Mo 06.05.2013
Seit vielen Jahren demonstrieren in Salzburg AntifaschistInnen gegen die öffentlichen Hetzveranstaltungen der Freiheitlichen Partei. Seit 2008 ist es Strache und Co. kaum einmal gelungen hier aufzutreten, ohne dass hunderte, meist junge AntifaschistInnen und AntirassistInnen auf die Straße gingen und sich öffentlich der rechten Hetze entgegenstellten. In den vergangenen Jahren wurden diese Demonstrationen meist von der SLP initiiert und von einem breiten Bündnis linker, antifaschistischer Gruppen, Organisationen und Einzelpersonen getragen. Das war und ist gut so. Rechtsextremismus muss überall aktiv entgegengetreten werden.
Diesmal war es anders, auch wenn es zu Beginn nicht so aussah. Die SLP lud zum Bündnistreffen ein und zahlreiche Organisationen, darunter die ÖH, nahmen teil und sagten Unterstützung für und Teilnahme an der Demonstration zu. Am 30. April, also zwei Tage vor der Demonstration beschlossen dann die Spitzen von VSStÖ und GRAS – namentlich Simon Hofbauer und Daniel Winter – sich von der Demonstration zu „distanzieren“. Hintergrund: Für den Landtagswahlkampf hatten die Parteien ein „Fairnessabkommen“ unterzeichnet, welches beinhaltete, dass die Parteien oder ihre Vorfeldorganisationen keine Veranstaltung der jeweils anderen „stören“ würden. Grund genug für die Nachwuchs-Parteibürokraten sich von aktivem Antifaschismus zu „distanzieren“. Die FPÖ hatte - angeblich – einen „offenen Brief“ verfasst, welcher die grüne Spitzenkandidatin Rössler aufforderte ihre Studierendenorganisation zurückzupfeifen. In Folge schien die Parteiführung Druck ausgeübt zu haben, dem sich ihr studentischer Anhang auch bereitwillig beugte. Das gleiche Prinzip bei der Sozialdemokratie.
Zusammengefasst: die Rechtsextremen schreien, die Grünen/SPÖ zittern und GRAS/VSStÖ springen. Am 30.04. sendeten Simon Hofbauer (GRAS) und Daniel Winter (VSStÖ) eine OTS-Aussendung aus (Preis: ca. 150,00 Euro ÖH-Gelder), in dem sie verkündeten: „Die ÖH Salzburg und die koalitionstragenden Fraktionen GRAS (Grüne & Alternative StudentInnen) und VSStÖ (Verband Sozialistischer Studierender) respektieren dieses Abkommen [das Fairnessabkommen der Landesparteien; Anm.] und distanzieren sich deshalb von Aufrufen zur Teilnahme an einer Demo gegen die FPÖ-Wahlkampf-Schlussveranstaltung am 2. Mai“.
Tatsächlich nahmen an der Demonstration mit einzelnen positiv hervorzuhebenden Ausnahmen praktisch keine AktivistInnen von ÖH/VSSTtÖ/GRAS teil. Auch von Gewerkschaftsseite – eine Teilnahme von sozialdemokratischen JunggewerkschafterInnen wurde ursprünglich zugesagt – wagte sich kaum jemand gegen die FPÖ auf die Straße. Nichtsdestotrotz kamen über hundert, meist junge, AntifaschistInnen – ArbeiterInnen, SchülerInnen, StudentInnen, Arbeitslose, Lehrlinge, … Vom Mirabellplatz zog die Demonstration kämpferisch zum Residenzplatz, wo sie das Häuflein FPÖlerInnen lautstark konfrontierte. Angesichts des von den Freiheitlichen betriebenen Aufwandes – hunderte Plakate, Zeitungsinserate und eine riesige Bühne vor der Mozartstatue – war ihre Mobilisierung erbärmlich. Nicht einmal 200 Rechte waren bereit Spitzenkandidat und Bundesoberhetzer Strache zu lauschen. Unter ihnen waren Einige, die ganz offensichtlich der äußersten rechten Szene zuzuordnen sind (junge Männer mit Glatzen, Springerstiefeln und „Thor-Steinar“ oder ähnlichem). Trotz des später einsetzenden sintflutartigen Regens hielt die antifaschistische Kundgebung durch. „Nieder, nieder, nieder mit der FPÖ!“ hallte es durch die ganze Altstadt, während wenige Meter weiter Strache versuchte seine Hassparolen unter seine kleine AnhängerInnenschaft zu bringen.
Auch wenn die Demonstration ein großer Erfolg war und es sich zeigte, dass vielen jungen AntifaschistInnen die „Distanzierungen“ von Nachwuchs-ParteibürokratInnen völlig egal sind, muss doch festgestellt werden, dass die Strategie der FPÖ letztlich aufgegangen ist. Den Rechten muss klar gewesen sein, dass sie durch Druckausübung auf die Grünen und die SPÖ (ein Druck, für den diese bemerkenswerte Empfänglichkeit aufwiesen) die Demonstration nicht verhindern könnten. Die Demonstration wurde nämlich nicht von einer ÖH-Fraktion, sondern von der SLP angemeldet, der jegliches „Fairness“-Gejammer der Rechtsextremen vollkommen egal ist (und mit diesen auch nie ein Abkommen über irgendetwas dergleichen unterzeichnen würde). Was die Freiheitlichen erreichen wollten, war eine Spaltung und damit Schwächung des Widerstandes gegen ihre Hetze. Und das – dies muss festgestellt werden – ist ihnen gelungen. Auch wenn die Beteiligung an der Demonstration angesichts der Umstände sehr gut war, bedeutete die aktive Sabotage der grünen und blassrosa FunktionärInnen doch, dass weniger Menschen teilnahmen. Wenn die GRAS meint, dass eine nicht-Distanzierung ein „Geschenk“ an die FPÖ gewesen wäre (weil die dann einen Bruch des Fairnessabkommens reklamieren könnten oder irgendwas dergleichen), dann haben sie durch ihre aktive Sabotage der antifaschistischen Demonstration den Freiheitlichen einen weitaus größeren Dienst erwiesen. Aber, was macht man nicht alles um im Wahlkampf ein paar Stimmen zu sichern? Simon Hofbauer hat seine brave Haltung zumindest Parteiintern geholfen – er wurde wenige Tage später auf Listenplatz sechs der Grünen in den Landtag gewählt.
Selbst auf formaler Ebene ist das Argument mit dem „Fairnessabkommen“ falsch. Die ÖH ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts. Diese hat kein „Fairnessabkommen“ unterzeichnet. Die Selbstwahrnehmung der grünen und sozialdemokratischen FunktionärInnen, die dazu führt nicht mehr zwischen der eigenen Fraktion und der ÖH zu unterscheiden ist für sich genommen schon skandalös genug und unterstreicht, dass es sich bei der aktuellen ÖH um wenig mehr als einen Politkindergarten, um Sandkastenpolitik für Nachwuchsabgeordnete handelt und weniger um ein Vertretungsorgan der Studierenden; auch wenn es bei der ÖH und selbst in den Fraktionen eine Reihe ehrlich bemühter, aktiver, linker Studierender gibt. VSStÖ und GRAS haben allerdings bewiesen, dass sie nicht die „unabhängigen, kritischen, linken“ Studierendenorganisationen sind, als die sie sich gerne präsentieren, sondern letztlich auch nur langweilige Vorfeldorganisationen der etablierten Parteien. Und weil die etablierten Parteien eben gerne mal Deals mit den Rechtsextremen machen, liegt es an den Vorfeldorganisationen diese Deals einzuhalten und sich von aktiven antifaschistischen Mobilisierungen zu „distanzieren“.
Der Skandal liegt aber nicht im Formalismus, sondern auf politischer Ebene. „Fairness“ mit der FPÖ? Wann war die FPÖ jemals „fair“ zu MigrantInnen, Muslimen/Muslima, Juden/Jüdinnen, Frauen, Homosexuellen, Arbeitslosen, sozial Schwachen, BettlerInnen, AntifaschistInnen, …? Gerade in den letzten Wochen sind eine Reihe oberösterreichischer Funktionäre durch einschlägige Nazivergangenheit aufgefallen. Karl Schnells Sager von der „Umvolkung“ (klassische NS-Diktion) spricht für sich. Am 2. Mai verwendeten sowohl Schnell, als auch Strache einen großen Teil ihrer Redezeit um gegen Menschen muslimischen Glaubens zu hetzen und gingen sogar so weit, die fürchterlichen Anschläge von Boston für ihre menschenverachtenden Ziele zu missbrauchen. Mit diesen Figuren wollen SozialdemokratInnen und Grüne „fair“ umgehen? Von einer Demonstration gegen diese Hetze „distanzieren“ sich GRAS und VSStÖ?
Die Landtagswahlen haben SPÖ und ÖVP eine deutliche Niederlage eingebracht. Grüne und FPÖ wurden gestärkt und das „Team Stronach“ schaffte es in den Landtag. Alles ist ganz „fair“ abgelaufen. Die Rechtsextremen konnten ihre Hetze verbreiten, ohne dass sich die Vorfeldorganisationen der etablierten Parteien diesem widersetzten und ein ÖH-Funktionär darf jetzt auch im Landtag funktionieren. Das Ganze hat gezeigt, dass man trotz aller „kritischer“ oder sonst noch wie gearteter Rhetorik der „linken“ ÖH-Fraktionen auf diese nicht vertrauen kann.
Antifaschismus darf keine programmatische Etikette sein. Antifaschismus ist tagtäglicher Auftrag. Der Kampf gegen Rechtsextremismus und Rassismus, gegen Antisemitismus, Sexismus, Homophobie, Sozialabbau und Umverteilung von unten nach oben muss jeden Tag aktiv geführt werden. Heute muss das vor allem heißen, der FPÖ entschlossen entgegenzutreten.
Im September wird der Nationalrat gewählt. Im Wahlkampf werden wir mit einer neuen Welle rechter Hetze von Seiten der Blauen konfrontiert sein. Die SLP wird im Laufe dieses Wahlkampfes wieder, wie schon so oft, gemeinsam mit allen anderen aktiven AntifaschistInnen gegen diese Hetze kämpfen. In Salzburg und überall. JedeR der/die es ernst meint, der/die sich von aktivem Antifaschismus nicht für ein paar WählerInnenstimmen oder wegen eines „Fairnessabkommens“ distanzieren will ist eigeladen mit uns gemeinsam auf die Straße zu gehen.