Möchtegern-Riesen Asiens- Indien und Japan - und vor allem zur dominanten Weltmacht, dem US-Imperialismus. Seit über 25 Jahren marschiert die Stalinistische Elite Chinas fortwährend in Richtung einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung. Im Zeichen des bekannten Ausspruches von Deng Xiaoping „Es ist egal, ob die Katze schwarz oder weiß ist, so lange sie Mäuse fängt“, entschied die ‚pragmatische‘ stalinistische Elite in der Chinesischen Regierung dass dies die einzige Möglichkeit für China war, aus der wirtschaftlichen Sackgasse zu entkommen, in die ihre bürokratische Herrschaft geführt hatte. Zu diesem Zweck wurde sie gezwungen, massiven Ausländischen Direktinvestionen (ADI) und den damit einhergehenden Technologien die Tür zu öffnen. Besonders diese Technologien haben phänomenale Wachstumsraten ermöglicht, vor allem in Guangdong, im Pearl River Delta, im Shanghai-Yangtze Delta, in Beijing und in anderen Gegenden in denen ausländischen Investitionen eine wichtige Rolle gespielt haben.

Von dieser Entwicklung haben auch die Chinesischen Massen in einem gewissen Maße profitiert. Sie bekamen, vor allem in den Städten, Zugang zu mehr Konsumgütern, außerdem erlebten viele Teile der Bevölkerung einen Anstieg des Lebensstandards. Für andere Schichten hat es wiederum große Verschlechterungen gegeben. Die Ungleichheiten sind weitaus höher als noch unter dem alten Stalinistischen Regime.

China hat jedoch einen weiten Weg vor sich, bevor es den westlichen Kapitalismus einholt. Der stellvertretende Chinesische Ministerpräsident Huang Ju wies auf der Milliardärsversammlung von Davos im Januar 2005 darauf hin, dass die Wirtschaftsleistung Chinas aktuell  $1.6 Billionen beträgt, und bis 2020 auf  $4 Billionen ansteigen könnte. Noch wichtiger, sagte er „als besserer Indikator des Wohlstandes“, wird sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf bis dahin auf  $3.000 pro Person belaufen. Vielleicht unbeabsichtigt, weist der Chinesische Regierungsvertreter damit auf den verarmten Zustand der Masse der Chinesischen Bevölkerung hin, die auch in 15 Jahren weiter bestehen wird. Dies trifft jedoch nicht auf die Elite zu, die dabei ist, sich in die neue kapitalistische Klasse zu verwandeln. Der größte Teil der Wirtschaftsleistung (ca. 60 Prozent) wird inzwischen vom Privatsektor erwirtschaftet.

Illusionen

Ungeachtet dessen wird China in einigen Kreisen in der neokolonialen Welt als „Modell“ eines erfolgreichen Entkommens aus der ökonomischen und kulturellen Rückständigkeit gehandelt. Teile der ‘radikalen‘ oder gar ‘linken‘ Intelligenz scheuen auf der Suche nach einem Ausweg aus der Sackgasse des Großgrundbesitzes und des Kapitalismus eindeutig sozialistische und marxistische Ideen und betrachten China als Modell für die Zukunft. Das gleiche gilt für einige Parteien, so wie die Kommunistische Partei Indiens - Marxisten (CPM), die den Standpunkt vertritt, dass die „Mischwirtschaft“ Chinas auch für Indien ein Entwicklungspfad darstellt. Es ist unglaublich, dass die CPM, eine Partei die angeblich für die Verteidigung der ArbeiterInnen und Armen in Indien steht, ein System - nämlich den sich entwickelnden chinesischen Kapitalismus und Imperialismus - loben kann, das eine rücksichtslose Ausbeutung der Arbeiterklasse und der Armen Chinas betreibt.

Dieses ‚Projekt‘ hat nichts auch nur ansatzweise ‚kommunistisches‘ oder ‚sozialistisches‘. Es ist ein besonders bösartiges Beispiel aus der heutigen Zeit für die „primitive kapitalistische Akkumulation“ die Marx im Britischen Kapitalismus beschrieben hat. Diese beinhaltet verschärfte Ausbeutung, sogar Super-Ausbeutung der Arbeiterklasse. Mit wenig oder gar keine Organisationen um der Offensive des Kapitals etwas entgegen zu setzen, zahlt die Arbeiterklasse einen furchtbaren Preis in Form von niedrigen Löhnen, langen Arbeitszeiten und  drastischen Auswirkungen im Bereich Gesundheit und Sicherheit (ein Beleg hierfür sind die 6.000 BergarbeiterInnen die jedes Jahr in China ums Leben kommen). Nicht zuletzt sind auch die fatalen Auswirkungen auf die Umwelt zu nennen - sowohl für China als auch für die Welt als Ganzes. Die ‚kommunistischen‘ Führer in Indien haben den selben Weg eingeschlagen, in dem sie multinationalen Konzernen vergünstigte Bedingungen in Westbengal anbieten, dort wo sie an der Regierung beteiligt sind. Sie haben die Marxistische Opposition gegen die Mischwirtschaft wie sie von der Sozialdemokratie vertreten wurde, nie verstanden. Es kann sein, dass sie ihren Mitgliedern sagen, dass durch diese Politik wäre nur eine provisorische Maßnahme. In der Zukunft, wenn die Bedinungen dafür günstiger sind, werde sich die Wirtschaft in eine stärker sozialistische oder kommunistische Richtung bewegen. Im Gegenteil: der Kompass zeigt für die Zukunft Chinas in genau die andere Richtung, nämlich in Richtung erbarmungsloses Wachstum des Kapitalismus und systematischer Abbau des staatlichen Sektors.

Dies schließt aber nicht aus, dass das Chinesische Regime, unter dem Druck der Massen oder angesichts einer ernsthaften ökonomischen Krise, gezwungen sein wird, den Privatisierungsprozess vorübergehend auszusetzen oder gar einige Betriebe wieder zu verstaatlichen. Solche Maßnahmen sind allerdings, wie Beispiele aus Russland, Japan oder auch anderen Ländern in den 90er Jahren gezeigt haben, vom Charakter her ‘staatskapitalistisch‘. Kapitalistische Regierungen können schwächende Industriezweige übernehmen, wieder aufbauen und anschließend wieder dem Privatsektor übergeben. Nur ein Revolution - und zwar eine vom Charakter her sozialistische und demokratische - durch die Chinesische Arbeiterklasse und Armen kann den Marsch Chinas in Richtung Kapitalismus aufhalten und das Land stattdessen auf den Weg zum Sozialismus bringen. Dies wurde ein Stop des katastrophalen Kahlschlags der staatlichen Industrie beinhalten, ebenso eine Wiederverstaatlichung privatisierter Bereiche der Wirtschaft, ein Ende des Einparteiensystems, und, durch ArbeiterInnen- und BäuerInnendemokratie, die Errichtung einer wirklich sozialistischen Planwirtschaft.

Es stimmt, dass die Europäische Union es vorgezogen hat, China nicht als „vollwertige Marktwirtschaft“ zu klassifizieren. Dies liegt zum Teil daran, dass in China, zumindest intern, das ‚neoliberale‘ Modell des Kapitalismus noch nicht vollständig umgesetzt worden ist - es gibt nach wie vor einen bedeutsamen staatlichen Sektor. Des Weiteren ist es nicht ‚offen‘ und ‚transparent‘ genug; es ist nicht bereit, dem ausländischen Kapital innerhalb seiner Grenzen komplett freie Hand zu lassen. Nichtsdestotrotz ist China auf dem Weg zu einer vollständig  kapitalistischen Wirtschaft und zu einem kapitalistischen Staat, weit vorangeschritten.

Es existieren weiter bedeutende Hindernisse die dem Abschluss dieses Prozesses im Wege stehen, in Form des Widerstandes der Arbeiterklasse. Ein weiteres Hindernis ist das Wesen des Kapitalismus selbst, mit Rezessionen oder Abschwüngen, manchmal katastrophaler Art. Angesichts eines Systems das zunehmend kapitalistisch ist, ist China jetzt auch einigen dieser Widersprüche und Krankheiten ausgesetzt, die sonst im Kapitalismus üblich sind - Aufschwünge gefolgt von Rezessionen oder Abschwünge.

China könnte am Rande eines solchen Zusammenbruchs befinden, da es einige der Merkmale aufweist, die vor dem Crash 1997 auch in den betroffenen Südostasiatischen Ländern festzustellen waren. Die Konjunktur ist ‚überhitzt‘ mit massiven ‚Überkapazitäten‘, deutlich sichtbar anhand der zahlreich leeren und halbleeren Gebäuden und Fabriken in Schanghai und anderen städtischen Zentren. Der Bankensektor ist wacklig und sieht sich wachsender Feindseligkeit seitens kapitalistischer Rivalen gegenüber, mit Forderungen nach ‘Schutz‘ vor Chinesischen Gütern aus Ländern die unter den Auswirkungen der scheinbar unaufhaltsamen Chinesischen Wirtschaftslokomotive leiden oder dieses zumindest behaupten. Nicht zuletzt unter den Problemen, mit denen die herrschende Klasse Chinas konfrontiert sieht, ist die Tatsache zu nennen, dass die Arbeiterklasse und die Armen nicht auf ewig die Sklavenlöhne und -Bedingungen hinnehmen werden, die ihnen im Moment zugemutet werden. Sogar einige ausländische kapitalistische Investoren haben, aus Angst vor massiven sozialen Unruhen und die Auswirkungen, die dies für ihre Profite haben würde, und auch als Reaktion auf Druck der Arbeiterbewegung in den westlichen Ländern , einen Anstieg Chinesischer Niedrigstlöhne gefordert. Sie sind sogar so weit gegangen, die Gründungen von ‚Gewerkschaften‘ zu gründen, selbstverständlich von der zahmsten Sorte. Chinas zukünftige Entwicklung wird deswegen wahrscheinlich alles andere als ruhig und harmonisch sein.

China als Weltmacht?

China wurde schon als möglicher Rettungsanker des Weltkapitalismus gefeiert, vor allem für den Fall eines ernsthaften Wirtschaftsabschwunges oder einer Krise.

Schon jetzt stellt es einen bedeutsamen Anteil an der weltweiten Industrieproduktion. Dennoch ist es nur für 7 Prozent der weltweiten Fabrikproduktion verantwortlich, obwohl einige kapitalistische ‚Think Tanks’ prognostizieren, dass dieser Anteil in den nächsten zwei Jahrzehnten auf 25 Prozent ansteigen könnte. Bedeutsam ist, dass erwartet wird, dass der Wachstum in Zukunft zunehmend durch einen massiven Ansteig der Binnennachfrage nach Konsum- und Industriegütern seitens der Bevölkerung von 1.3 Milliarden erzielt werden soll, anstatt, wie bis jetzt, durch Kapital und Export von Konsumgütern.

All das setzt natürlich voraus, dass Chinas ökonomische Fähigkeiten gleichmäßig steigern und dass diese Steigerung durch andere kapitalistische und imperialistische Mächte, die Rivalen Chinas sind, wohlwollend hingenommen wird. Aufgrund dessen bezweifeln einige Kommentatoren die Möglichkeit, dass China zukünftig zu einer dominanten Weltmacht aufsteigen könnte – es liegt an dem zur Zeit begrenzten ökonomischen Gewicht Chinas. Doch andererseits ist jetzt, nur wenige Jahre nach dem Beitritt des Landes zur Welthandelsorganisation WTO, der Einfluss Chinas auf den Welthandel nach Meinung der Financial Times ‚nicht mehr nur bedeutsam, sondern entscheidend’. In Märkten wie die fürunedle Metalle,Schiffsbau, Kokskohle, Sojabohnen und andere landwirtschaftliche Produkte, ist China entweder zum dominanten Preisführer oder wenigstens zu einem mitentscheidenden Faktor in diesen Sektoren geworden.

Die kolossalen Wachstumsraten – 9.5 Prozent im Jahre 2004 – stellen einen Magneten für weltweite kapitalistische Investition dar und sind unentbehrlich, zum Beispiel. als Wachstumsmotor für Asien. China hat zwar einen riesigen Handelsüberschuss gegenüber den USA, gegenüber den anderen Asiatischen Ländern hat es jedoch ein Defizit. Aus der Sicht Japans könnte China die politische und wirtschaftliche Stabilität Asiens bedrohen und, vor allem, den Anspruch Tokios auf  regionale Dominanz in Frage stellen. Ein Indiz für diese Bedrohung, sowohl für die USA als auch für Japan, ist die Tatsache, dass China nun ‚den größten Beitrag zur Erholung des Exports in Asien leistet’ (Asia Times). Siehe dazu die Fußnote unten

China ist eine Fertigungsbasis für relativ technologiearme Güter die aus anderen Asiatischen Ländern importiert werden um dann als technologisch hochwertigere Güter in die Amerikanischen oder Europäischen Märkte wieder exportiert zu werden. China hat Japan von Platz 3 der wichtigsten Handelsnationen (gemessen am Gesamtvolumen des Handels) hinter den USA und Deutschland verdrängt. Des weiteren hat China Japan überholt um zum wichtigsten Handelspartner der USA aufzusteigen. Gleichzeitig ist es die Chinesische Zentralbank die, zusammen mit der Japanischen, den US-Dollar stützt, trotz der riesigen Defizite, die sich in den USA aufgetürmt haben. Dies ist eine inoffizielle Gegenleistung – der Preis den Asiatische Kapitalisten zahlen müssen, um den US-Markt lebhaft zu halten. Der ehemalige US-Finanzminister Larry Summers hat diesen Zustand treffend als instabile “Balance des finanziellen Terrors“ bezeichnet

Einige Kommentatoren haben versucht die langfristige Bedrohung die China für rivalisierende Mächte darstellt, von der Hand zu weisen, zumindest was den Bereich der Wirtschaft betrifft. Als Grund weisen sie darauf hin, dass der Großteil von Chinas Exporten im technologischen Bereich aus Gütern mit geringen Profitmargen besteht, etwa DVD-Player und PCs. Das ist zweifellos zum jetzigen Zeitpunkt wahr, angesichts der Tatsache dass sehr viel Forschung, Entwicklung und Innovation entweder von in China ansässigen ausländischen Unternehmen oder von Unternehmen, die teilweise dem Chinesischen Staat in Zusammenarbeit mit internationalen Kapitalisten gehören, betrieben wird. Aber die Tatsache, dass China seit so langer Zeit an diesen Prozessen beteiligt ist hat wiederum einen Trieb zur Assimilierung der Technologie der weiter entwickelten Wirtschaften zur Folge gehabt, so wie es in der Vergangenheit bereits in anderen „neu industrialisierten Ländern“ zu beobachten war. Die Folgen davon sind dass China in den Bereichen der technologischen und wissenschaftlichen Innovation massive Fortschritte macht, was zum Beispiel in der Stammzellenforschung oder anhand der Anzahl von StudentInnen mit hochwertigen Studienabschlüssen sichtbar ist.

In der modernen Welt ist es ebenso wie schon in der Vergangenheit, unmöglich ein Monopol der technologischen Innovation zu behalten. Diejenigen, die hinter den am „meisten Entwickelten” hinterher hinken leihen oder stehlen sich die Technologien ihrer Rivalen. Das gilt auch für China. Die neue kapitalistische Führungsriege hat sehr schnell verinnerlicht, dass alle Maßnahmen gerechtfertigt sind, wenn es darum geht, die Stellung der Kapitalisten und des Staates, der sie in zunehmendem Maße repräsentiert, zu verbessern: "Die einzige soziale Verantwortung eines Unternehmens besteht darin, Profit zu machen," sagt Milton Friedman im Film ‘Made in China’. Der ökonomische Guru Thatchers sagte diese Worte als Rechtfertigung für die brutalen Bedingungen die die Chinesischen Massen unter der Knute des internationalen Kapitals zu erleiden haben, aber das gleiche gilt auch für die Beziehungen zwischen einzelnen Kapitalisten und den Staaten, die sie repräsentieren.

Ein weiteres Argument ist, dass der US-Imperialismus niemals zulassen wird, dass sich China als Herausforderer seiner wirtschaftlichen und militärischen Machtstellung etabliert.

USA geschwächt

Allerdings hat der US-Imperialismus nach dem Irak-Krieg keine so dominante Stellung wie in der Zeit nach dem 11. September 2001. Die Vorstellung einer „Unipolaren“ Welt, der Dominanz vor allem militärisch aber auch wirtschaftlich einer einzigen Supermacht, den USA, ist ernsthaft untergraben worden. Die USA sind zwar militärisch ein Riese, ökonomisch allerdings nicht. Die wirtschaftliche Lage ist so prekär, vorübergehend gestützt durch den Asiatischen Kapitalismus, dass es in jedem anderen Land IWF-Inspektoren mit Kürzungsprogrammen im Gepäck auf den Plan rufen würde. Dies ist der genaue Gegenteil der Konstellation aus der Vergangenheit, als die überwältigende wirtschaftliche Stärke des US-Imperialismus die Grundlage für die militärische Macht darstellte. 1945 waren die USA zum Beispiel noch für 50 Prozent der Weltproduktion verantwortlich, und drei Viertel der Goldreserven der Welt lagerten im Fort Knox. Diese Stellung ist weggeschmolzen wie der Schnee von Gestern, und die USA wurden, ähnlich wie viele andere „industrialisierte“ Länder, durch den Niedergang des Industriesektors und durch Outsourcing in Billiglohnländer wie China ausgehöhlt.

Die Übermacht der USA wurde vor dem Irak-Krieg in einem gewissen Maße toleriert. Die feindselige Haltung der meisten Europäischen Bourgeoisien zu der Neokonservativen Clique um Bush und Co. im Weißen Haus, die ein Ausdruck sowohl der Antikriegsstimmung der eigenen Bevölkerungen als auch unterschiedlicher Interessenslagen ist, ist enorm vertieft. Der Atlantik ist breiter und tiefer geworden angesichts der Konturen einer inner-imperialistischen Rivalität zwischen dem US- und dem Europäischen Kapitalismus (mit Ausnahme einiger Europäischer Schoßhunde der US-Regierung, sowie Blair in Großbritannien, Berlusconi in Italien und einiger kleinen Fische in Osteuropa), die jetzt sichtbar werden. Nach seiner Wiederwahl startete Bush, durch Condoleezza Rice, eine hastige Initiative um “Brücken zu bauen”. Aber der Geist ist aus der Flasche entkommen. Die Beziehungen zwischen den kapitalistischen Mächten sind beschädigt und wurden in mancher Hinsicht durch die Weiterführung des Irak-Krieges sogar noch verschlechtert.

Diese Rivalität unter den imperialistischen Mächten hat mehr Ähnlichkeiten mit den Konflikten rivalisierender Banden imperialistischer Kapitalisten in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als mit der Situation die für die meiste Zeit der Periode nach 1945 zu erleben war. Damals, angesichts eines antaganostischen Gesellschaftssystems zum Kapitalismus – die geplante Wirtschaft, allerdings unter totalitärer Herrschaft der Bürokratie, in der Stalinistischen Sowjetunion – fungierte als Kitt der diese Rivalitäten im Zaum hielt. Kapitalistische Rivalen des US-Imperialismus fanden sich damit ab, seine Dominanz zu dulden und sich unter seinem militärischen Schutz abzuschirmen. Der Fall der Berliner Mauer bereitete dieser Situation ein Ende. Der Kitt hatte sich aufgelöst. In den 1990er Jahren konnten die USA allerdings, aufgrund ihrer überwältigenden militärischen Stärke, eine „unipolare” und auch zunehmend „unilateralistische” Welt regieren. Der Krieg im Irak hat diese Situation allerdings de facto beseitigt. All die unterschwelligen Spannungen sind explosionsartig an die Oberfläche gekommen als die Bevölkerungen Europas und der übrigen Welt massenhaft gegen den Irak-Krieg demonstrierten. Die Europäischen Bourgeoisien drückten ihre Gegnerschaft zum US-Imperialismus offen aus. Sie wurden dafür vom US-Verteidigungsminister abschätzig als „Altes Europa” bezeichnet, doch dieser hat sich nach seiner Wiederwahl bemüht, sich mit “Humor” von seinen früheren feindseligen Äußerungen zu distanzieren.

Die selbe Entschlossenheit, den USA entgegenzutreten bildete auch den Hintergrund für die ursprüngliche Entscheidung, das Europäische Waffenembargo gegen China aufzuheben. Die Drohung, dies zu tun, erntete allerdings wütenden Widerspruch aus Washington. Als derunglücklich agierendeJack Straw einschritt und das Ganze als „Missverständnis“ seitens der USA bezeichnete wurde er von Vertretern der US-Regierung scharf angegriffen. Diese Feindseligkeit seitens der USA und ihren Asiatischen Verbündeten wie Japan, hängt teilweise mit der Angst zusammen, dass ein hochgerüstetes China die gegenwärtig vorherrschende geopolitische Ordnung Asiens durcheinander bringen könnte. Diese Ordnung ist natürlich eine, die zur Zeit von den USA und Japan dominiert wird. Japan betreibt eine Politik der Wiederaufrüstung mit dem Ziel, Australien als „Hilfssheriff” der USA in der Asiatischen Region abzulösen. Aus deren Sicht stellt das Wachstum der militärischen Stärke Chinas und die Modernisierung der dortigen Streitkräfte eine zukünftige Bedrohung dar.

Das wollen sie mit allen Mitteln verhindern – wie man anhand der erfolgreichen Bemühungen, Europa dazu zu “überreden” (sprich: erpressen), von der geplanten Aufhebung des Waffenembargos gegen China wieder abzurücken. Vor allem die USA haben Druck auf den Europäischen Kapitalismus ausgeübt um diese Entscheidung zu treffen indem sie den Teufel zukünftiger Chinesischer „Aggression“ an die Wand gemalt haben. Als Antwort darauf sagte  der Chinesischer Premierminister Wen Jiabao, in seiner Rede zum Abschluss des Nationalen Volkskongresses im April: “Chinas Politik der nationalen Verteidigung  dient dem Selbstschutz" Die USA wiederum erwiderten darauf bei einem neuerlichen Treffen des US-Pazifik Kommandos, das Verstärken der Chinesischen Marine sei „beunruhigend... und mehr als das, was zur Verteidigung notwendig sein dürfte“. Das gleiche gilt für die USA, die, entgegen ihren Bekundungen, nicht der Verteidigung der eigenen Grenzen dient wenn sie Länder wie Irak angreifen. Des Weiteren erscheint der offizielle Verteidigungshaushalt Chinas, $30 Milliarden im Vergleich zu den Ausgaben des Pentagons in Höhe von $400 Milliarden fast schon bescheiden.

Konfliktthema Waffen

Eine Modernisierung von Chinas Waffentechnologien würde mit Sicherheit die Chinesische Position im andauernden Konflikt um Taiwan zwischen China auf der einen und Taiwan und den USA auf der anderen Seite, stärken. Gleichzeitig möchte die riesige US-Rüstungsindustrie ein fast vollständiges Monopol auf den weltweiten Waffenhandel errichten. Eines der Gründe für die aggressive Politik gegenüber China und zugunsten Taiwans ist eben, Taiwan zu einer Steigerung der Rüstungsausgaben zu bewegen, da „es eine stetige Abnahme des Anteils des taiwanesischen Verteidigungshaushalts am BIP während des letzten Jahrzehnts gegeben hat“. [Financial Times.] Das Taiwanesische Parlament in der Hauptstadt Taipei zögert seit einiger Zeit mit dem Abschluss eines geplanten Vertrages zum Kauf von Waffen aus den USA. Die USA waren der größte Nutznießer der gesteigerten Rüstungsausgaben. Um Druck auf die Taiwanesen auszuüben haben die USA Parallelen zwischen der Bedrohung Taiwans durch China und Saddam Husseins Angriff auf Kuwait 1990 gezogen.

Mit der Unterstützung Japans haben sie die Pläne der Europäischen Union zur Aufhebung des Waffenembargos gegen China heftig kritisiert – dies obwohl China jetzt schon militärisches Material aus Russland, Israel und Osteuropa bekommt. Israel wurde gezwungen, von Waffenverkäufen an China Abstand zu nehmen, da die USA drohten, einige Militärhilfen für Israel selbst vorzuenthalten. Alles das weil „Die USA die Befürchtung hat, dass Westeuropäische Komponenten, Subsysteme und Technologie Beijing in die Lage versetzen könnte, die eigene Kommando- und Kontrollsysteme sowie die militärische Informationstechnologie gefährlich nah an das Niveau der USA zu bringen.“ [Financial Times.] Ähnlich wie der Britische Imperialismus zu seinen Hochzeiten möchte die USA alle Rivalen oder potentielle Rivalen so schwach wie möglich halten; Liliputaner im Vergleich zu Gulliver.

Auf der anderen Seite ist die Behauptung der Chinesischen Elite, ihre militärische Modernisierung würde ausschließlich dem „Selbstschutz” dienen, nicht glaubwürdig. Unzweifelhaft wird dabei auf die tiefsitzende Wut über die imperialistische Ausplünderung Chinas in der Vergangenheit angespielt. Der Chinesische Premierminister hat gesagt: “In den letzten Jahren, wurde China immer von anderen drangsaliert China hat niemals einen einzigen Soldaten geschickt, um einen einzigen Zentimeter eines anderen Landes zu besetzen.“ Der erste Teil dieser Aussage stimmt, der zweite nicht. Was waren die Chinesischen Invasionen Indiens und Vietnams anderes als ein Einfallen

Der Aufbau einer schlagkräftigen Hochseeflotte dient nicht der Unterstützung der Kämpfe der Arbeiterklasse oder der Armen Weltweit, sondern der Verbesserung der Machtstellung des Chinesischen Staates zur Verteidigung der imperialistischen Interessen der sich herausbildenden kapitalistischen Elite Chinas. China hat aus Russland wirksame Zerstörer erworben dessen Raketen mit Überschallgeschwindigkeit gegen andere Schiffe abgefeuert werden können, ebenso wie besonders leise agierende dieselangetriebene U-Boote der Kilo-Klasse. ExpertInnen zur Folge könnten diese selbst für die mächtigen US-Streitkräfte eine Bedrohung darstellen.

Dieser Prozess trägt zu einer Veränderung der bisherigen Wahrnehmung Chinas seitens der USA bei. Nach ihrem Amtsantritt 200 klassifizierte die Bush-Regierung China noch als „strategischen Konkurrenten“ der USA. Diese Haltung wurde etwas aufgeweicht als sich China nicht gegen den US-„Krieg gegen Terror” stellte. In Zentralasien kooperierten die beiden Mächte sogar, um diktatorische Regime zu stützen. Nun jedoch macht die Bush-Regierung, wenn nicht in Worten doch auf jeden Fall in der Praxis, die ursprüngliche Doktrin gegenüber China zur leitenden Philosophie der US-Regierung. Dies manifestiert sich etwa in der Opposition gegen die Aufhebung des Europäischen Waffenembargos und, was besonders bedeutsam ist, im Konflikt um Taiwan. US-Regierungssprecher haben vor der militärischen Aufrüstung Chinas gewarnt: „Wenn dieser Trend sich fortsetzt, wird sich die Haltung der USA zu China eines Tages eventuell ändern.“ [Financial Times]

Da wird zwar von der Zukunft gesprochen aber in Wirklichkeit hat sich in allen Bereichen – militärisch, diplomatisch und wirtschaftlich, die Situation ziemlich dramatisch verändert, oder, wie im Falle der Wirtschaft, sind Tendenzen am Werk – Drohungen mit Protektionismus – die auf einen zukünftigen Bruch hinweisen. In der EU allerdings, und vor allem in besonders wichtigen Ländern wie Deutschland und Frankreich, schaut man gierig auf die zukünftigen Marktpotentiale in China. Schon jetzt macht die EU den USA Konkurrenz um den Rang des wichtigsten Handelspartners Chinas, das Volumen des Handels in beide Richtungen belief sich 2003 auf €135 Milliarden. Die Financial Times kommentierte dies mit den Worten: "Europäische Unternehmen sind darauf aus, Geschäfte in dem Land zu machen, das dabei ist, zur größten Wirtschaft der Welt zu werden. Natürlich waren es auch die Europäischen Rüstungsunternehmen, die zu den entschiedensten Befürwortern einer Aufhebung des Waffenembargos gehörten..

Geopolitische Auswirkungen

Diese Entwicklungen haben sowohl geopolitischen als auch wirtschaftliche Auswirkungen. Das Potential Chinas ist unbestreitbar aber die Realisierung diese Potentials ist viel problematischer. Auf der einen Seiten zeigt China den selben imperialistischen Appetit wie seine Rivalen wenn es, zum Beispiel, die PC-Sparte des US-Computerriesen IBM aufkauft – was zu Schockreaktionen in den USA führte, und versucht, den US-Energieriesen Unocal zu übernehmen. Gleichzeitig drängt China darauf, den eigenen Einfluss in allen Teilen der Welt zu steigern, aber vor allem in jenen Ländern und Regionen, die reich an Energiequellen und Rohstoffe für Chinas rapide fortschreitende Industrie sind. In der Zeit zwischen 2000 und 2003 war China für fast 40 Prozent des gesamten Wachstums der Weltwirtschaftsleistung verantwortlich.

Lateinamerika ist ein Beispiel für einen möglichen Nutznießer der boomenden Nachfrage nach importierten Rohstoffen in China. Andererseits wurden die dortigen Industrien im Bereich Textilien und Fertigung geringwertiger Güter durch den industriellen Aufschwung Chinas in Mitleidenschaft gezogen, wie die entsprechenden Branchen in der übrigen Welt auch. Gleichzeitig haben Brasilien, Venezuela und Chile und viele andere Länder von mehr Handel mit China profitiert. Vor allem Venezuela – das sich sowohl mit den USA als auch mit dessen Verbündeten in Lateinamerika, wie Kolumbien, die das Chavez-Regime stürzen wollen, sich im Konflikt befindet – ist scharf drauf, aus Chinas Suche nach zusätzlichen Ölquellen einen Nutzen zu ziehen. Chavez hat angedeutet dass der Handel mit China, der große Chinesischen Investitionen in Venezuelas Ölindustrie und Ölexporte nach China beinhaltet, 2005 $3 Milliarden betragen werde, mehr als eine Verdoppelung gegenüber 2004. Angesichts von Lebensmittelknappheiten aufgrund des maroden Zustandes der Landwirtschaft legt China Wert auf Sojabohnen und Weizen aus Brasilien um die eigene Bevölkerung zu ernähren. Diese Situation kann weder für Lateinamerika, noch für die „unterentwickelte Welt“ und noch viel weniger für die gesamte Weltwirtschaft auf Dauer als Rettungsanker dienen. Dennoch versucht sich China sowohl als sich entwickelnde Supermacht als auch als Verteidiger der unterdrückten Afrikanischen, Asiatischen, und in einem gewissen Maße auch Lateinamerikanischen Welt zu profilieren.

Die Stalinistische Elite hat bereits in der Vergangenheit diese Rolle sich zu eigen gemacht, durch ihrer Beteiligung an der Konferenz von Bandung 1955, auf dem sich 29 „Blockfreie” Länder Asiens und Afrikas ohne Beteiligung des industriellen Westens trafen. Auf der Suche nach einem Gegengewicht zum Einfluss der USA und des Sowjetischen Stalinismus intervenierte der damalige Premierminister Zhou Enlai auf dieser Konferenz als Fürsprecher der neokolonialen Welt. Das Regime von Mao hatte zur damaligen Zeit weder das wirtschaftliche Gewicht noch die Klassenbasis um entscheidend in der neokolonialen Welt einzugreifen. Seit damals hat sich einiges geändert. Einem Kommentar der „Asian Times“ zufolge: „betont Beijing weiterhin die Notwendigkeit eines gemeinsamen Handelns der Entwicklungsländer als Gegengewicht zum industrialisierten Westen, aber diese Initiativen Chinas sind nicht mehr durch Ideologie motiviert, sondern durch Versuche, natürliche Ressourcen und politischen Einfluss zu sichern.“ Dies beinhaltet Bemühungen, Märkte und Rohstoffquellen auszudehnen, und dabei die selben Anreize zu verwenden wie die anderen imperialistischen Mächte, nämlich Hilfsgelder und Darlehen. China bot Angola kürzlich einen zinsgünstigen Kredit in Höhe von $2 Milliarden an, um sich bei der Vergabe eines Vertrages für die Förderung eines Ölfeldes vor der Küste den Zuschlag vor Indien zu sichern.

Das Werben von Verbündeten

China ist der mit Abstand größte Zahler von Hilfsgeldern an Pakistan, und hat in den letzten Jahren bis zu 9 Milliarden Dollar in Form von verschiedenen Hilfsleistungen. Dieses hofieren des Muscharraf-Regime in Pakistan hat mehrere Gründe: „Für China sind das Weiterbestehen und der Erfolg, [des Muscharraf-Regimes] von entscheidender Wichtigkeit für die politische Stabilität in der mehrheitlich muslimischen Region Xinjiang, für den Erhalt einer strategischen Präsenz der Chinesischen Marine an der Mekran-Küste in der Pakistanischen Provinz Baluchistan – die Lieferwege für das Öl, das die Chinesische Wirtschaft braucht, um weiter wachsen zu können, überwachend, und um das in Schach zu halten was sie immer als Hegemonialabsichten Indiens angesehen haben – auch wenn sie dies nie offen zugegeben haben“ [Asia Times, 13. April 2005.] Gleichzeitig wird auch Indien hofiert – vor dem Hintergrund der Befürchtung, das es von den USA als regionales Gegengewicht zu China aufgebaut werden soll. Zusätzlich zu den bilateralen Hilfsgeldern hat sich Beijing verpflichtet, 100 Millionen Dollar an das Asiatische Entwicklungsfond und an das Afrikanische Entwicklungsfonds zu zahlen. Es hat „Friedens-“ Truppen in das Kriegsgebiet Liberias entsendet, und versprochen, die Schulden von 31 Afrikanischen Staaten mit einem Gesamtwert von 1,3 Milliarden Dollar zu streichen. Ein Drittel von Chinas Handel entfällt auf Asien und Afrika. Ein kürzlicher Besuch des nigerianischen Präsidenten Obasanjo ist nur ein Ausdruck von Chinas Interesse daran, für die rasant wachsende heimische Wirtschaft Zugriff auf die Ressourcen Afrikas und der neokolonialen Welt zu bekommen.

In Prozenten ausgedrückt sind die Exporte Chinas noch klein, und das BIP beträgt weniger als ein Viertel von dem Japans. Des weiteren ist China zwar als Standort eines massiven Wachstums im Industriesektor, vor allem durch ausländische oder teilweise in ausländischem Besitz befindliche Firmen von entscheidender Bedeutung, der Binnenmarkt in China ist aber nicht von besonderer Bedeutung, weder für die USA noch für die Weltwirtschaft. So haben US-Amerikanischen Konzerne im Jahre 2003 fast genauso große Profite erzielt – in einem Markt mit einer Bevölkerung von nur 19 Millionen, und in Taiwan und Südkorea – mit zusammen 70 Millionen Menschen sogar noch mehr, als in China mit einem potentiellen Markt von 1.3 Milliarden Menschen. Das alles lässt die Möglichkeit einer finanziellen Implosion  Chinas zunächst außer Acht. Deswegen ist China im Moment noch nicht in der Lage, die USA als neue „Supermacht“ abzulösen, dennoch stellt es auf Grundlage des Kapitalismus für die herrschende Klasse der USA und deren traditionellen Verbündeten in Japan dar.

Als Japan in den 1870er Jahren anfing, gegenüber dem Westen aufzuholen, fing es an, sich eine dominante Stellung in Asien aufzubauen, das „Modell” für die Erfüllung des pan-asiatischen Traumes von der Befreiung der Region von den „ausländischen Kolonialmächten“. Die herrschende Klasse Japans betrachtete ihr chinesisches Pendant als schwach, eine gebrochene Macht die zum Spielball verschiedener imperialistischer Mächte geworden war, die das Land zerstückelt und sein Reichtum und seine Ressourcen ausgebeutet hatten. Japans „Mission“ war es, China mittels der eigenen Technologie, die im Tross einer Eroberungsarmee eingeführt werden sollte, zu retten. Dieser Traum wurde in den 1930er Jahren und durch den zweiten Weltkrieg zerstört, als China, vor allem die stalinistischen Kräfte Mao Zedongs mit seiner Bauernguerilla, Japan besiegten, das auch vom US- und Britischen Imperialismus vernichtend geschlagen wurde.

Der US-Imperialismus ließ Japan als Gegengewicht zum stalinistischen China aus den Ruinen dieser Niederlage auferstehen, und erlaubten dem Land eine erstaunliche wirtschaftliche Erholung, gleichzeitig wurde der Wiederaufbau einer Armee und einer Kriegsmaschinerie die der ökonomischen Macht des Landes entsprachen de facto verhindert. Nun haben sich diese Zwänge gelockert, angesichts der Entwicklung Chinas zu einer Bedrohung für Japan und auch für die USA als dominante Macht im asiatisch-pazifischen Raum. Angesichts der wachsenden wirtschaftlichen und militärischen Macht verstärken die USA und Japan die „bilaterale Sicherheit” in dem die „pazifistische“ Haltung Tokios im gemeinsamen Interesse verändert werden – um die Entwicklung eines immer stärker werdendes China zu verhindern. Die Asia Times weisen darauf hin: „Für die USA ist China das einzige Land mit einem großen Potential, die globale Dominanz der USA im 21. Jahrhundert zu bedrohen. Für Japan könnte China eine Bedrohung für die politische und ökonomische Stabilität in Asien werden, was die Glaubwürdigkeit Tokios als führende Wirtschaftsmacht der Region bedrohen könnte.“

Die Konzentration der Bush-Regierung auf den Irak hat den Einfluss des US-Imperialismus in Ostasien untergraben. Ein Beleg hierfür ist der Patt beim Thema Nordkorea – eine Krise, die mehreren regionalen Mächten (etwa Japan und Südkorea) einen Vorwand liefern könnte um ihre eigene atomare „Abschreckung“ zu entwickeln. China hat - nicht zuletzt um zu vermeiden, dass Japan Atomwaffen entwickelt - die Koreakrise benutzt um sein gestiegenes diplomatisches Gewicht in der Region unter Beweis zu stellen. Auf ähnlicher Weise hat China eine neue diplomatische Offensive angestoßen um neue Handelsverträge im Ostasiatischen Raum zu vereinbaren, und hat dabei Japan übergangen, das traditionell neben dem US-Imperialismus die führende Wirtschaftsmacht der Region gewesen ist.

Ökonomische Krise steht bevor

China kauft vor allem aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums so viel aus Asien. 38 Prozent der Importe sind Rohstoffe, darunter Agrarprodukte, Chemikalien, Mineralien, Metalle und Textilien. Die anderen 62 Prozent der chinesischen Importe bestehen aus verarbeiteten Produkten wie Elektronik, Maschinerie, Ausrüstung und Instrumente. Die Zolldaten des Festlandes zeigen, dass fast 50 Prozent aller Güter, die nach China importiert werden, für arbeitsintensive Weiterverarbeitung und anschließendem Wiederexport gedacht sind. Die Schlüsselfrage ist jedoch: kann diese Situation angesichts der Höhe der Wachstumsraten Chinas, von Dauer sein? Dies ist in der Tat sehr problematisch. China wird „Die USA wahrscheinlich als Hauptmarkt für asiatische Exporte ablösen und allmählich zu einem wichtigen Investor in der Region werden“. [Chi Lo.]

In der Tat hat China bereits bedeutende Investitionen in Asien getätigt; 2003 gab es 510 Projekte mit Direktinvestitionen in anderen Ländern, mit einem Gesamtwert von knapp über zwei Milliarden Dollar, ein Anstieg von 112,3 Prozent gegenüber 2002. Es befindet sich aber fast am Anschlag Einige Schätzungen sagen einen Rückgang des Wirtschaftswachstums auf drei oder vier Prozent im Jahr voraus. Ganz so weit wird es vielleicht nicht unbedingt absinken aber selbst eine Rückgang der ungefähr in dieser Größenordnung liegt würde ausreichen, um den Kapitalisten Asiens und der übrigen Welt gehörig die Finger zu verbrennen, angesichts ihrer übermäßigen Abhängigkeit von China in der aktuellen Zeit. Die Asia Times schreibt dazu: „Chinesischen Wirtschaftswissenschaftlern zufolge stammen 50 Prozent der Konsumgüter, die täglich in den USA gekaut werden, aus China“. Gleichzeitig würde ein Schrumpfen der Chinesischen Wirtschaft katastrophale Folgen haben: „Der Unterschied zwischen einem Wachstum von neun Prozent und einem von vier Prozent in China beträgt unglaubliche $65 Milliarden an jährlicher Wirtschaftsleistung. [Asia Times.]

Nichtsdestotrotz hat der US-Kapitalismus, durch seinen Finanzminister John Snow, China mit „Vergeltungsmaßnahmen” gedroht für den Fall, dass es nicht einlenkt und „Währungsflexibilität”, also eine Aufwertung der chinesischen Währung Renminbi akzeptiert. Zur Zeit ist die Währung noch an den Dollar gebunden aber die USA möchten die riesige Chinesische Exportwirtschaft durch eine Aufwertung der Währung unterbieten. Dadurch würden chinesische Güter teurer und, zumindest theoretisch, für die Kundschaft, auch in den USA, weniger attraktiv machen. Dadurch bekämen die USA, und auch andere, eine Atempause und eine Chance, verlorene Märkte wieder zu erobern.

Dies ist aber in erster Linie eine Illusion. Der letzte G7-Gipfel hat China zur Ergreifung solcher Maßnahmen aufgefordert, obwohl China als mittlerweile zweitgrößte Wirtschaft Asiens nicht mal mit am G7-Tisch saß. China ist weiterhin von dieser Idee „nicht überzeugt“, sogar der Asienredakteur der Italienischen Tageszeitung „La Stampa“ argumentiert: „Eine Aufwertung der Yuan um fünf bis zehn Prozent [würde bedeuten, dass] der Dollar weiter sinken und der Euro weiter steigen würde. Man kann nicht sicher sein, ob das überhaupt irgendwelche Arbeitsplätze in den USA retten würde, aber ‚heißes Geld’ das in China rein- und rausfließt könnte sehr wohl die chinesische Wirtschaft und dadurch auch das globale Finanzsystem aus dem Gleichgewicht bringen. China ist sich nicht sicher, ob es, oder überhaupt jemand, außer einigen Währungsspekulanten, irgendwie davon profitieren würde.“

Um die Rufe nach einer Begrenzung der mächtigen Wirtschaftsmaschinerie Chinas zu besänftigen hat das chinesische Regime „Quoten” etwa für Textilexporte eingeführt. Das wird die immer stärker werdende protektionistische Lobby in den USA und anderswo wahrscheinlich nicht zufrieden stellen. Diese Trends, zusammen mit der Instabilität des „finanziellen Gleichgewichts des Terrors“, könnten zu einer Wiederholung der Asiatischen Wirtschaftskrise von 1997 führen, nur wäre dieses Mal China im Epizentrum davon, mit entsprechend massiven Folgen für die Region und Welt.

Einige kapitalistischen Ökonomen argumentieren sogar, dass der Renminbi vielleicht gar nicht überbewertet ist. China ist einer der Hauptgläubigern der US-Defizite. Martin Wolf warnte im Financial Times am 20. April die USA: “es wäre eine Dummheit, die Hand, die einen füttert, zu beißen.“ Wirtschaftliche Turbulenzen könnten die Folge sein wenn „der offizielle internationale Kreditfluss unterbrochen [wird]. Zu den Folgen würden mit fast hundertprozentiger Sicherheit ein Kollaps des Dollars, höhere Preise im Inland, steigende Zinssätze, fallende Immobilienpreise, ein großer Anstieg der privaten Konkurse und, nicht zuletzt eine scharfe Rezession in den USA.“ (Seine Quelle ist Professor Nouriel Roubini von der Universität New York).

Fußnote

Aber während Japan vor zehn Jahren 20 Prozent der Exporte der Region konsumierte (heute sind es nur noch zehn Prozent%), gingen 2004 40 bis 50 Prozent aller Asiatischen Exporte nach China, das alleine für das Exportwachstum Taiwans und der Philippinen verantwortlich war, und außerdem für 50 Prozent des japanischen Exportwachstums. Chinas Importwachstum ist für mehr als sieben Prozent des BIP-Wachstums in Taiwan, Malaysia und Singapur verantwortlich. In den ersten 11 Monaten des Jahres 2004 hatte China bilateralen Handel im Wert von über $70 Milliarden mit den ASEAN-Ländern; davon sind $42 Milliarden Exporte die China aus den drei genannten Ländern gekauft hat. Chinas Handelsdefizit gegenüber Taiwan, Südkorea und Japan wuchs in den ersten 11 Monaten des Jahres 2004 um 58 Prozent auf $70.78 Milliarden. Man vergleiche das mit 1990, als China nur 6,8 Prozent der Exporte der Region importierte, selbst 1999 war China nur für 11 Prozent des asiatischen Handels verantwortlich war (heute sind es ca. 50 Prozent), und konsumierte nur 11 Prozent der Exporte Singapurs (heute 17 Prozent), 10,8 Prozent der Exporte Japans (jetzt 18,4 Prozent) und 15,8 Prozent der Südkoreas (jetzt 26 Prozent). Zusammenfassend: „2001 belief sich Chinas Handelsdefizit gegenüber Asien im Durchschnitt $10 Milliarden im Monat, eine dramatische Veränderung gegenüber dem monatlichen Überschuss von $21 Milliarden im Jahre 1998“ [Chi Lo, Autor: ‚When Asia Meets China in the New Millennium'.]

Beziehungen zu Chinas Nachbarn

Wie wir bereits gesehen haben beginnt China, sich diplomatisch und auch militärisch zu behaupten. Großmächte haben stets das Bedürfnis gehabt, durch ein starkes Militär ihrem wirtschaftlichen Gewicht Nachdruck zu verleihen.

China expandiert zwar wirtschaftlich um die ganze Welt, hat aber noch nicht die militärische Macht um dem gerecht zu werden. Es ist nicht möglich, die Macht der Volksbefreiungsarmee über Taiwan hinaus zu projizieren - einem Inselstaat vor der Südostküste Chinas, den Beijing als abtrünniges Teil des eigenen Territoriums betrachtet. (Die Suche nach Waffentechnologien in Europa ist ein Versuch, diesen Umstand zu korrigieren.) Aber wie in anderen Bereichen auch führen die Versuche Chinas, eine dominante Stellung in Asien zu erlangen, zu Reibungen mit Japan, und was noch viel wichtiger ist, mit dem US-Imperialismus.

Die Beziehungen zwischen Japan und China scheinen paradox. Wir haben gesehen wie weit die beiden Wirtschaften ineinander verschränkt und voneinander abhängig sind. Und dennoch findet gleichzeitig zwischen den beiden Riesen etwas statt, dass man nur als einen kalten Krieg im Mini-Format bezeichnen kann. Einige Kommentatoren haben diese Beziehung als „politisch kalt und wirtschaftlich warm“ charakterisiert. Die Besuche des japanischen Premierministers Koizumi beim Yasukuni Kriegsdenkmal, wo auch einige der schlimmsten japanischen Kriegsverbrecher beerdigt sind, ist Teil eines Versuchs, den nationalistischen Flügel des politischen Establishments im eigenen Land zu hofieren und ihre Gegnerschaft zu seinen neoliberalen Reformen zu neutralisieren. Diese Besuch haben jedoch heftige Kritik provoziert, sowohl in China als auch in Südkorea, die beide in der Vergangenheit auf furchtbarer Weise unter dem japanischen Imperialismus gelitten haben. Gleichzeitig gab es in Japan eine fremdenfeindliche Welle gegen sogenannte „Chinesische Verbrechen“. Einige wenige Morde durch in Japan wohnhafte Chinesische Staatsangehörige wurde von rechten Politkern zum Anlass genommen, um den Eindruck zu erwecken, der größte Teil der Verbrechen in Japan von „Ausländern“ begangen wird, während in Wirklichkeit 97 Prozent der Verbrechen durch japanischen Staatsangehörige begangen werden.

Das was als „Chinesische Bedrohung” wahrgenommen wird, zusammen mit der Bedrohung durch Nordkorea, das sogar über Japan und über das Japanische Meer Raketen abgefeuert hat – hat der herrschenden Klasse Japans die Gelegenheit gegeben, nationalistische Gefühle zu schüren. Das Ergebnis davon ist, dass 58 Prozent der JapnerInnen nun „Angst davor haben, was China langfristig vorhat“. [The Guardian, London] Der Japansicher Außenminister bat kürzlich Israel darum, Waffenverkäufe an Japans „Nachbarn“ einzustellen – gemeint ist damit China. Die Regierung hat die „Bedrohung von Außen“ zum Anlass genommen, eine Wiederaufrüstung zu betreiben, um in der Lage zu sein, „China Paroli zu bieten“. Gleichzeitig hat der japanische Verteidigungsminister Pläne erstellt, im Falle eines Angriffs auf umstrittene Inseln vor der japanischen Südküste 55.000 Soldaten dort hin zu entsenden. Wie ein Kommentator feststellte „gibt es keine Frage, wer der wahrscheinlichste Angreifer sein würde.” Diese Entwicklungen stellen eine tiefgreifende Veränderung dar – die schleichende „De-Pazifizierung Japans – ein Ausdruck des wachsenden Willens des japanischen Kapitalismus, eine ihrem Gewicht entsprechende Rolle in der internationalen Politik zu spielen. In diesem Zusammenhang ist auch die Entsendung einer symbolischen Anzahl von Truppen nach Osttimor, Aceh, und nun auch in den Irak zu sehen – es geht darum, die öffentliche Gegnerschaft zu Auslandseinsätzen, die 50 Jahre lang Tabu waren,  schrittweise abzubauen.

Das chinesische Regime hat die Aufrüstung Japans verwendet, um anti-japanische, nationalistische Gefühle zu schüren. Die ehemals ‚Kommunistische’ Partei Chinas, die nun den Ideologien des Stalinismus und des ‚Sozialismus’ (obwohl sie es immer noch nützlich finden, diesen Begriff manchmal einzusetzen) den Rücken gekehrt haben, verlässt sich aus chinesisch-nationalistische Ressentiments um ihr Handeln zu rechtfertigen, vor allem in der Außenpolitik. Anfang 2005 benannten die neuen verteidigungspolitischen Richtlinien Japans zum ersten Mal China als eine mögliche Bedrohung: „China, das einen großen Einfluss auf die Sicherheitslage der Region ausübt, hat seine Atom- und Raketentechnologie ebenso modernisiert wie die Marine- und Luftstreitkräfte, außerdem hat es seinen Einsatzgebiet auf dem Meer ausgedehnt.“ Japan unternimmt Vorstöße um umstrittene Inseln, die am Ende des zweiten Weltkrieges von Russland besetzt wurden, zurückzubekommen, und bereitet sich auch auf ein Kräftemessen mit China über umstrittene Gebietsfragen vor.

Die USA sind potentiell in der selben Situation wie Japan, nur in einem viel größeren Maßstab. Der scheinbar endlose Strom von billigen Gütern hat dem US-Kapitalismus sehr geholfen, da es die Konsumsteigerungen in den USA aufrechterhalten hat. Die niedrigen Preise dieser Güter fungierten als deflationärer Faktor für die Weltwirtschaft als ganzes, und haben, wie auch die kapitalistische Globalisierung als ganzes, die Gefahr der Inflation, die die Weltwirtschaft in den 70er Jahren heimsuchte, minimiert. Dies hat wiederum einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass der US-Notenbank die Zinssätze auf einem historisch niedrigem Niveau halten konnte. Der US-Imperialismus führt gerade einen komplizierten Drahtseilakt aus. Es ist wirtschaftlich von China abhängig, transnationale US-Amerikanische Firmen tätigen dort große Investitionen, sowohl im Exportbereich als auch für den wachsenden Binnenmarkt.

Wie wir bereits gesehen haben fungiert der chinesische Staat, zusammen mit dem japanischen, durch das Kaufen von US-Staatsanleihen als Hauptgläubiger der kolossalen Defizite der USA. Dazu kommt noch ein neues Abkommen, zwar bis jetzt nur in Umrissen vorliegend, für eine Freihandelszone zwischen China und dem zehn Staaten umfassenden Bund Südostasiatischer Nationen (ASEAN). In der Vergangenheit lehnten die USA dieses Vorhaben ab, da sie es als Bedrohung für ihre wirtschaftliche Dominanz der Region ansahen. Aber angesichts der Konzentration auf den Irak-Krieg hielten sich die USA mit Reaktionen zurück als China vor zwei Jahren die Pläne für diese Freihandelszone wieder ins Gespräch brachte. Sollte ein solches China-ASEAN-Projekt tatsächlich gegründet werden, als Rivale zu der EU und der nordamerikanischen Freihandelszone (NAFTA), würde es die halbe Weltbevölkerung umfassen und es könnte eine ernsthafte Bedrohung für die anderen ökonomischen Blöcke darstellen. Die USA werden diesen Plan wahrscheinlich, wenn nicht mit Verachtung begegnen, doch sicherlich probieren, diesen Versuch, China und die südostasiatischen Länder zusammenzubringen, zu untergraben. China wird es andererseits als Keil gegen die USA benutzen, mit der impliziten Drohung gegenüber Japan dass es in dem Fall das es nicht mitmacht, wie auch die USA von einem ‚Dialog’ sowohl über geopolitische Angelegenheiten in der Region als auch über wirtschaftliche Entwicklungen ausgeschlossen werden wird. Dies ist ein weiteres Beispiel dafür, wie China seine diplomatische und militärische Macht analog zum wachsenden ökonomischen Gewicht immer mehr ausspielt.

Taiwan

Ein weiteres Konfliktfeld ist Taiwan, dass schon in der Vergangenheit immer ein Brennpunkt war, und auch noch das Potential hat, eine schwere militärische Konfrontation in der Region auszulösen. Die Situation hat sich kürzlich zugespitzt als China ein „Anti-Sezessions Gesetz“ verabschiedete, das zu massiven Demonstrationen in Taiwan mit möglicherweise einer halben Millionen TeilnehmerInnen geführt. Einige der Merkmale der Beziehungen Japans zu China sind auch in den Beziehungen Taiwans mit dem Festland festzustellen. Die Position vom „Einen China” die von der Führung in Beijing vertreten wird bedeutet dass jeder Versuch einer Unabhängigkeitserklärung Taiwans zum Auslöser einer militärischen Intervention werden könnte. „Sollten die taiwanesischen Machthaber so weit gehen und einen fahrlässigen Vorstoß unternehmen dass einen schwerwiegenden Vorfall taiwanesischer Unabhängigkeit darstellt, dann werden das chinesische Volk und die Streitkräfte dies um jeden Preis entschlossen und vollständig unterdrücken.“ [2005 Verteidigungspolitisches Papier Beijings, 2005.]

Sollte ein Konflikt zwischen China und Taiwan ausbrechen, würde es nicht dort enden. Aufgrund des Verteidigungsabkommens mit Taiwan wären die USA „verpflichtet“, Taiwan zu helfen. Dies würde eine Konfrontation zwischen zwei Atommächten bedeuten. Des weiteren würden die USA jede Verteidigung Taiwans von Japan aus starten, wo sie militärische Stützpunkte und 50.000 Soldaten haben, so dass auch Japan in das Konflikt hineingezogen werden würde, was die ganze Region ins Chaos stürzen würde. Das vorrangige Ziel der USA ist die Verteidigung der eigenen strategischen, militärischen und wirtschaftlichen Interessen: „Als sie in Tokio gefragt wurde, warum die USA immer noch so viele Truppen in Okinawa stationiert haben sprach [Condoleezza Rice] sofort über den Aufstieg Chinas. Weiter implizierte sie, dass die Verbindungen der USA zu Japan, Südkorea und Indien dazu dienten, sicherzustellen, dass sich China nicht daneben benimmt“ [Financial Times 23. März 2005.] Selbst eine chinesische Militärblockade der Schifffahrt in der Straße von Taiwan würde massiven Schaden für die Wirtschaften beider Länder und des übrigen Asiens bedeuten. Ein US-Vertreter warnte, dass ein Konflikt zwischen China und Taiwan „der globalen Elektronikindustrie massiv treffen würde” [Financial Times].

Die Position des US-Imperialismus hat nichts mit Unterstützung für die taiwanesische ’Demokratie’ oder Selbstbestimmung zu tun. Der primäre Zweck ist die Sicherstellung der Stabilität in der Region, und aus diesem Grund wurde Druck auf die taiwanesische Regierung ausgeübt, ihre pro-Unabhängigkeits-Rhetorik zu mildern. Aber obwohl die ökonomischen Interessen heutzutage deutlich mehr auf dem Festland liegen, könnte der US-Imperialismus nicht tatenlos zusehen falls China versuchen sollte, Taiwan mit Gewalt zurückzuerobern. Eine Weigerung, Taiwan zu Hilfe zu kommen wäre de Facto das Ende der US-Dominanz in Asien, mit schwerwiegenden Implikationen für die wichtigsten Verbündeten in der Region – Japan, Südkorea, die Philippinen und Australien, zum Beispiel.

Ein solcher Konflikt schien in der Vergangenheit schon kurz bevor zu stehen. 1991 beschossen sich beide Seiten über die Straße von Taiwan hinweg mit Granaten. Noch wichtiger war die Ankündigung des Präsidenten Taiwans, für den Fall eines Stimmenzugewinns seiner regierenden Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) bei den Wahlen Ende 2004 Maßnahmen zu ergreifen die de Facto auf eine taiwanesische Unabhängigkeitserklärung hinausgelaufen wären. Dies scheint sich mit der Haltung eines wachsenden Anteils der taiwanesischen Bevölkerung zu decken, da der Anteil derjenigen, die sich ausschließlich als TaiwanesInnen sehen, von 17 Prozent auf 41 Prozent angestiegen ist, während statt 26 Prozent nur noch 6 Prozent sich als ChinesInnen fühlen. Von einem elementar demokratischen, geschweige denn marxistischen oder sozialistischen, Standpunkt aus gesehen, sollten die Menschen in Taiwan das Recht haben, über ihre eigene Zukunft zu entscheiden – frei von kriegerischen Drohung von wem auch immer, und von militärischer Einmischung, sei es aus Beijing oder aus Washington.

Die Tatsache dass das Gebiet Taiwans in der Vergangenheit zu China ‚gehörte’ spielt bei der Entscheidung seiner Zukunft keine ausschlaggebende Rolle. Wie jede andere Bevölkerung auch haben die Menschen in Taiwan ein Recht auf Selbstbestimmung. Wie aus Artikeln von Laurence Coates auf der CWI-Website hervorgeht, scheint die Bevölkerung zwischen zwei bürgerlichen Blöcken aufgespalten zu sein: ‚Grünen’, die eine taiwanesische Identität fördern, sind gegen eine Vereinigung mit dem Festland, während die ‚Blauen’ und der KMT generell als weiter rechts stehend gesehen werden (obwohl der Unterschied in der Praxis nicht so groß ist) die eine schnellere Integration mit China befürworten.

Die Position des CWI und des Marxismus ist dass keines dieser beiden Lager einen Fortschritt für die Arbeiterklasse anbieten kann. Wir verteidigen das Recht der TaiwanesInnen selbst zu bestimmen, was für Beziehungen sie zu den Nachbarstaaten und zu der restlichen Welt haben. Einheit zwischen den Menschen Taiwans und Chinas, die starke historische, kulturelle und nun auch wirtschaftliche Verbindungen haben, mag wünschenswert sein, aber nicht wenn es von oben herab durch eine kapitalistische Elite erzwungen wird. Gleichzeitig müssen die taiwanesischen Massen zu der riesigen aufstrebenden Arbeiterklasse Chinas Verbindungen knüpfen und ihre Unterstützung gewinnen, da diese deutlich weniger nationalistisch und auf ein Krieg mit Taiwan aus ist als die städtischen Mittelschichten und die Intellektuellen. Andernfalls besteht eine echte Gefahr dass jede breite Bewegung hin zu einer formalen Unabhängigkeitserklärung einen vernichtenden Krieg mit Beijing auslösen könnte.

Eines der Gründe für die aggressive Haltung Beijings gegenüber Taiwan ist die Angst vor ähnlichen oppositionellen und separatistischen Bewegungen auf dem chinesischen Festland. In dem sie Taiwan drohen, warnt die chinesische Regierung potentiell rebellierende nationale oder kulturelle Gruppen von Widerstand abzusehen. Allerdings haben die muslimischen Uighur-Minderheiten und die Minderheiten in Xinjiang sowie jeder andere Teil der Bevölkerung Chinas, die sich vom Zentralstaat unterdrückt fühlt, genauso eine Recht auf Selbstbestimmung wie die TaiwanesInnen.

Beijing hat die Taiwan Frage benutzt, um mal wieder die nationalistische Karte auszuspielen, um die Bevölkerung hinter die Regierung zu bringen und von Kritik an anderen Missständen abzulenken – wie etwa die mangelnde Demokratie, die mangelnden nationalen und demokratischen Rechte im übrigen China, unter der muslimischen Bevölkerung, in Tibet usw. Nach dem taiwanesischen Wahlen hat die DPP ihre Haltung gemildert und die Situation hat sich etwas entspannt. Die Gefahr einer militärischen Eskalation ist aber noch nicht gebannt. Im September 2004 waren die Spannungen zwischen China und Taiwan sehr hoch, als der taiwanesische Premierminister sagte: „Wenn ihr uns mit 100 Raketen trifft, dann werden wir mit 50 Raketen zurückschlagen. Wenn ihr Taipei oder Kaohshung trifft, dann treffen wir Shanghai.“

Die Rolle der chinesischen Massen

Während diese kriegerischen Drohungen ausgesprochen werden, und beide Seiten denn Nationalismus verwenden um von den sozialen Problemen im eigenen Land abzulenken, ist die wirtschaftliche Integration Taiwans mit dem Festland eine Tatsache. 2002 überhole China Japan und Taiwan und stieg zum zweitgrößten IT-Hardware Exporteur der Welt auf. Der steile Anstieg der IT-Exporte Chinas deckt sich fast vollkommen mit dem Import von IT-Komponenten aus Taiwan. China ist nun der größte Exporteur von IT-Gütern in die USA, jedoch mehr als 60 Prozent dieser Exportgüter werden in China von taiwanesischen Firmen hergestellt. Dies untersteicht die Bedeutung der ‚AuslandschinesInnen’ wovon Investoren aus Taiwan einen bedeutenden Anteil darstellen. Taiwanesische Firmen beschäftigen 10 Millionen Menschen auf dem Festland. Gleichzeitig wird Taiwan als Lieferant von Importgütern nach China nur von Japan übertroffen. Nichtsdestotrotz ist der Interessenkonflikt so groß, vor allem zwischen China, Japan, und den USA zusammen mit ihrem Verbündeten Taiwan, dass die Region ein Brennpunkt für einen großangelegten Konflikt ist. Dabei geht es nicht um einen Kampf für die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung, der Arbeiterklasse und der armen Bauernschaft, sondern um das politische Überleben der rivalisierenden herrschenden Eliten.

Diese Ereignisse beweisen auf eindrucksvoller Weise dass die chinesischen Massen nicht länger als passive Instrumente zur Realisierung der Ziele des chinesischen und des internationalen Kapitals sind. Es gibt einige Parallelen zum Prozess der Privatisierung, oder besser gesagt des unverschämten Diebstahls, kollektiver Staatsgüter in der ehemaligen UdSSR und in Osteuropa. Es gibt allerdings auch große Unterschiede. Im Falle der UdSSR und Osteuropas brachte eine schnelle Einführung eines ‚wilden Kapitalismus’ den größten wirtschaftlichen Zusammenbruch in der Geschichte des Kapitalismus. Das Ergebnis in China war bis jetzt, wie wir gesehen haben, völlig anders – ein endloses ökonomisches Feuerwerk, dass die ganze Welt beeindruckt hat. Im Falle der UdSSR gab es eine massive Verarmung, in China aber einen bedeutenden Anstieg des Lebensstandards, vielleicht für die Mehrheit zumindest der städtischen Bevölkerung.

Des weiteren gibt es Unterschiede was das Bewusstsein betrifft. In Russland und Osteuropa war die Diskreditierung des stalinistischen Regimes so groß dass die Mehrheit der Bevölkerung den Rückkehr zum Kapitalismus unterstützte oder zumindest duldete. Nachher bereuten sie diese Entscheidung. Das Bewusstsein in China ist komplizierter. Der entscheidende Unterschied ist, dass China einen längeren Weg hinter sich hat, eine etwas kontrolliertere Entwicklung zum Kapitalismus mit all den Widersprüchen, die damit einhergehen. Dies wiederum bedeutete eine längere Erfahrung der chinesischen Massen mit dem Kapitalismus und die zumindest teilweise Zerstreuung der Illusionen breiter Schichten der Bevölkerung, wie ihre Zukunft  unter diesem System aussehen wird

Das Bewusstsein in China ist nicht das selbe wie in Russland, sondern vielleicht eher mit dem in Großbritannien des 19. Jahrhunderts oder mit dem der russischen Arbeiterklasse vor der Revolution von 190 vergleichbar. Die Wirtschaft macht, den reinen Statistiken zur Folge, Fortschritte, aber auf den Rücken der chinesischen Massen und auf Kosten ihres Schweißes und ihres Leidens. Sie hatten bereits über zwei Jahrzehnte um anzufangen, Schlussfolgerungen über das Wesens dieses Systems zu ziehen. Natürlich ist die erste Priorität der Massen der Aufbau einfacher Organisationen, nämlich Gewerkschaften, mit denen sie die Offensive des Kapitalismus in Schach halten können, mit seinen roten Zähnen und Krallen, ‚vampirartig’ wie Marx es schon vor 130 Jahren beschrieb, mit seinem Drang, massive Profite aus der Arbeitskraft der Arbeiterklasse herauszusaugen. Diese Entwicklungsstufe des Kampfes ist unumgänglich und der Widerstand der Massen wächst. Den offiziellen Regierungsstatistiken zufolge gab es im letzten Jahr in China 58.000 Vorfälle von Demonstrationen, Streiks und anderen oppositionellen Aktionen. Dies stellt einen Anstieg um 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr dar. Vor kurzum erhob sich ein ganzes Dorf aus Protest gegen schwerwiegende Umweltverschmutzung. Sie organisierten Massendemonstrationen und gerieten in Folge dessen mit der Polizei aneinander. Mindestens zwei ältere Frauen wurden dabei getötet, Dies ist ein Vorbote von dem, was kommen wird.

Allerdings haben die Proteste trotz der großen Anzahl der Teilnehmenden noch keine koordinierte Form angenommen, weder auf nationaler Ebene noch in irgend einer bedeutenden Region oder in einem wichtigen städtischen Ballungsgebiet. Sollte dies passieren, und es wird passieren, dann könnte es den Funken darstellen, der die kommenden Revolution der chinesischen Arbeiterklasse und Bauernschaft auslöst. Dies wird Elemente von dem haben, was wir in der russischen Revolution von 1905 gesehen haben, ebenso wie von den heroischen Unternehmungen der chinesischen Arbeiterklasse in der Vergangenheit, vor allem der chinesischen Revolution von 1925-27, als die Massen, die bis dahin wie Nutztiere gehalten wurden, die Bühne der Menschheitsgeschichte betraten.

Im Laufe dieser Bewegung wird die Arbeiterklasse generalisieren, eine Führung auswählen, eine alternative Partei suchen, und Beispiele aus der Vergangenheit finden um ihre heutigen Kämpfe zu inspirieren. Sie werden einen Weg zu echten demokratischen und sozialistischen Ideen finden, unterfüttert durch eine marxistische Analyse und unbesudelt durch die verzerrten Ideen und Methoden des Stalinismus. In dem sie dies tun, können sie einen Weg finden, um ihre Situation zu verändern. In anderen Worten: der wahre Marxismus, wie er von Lenin und Trotzki, Marx und Engels verstanden wurde, wird von der chinesischen Arbeiterklasse wiederentdeckt werden, vor allem zunächst durch die neuen frischen Schichten.

Des weiteren ist der Kapitalismus in China aus ökologischer Sicht nicht aufrecht zu erhalten. Das ist nicht die Schlussfolgerung von MarxistInnen, sondern der staatlichen Chinesischen Umweltschutzbehörde, die offiziell ein Zweig der Regierung ist. Der stellvertretende Vorsitzende der Behörde, Pan Yue, sagte: „Wenn wir weiter den Weg der traditionellen industriellen Zivilisation gehen, gibt es keine Chance auf eine nachhaltige Entwicklung. Chinas Bevölkerung, Ressourcen und Umwelt haben bereits die Grenzen von dem, was sie verkraften können, erreicht.“ In den letzten 20 Jahren ist der Ölverbrauch um 100 Prozent angestiegen, der Erdgasverbrauch um 92 Prozent, der Stahlverbrauch um 143 Prozent, bei Kupfer sind es 189 Prozent und bei Aluminium 380 Prozent. Während China 21 Prozent der Weltbevölkerung hat, hat es nur einen Bruchteil der globalen Reserven an Öl, Erdgas, Eisenerz, Aluminium und anderen Ressourcen. Historisch haben die Befürworter des Kapitalismus die Idee verbreitet, dass „Industrialisierung gleich Wohlstand“ ist, und dementsprechend „Landwirtschaft gleich Armut“. Dies ist aber nur das wahrscheinlich Ergebnis im Kapitalismus; „Wenn China so Leben will wie die USA, bräuchten wir dazu die Ressourcen von vier Welten“. [Liang Congjie, Chinas führender unabhängige Umweltschützer] Das ist aber eine Schlussfolgerung die auf den Kapitalismus basiert. Sozialistische und demokratische Planung könnte allen Menschen ein Lebensstandard „wie in den USA“ geben, auf Grundlage umweltfreundlichen und nachhaltigen Wachstums. Nicht nur China, sondern die ganze Welt schreit nach einer echten demokratischen Arbeitsteilung auf Grundlage von Planung und Verwaltung der Entwicklung der Welt. Dies ist nicht möglich solange eine Handvoll Milliardäre mit ihren Regierungen und ihrem System die Gesellschaft beherrschen. Nur durch die Masse der Bevölkerung, durch ihre demokratischen Organisationen und VertreterInnen handelnd um die Situation zu verändern, kann China und die Welt vor dem zerstörungswütigen Kapitalismus gerettet werden. Eine solche Welt ist möglich, wenn die Massen die Ereignisse selber in die Hand nehmen und die Gesellschaft in einem sozialistischen Sinne umgestalten. Dies ist die gewaltige Aufgabe der sich die chinesische Arbeiterklasse in der kommenden Periode annehmen wird.

Peter Taaffe ist Generalsekretär der Socialist Party in England und Wales und Mitglied im Internationalen Sekretariat des Komitees für eine Arbeiterinternationale (Committee for a Workers' International – CWI).

 

Übersetzung: Seàn McGinley

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