Trump wird US-Präsident

Eine erste Betrachtung von links

„Mit Bernie wäre uns das nicht passiert“ ist die Reaktion vieler, als sie das US-Wahlergebnis sehen. Und tatsächlich zeigt der Sieg Trumps, wohin die Politik der etablierten Parteien führt. Trump ist ein sexistisch-rassistischer Egomane - aber Achtung vor Kurzschlüssen bezüglich der Gründe seiner WählerInnen. Wie bei Hofer und Brexit ist ein zentrales Element die Ablehnung des Establishments, von "denen da oben". Trump gehört, wie auch Hofer, natürlich zu diesem Establishment. Sie sind Teil der reichen, weißen Oberschicht. Sie sind Verfechter einer neoliberalen Politik, die die ArbeiterInnenklasse für eine Krise zahlen lässt, die sie nicht verursacht hat. Aber beiden gelingt es, sich als Opposition zum Establishment zu präsentieren. Die Werte für Clinton, die zu Recht als Teil der Wall-Street-Elite gesehen wird, erreichten bei Unbeliebtheit neue Rekorde. Wie auch jene von Trump. Die herrschende Klasse wird an ihrer Politik, die die Massen der Menschen, also die ArbeiterInnenklasse, in Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst treibt, nichts ändern. Sie wird aber ihre Überlegungen in Richtung Demokratieabbau verstärken. Der Gedanke liegt für die Herrschenden nahe: Wenn die WählerInnen solche Unsicherheitsfaktoren wählen, dann müssen sie die WählerInnen entmachten. Auch in Österreich gibt es, z.B. aus SPÖ-Kreisen, Ideen in Richtung des weit undemokratischeren Mehrheitswahlrechts – doch nicht einmal das hat Clinton in den USA gerettet. Die EU hat in den letzten Jahren mit dem Einsetzen von „Expertenregierungen“ gezeigt, dass demokratische Legitimation durch Wahlen für die herrschende Klasse in dem Maße an Bedeutung verliert, in dem sich die kapitalistische Krise zuspitzt. Kaum eine Regierung kann sich heute noch auf eine Mehrheit, geschweige denn eine Mehrheit der Menschen in ihrem Land, stützen. Die Linke sollte sich hüten, solche arroganten Konzepte mit zu tragen.

Trump mag ein Unsicherheitsfaktor für die herrschende Klasse sein, gleichzeitig verdeutlicht sein Sieg die Krise der bürgerlichen Demokratie im Angesicht der kapitalistischen Krise. Rechtspopulisten, die bei Wahlen traditionelle Parteien hinwegfegen und Demokratieabbau von oben sind zwei Seiten derselben Medaille. In dieser Hinsicht ist Trump alles andere als ein "amerikanisches Phänomen". Seine Wahl ist nur der nächste Dominostein, der in der Krise der bürgerlichen Demokratie fällt. Trump, Putin, Erdogan, Orban, Duterte... sie alle repräsentieren, auf ihre Weise, die autoritäre Wende des Kapitalismus, der sich mit den Mitteln der bürgerlichen Demokratie nicht aus seiner fundamentalen Krise befreien kann.

Die Rechnung für die Logik des „kleineren Übels“

Tatsächlich drückt das Wahlergebnis ganz stark den Wunsch danach aus, dass endlich „etwas anders werden muss“. Für 70% der Trump-WählerInnen war der Glaube daran, dass er „Wandel“ bringt, der wichtigste Grund, ihn zu wählen. Genau hier gilt es anzusetzen. Anstatt die Situation schönzureden und sich dadurch dem Establishment anzuschließen, muss die Linke die berechtigte Wut über Krise, Arbeitslosigkeit und Armut aufgreifen. Die rechten Scheinlösungen scheinen nur solange glaubwürdig, solange es der Linken nicht gelingt, echte Antworten in Form eines radikalen Programms zu formulieren und dafür Kämpfe zu organisieren. Wenn diese Wahl etwas gezeigt hat, dann dass Zurückhaltung und Anpassung Rezepte für die sichere Niederlage sind.

Wenn gefragt wird, wie Trump gewinnen konnte, muss auch gefragt werden, wie Clinton verlieren konnte. Clinton stand für alles, was in den USA falsch läuft: Für Krieg, Korruption, die Wall Street, für systematische Unterdrückung von Nicht-Weißen und vieles mehr. Trump steht für alle falsche Antworten darauf, aber er steht für Antworten. Konfrontiert mit einem nicht mehr tolerablen Status Quo und einem scheinbaren Ausweg daraus wenden sich viele - wenig überraschend - dem scheinbaren Ausweg zu, wie Trotzki zum Ausbruch des 1. Weltkrieges schreibt:

"Solcher Menschen, deren ganzes Leben, tagaus, tagein, in monotoner Hoffnungslosigkeit verläuft, gibt es viele auf der Welt. Auf ihnen beruht die heutige Gesellschaft. Die Alarmglocke der Mobilisierung dringt in ihr Leben ein wie eine Verheißung. Alles Gewohnte, das man tausendmal zum Teufel gewünscht hat, wird umgeworfen, es tritt etwas Neues, Ungewöhnliches auf. Und in der Ferne müssen noch unübersehbarere Veränderungen geschehen. Zum Besseren? Oder zum Schlimmeren? Selbstverständlich zum Besseren: kann es den Pospischil schlimmer ergehen als zu „normalen“ Zeiten?"

Es waren übrigens nicht hauptsächlich die „dummen“ ArbeiterInnen, die mehrheitlich Trump gewählt haben. Die höhere Zustimmung hat er bei Einkommensschichten über 50.000 Dollar/Jahr (das entspricht einem Monatseinkommen von über 3.500 Euro). Trump war nicht der Kandidat der wütenden ArbeiterInnen, er war der Kandidat des verängstigten Kleinbürgertums bzw. der Mittelschichten, die sich sowohl von oben - durch Wall Street usw. - als auch von unten - durch die steigenden Klassenkämpfe und sozialen Bewegungen - bedroht fühlen. Es ist also auch ganz stark eine angsterfüllte Mittelschicht, die, ähnlich wie bei den Pegida-Aufmärschen in Deutschland, Lösungen bei rechten Populisten sucht.

Doch das ist kein Automatismus. Bei den US-Vorwahlen gab es mit Bernie Sanders eine echte Alternative. Viele seiner WählerInnen wollten zu Recht nicht Clinton wählen. Und viele spätere Trump-WählerInnen hätten durch Sanders gewonnen werden können. Sanders sprach ethnische Minderheiten, Frauen und die ArbeiterInnenklasse als Ganze an – auch die Teile, die offen für Trumps Scheinlösungen sind. Doch das Establishment riskierte lieber Trump, als den linken Sanders. Und dieser schwenkte auf den Clinton-Kurs ein, anstatt den Aufbau einer linken Alternative ernsthaft anzugehen und als unabhängiger Kandidat anzutreten. Trumps Sieg ist die Konsequenz der Logik des kleineren Übels. Es wurde gepredigt, dass diese Wahl nicht der richtige Zeitpunkt für linke Proteststimmen ist, dass es jetzt nur darum gehen kann, Trump zu besiegen. Sanders wurde als "unwählbar" abgekanzelt - und hat sich dem auch noch gefügt. Clinton war die Krankheit, Trump das Symptom. Sich mit der Krankheit gegen das Symptom zu verbünden war der Fehler der Linken und der Gewerkschaften. Sie haben die Wut unterschätzt und ihr keinen linken Ausdruck gegeben.

Was jetzt?

Am Beispiel Trump wird sich auch zeigen, wie mächtig Präsidenten tatsächlich sind – denn die WirtschaftsvertreterInnen werden all ihre Macht einsetzen, damit Trump nicht zu unberechenbar wird und weiter in ihrem Interesse agiert. Trumps Berater haben ihm im Vorhinein sogar die Kontrolle über seinen persönlichen Twitter-Account entzogen. Im Handeln des Präsidenten wird sich - wie eh und je - viel weniger sein eigener Wille als der des Kapitals widerspiegeln. Natürlich wird Trumps Unberechenbarkeit dazwischenfunken. Aber er wird weder alleine einen Krieg vom Zaun brechen noch die Beziehungen zu Mexiko oder China zerstören. Im Gegenteil wird Trump als Präsident von unzähligen Stäben in Schach gehalten werden, die versuchen werden dafür zu sorgen, dass seine Politik sich in den entscheidenden Bereichen nicht dramatisch von seinen Vorgängern unterscheidet.

Die Hoffnungen, die Trump geweckt hat, wird er notwendigerweise enttäuschen. Er wird keine Jobs durch die Senkung von Körperschaftssteuern schaffen. Er wird die KleinunternehmerInnen nicht aus ihrer - in ihrer Klassenlage angelegten - Klemme befreien. Er wird die alleinige imperialistische Macht nicht wiederherstellen können. Er wird somit unweigerlich noch größere Wut produzieren. Das wird sowohl die ArbeiterInnenbewegung und Klassenkämpfe hervorrufen als auch die reaktionären Teile des Kleinbürgertums. Auch wenn sich manche Trump-WählerInnen einen Freibrief für rassistische Übergriffe, den Angriff auf Frauen- und Minderheitenrechte erhoffen, deckt sich das nicht einfach mit den Interessen der herrschenden Klasse – und wird mit massivem Widerstand konfrontiert sein. Alle Kämpfe, die wir aktuell sehen: Der Kampf um einen $15-Mindestlohn, Black Lives Matter, die erwachte Umweltbewegung und der Kampf für das Selbstbestimmungsrecht von Frauen etc. werden in der nächsten Periode auf eine höhere Ebene gehoben und noch stärker in Verbindung zueinander gesetzt werden.

Sanders‘ Unterstützung für Clinton war ein großer Fehler, der wieder einmal gezeigt hat, dass es keinen Sinn macht auf das „kleinere Übel“ zu setzen – vor allem jetzt, wo die etablierten Parteien in einer fundamentalen Krise sind. Trump hat die zwei traditionellen politischen Parteien der mächtigsten herrschenden Klasse der Welt von außen überrumpelt. Republikaner und Demokraten sind als Papiertiger entlarvt. Jetzt geht es darum, daraus zu lernen. Die ArbeiterInnenbewegung und die zahlreichen sozialen Bewegungen müssen die akute Schwäche der politischen Apparate nützen und nach vorne preschen. Sie müssen endlich die linke Alternative aufzubauen, die es so dringend braucht, um der berechtigten Wut gegen die herrschende Elite und der berechtigten Angst vor der Zukunft ein wirkliches, ein linkes, ein kämpferisches, ein die ArbeiterInnenklasse vereinigendes Ventil und Instrument zu geben. Unsere Schwesterorganisation Socialist Alternative, die in den letzten Jahren spektakuläre Erfolge erzielen konnte und eine treibende Kraft auf der Linken in den USA ist, wird sich dafür mit aller Kraft einsetzen. Trumps Sieg ist kein Zeichen der Stärke der Rechten sondern der Schwäche der herrschenden Klasse. Deswegen gelten die Worte des ArbeiterInnenaktivisten Joe Hill kurz vor seiner Erschießung durch den US-amerikanischen Staat heute besonders: "Don't mourn - Organize!" – „Klagt nicht – Organisiert euch!“

http://www.socialistalternative.org/

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