SPÖ-Vorsitz: Babler wählen, Klassenkampf organisieren, echte Arbeiter*innenpartei aufbauen!

ISA-Bundesleitung

Die politische Krise spitzt sich weiter zu. Grundlage ist die tiefe Krise des Kapitalismus und der daraus resultierenden Teuerung, die Krise im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich sowie die Bedrohung von Rechts - und die Unfähigkeit der etablierten Parteien echte Lösungen anzubieten.

Für Beschäftigte, Jugendliche, Frauen und Migrant*innen gilt: es gibt kein Angebot für Widerstand. Die Parlamentsparteien sind Teil des Systems, die Gewerkschaftsführung weigert sich echten Widerstand zu organisieren und die außerparlamentarischen Bewegungen sind zu schwach und desorientiert.

Alle Parteien sind in der Krise, aber die FPÖ profitiert am meisten und steht in Umfragen an erster Stelle. Die neue Koalition in Niederösterreich, wie der insgesamte Rechtsruck der ÖVP deutet auf eine schwarz-blauen Koalition nach den nächsten Nationalratswahlen hin. Das wäre eine weitere Bedrohung für Arbeiter*innen, Migrant*innen, Frauen und queere Personen. 

Vor diesem Hintergrund findet die Vorsitzwahl in der SPÖ statt. Die Kandidatur von Andreas Babler ist hier eine spannende Entwicklung. Wir haben in früheren Stellungnahmen erklärt warum es unwahrscheinlich ist, dass die SPÖ als Kampfpartei der Arbeiter*innenklasse zurück gewonnen werden kann. Wir sehen seit langem die Notwendigkeit des Aufbaus einer neuen Arbeiter*innenpartei. Die Kandidatur von Andreas Babler kann hier ein Schritt sein, da sie - wenn er nur ansatzweise den Erwartungen entspricht - im Widerspruch zur Politik, Ausrichtung und den Interessen des SPÖ-Apparates steht. Im Rahmen dieser SPÖ kann er wie Corbyn nur scheitern oder er muss die SPÖ gänzlich umkrempeln. Mitglieder der ISA wurden vor vielen Jahren wegen ihrer sozialistischen Prinzipien aus der Sozialdemokratie ausgeschlossen. Seitdem entwickelte sich die SPÖ immer stärker zu einer Partei, die für neoliberale Politik und Verschlechterungen für die Arbeiter*innenklasse verantwortlich ist. Deshalb sind wir keine SPÖ-Mitglieder mehr.

Wir beobachten und unterstützen Bablers Kandidatur da wir sie als möglichen Fortschritt für den Aufbau einer kämpferischen Arbeiter*innenbewegung sehen, wenn sie kombiniert wird mit dem Aufbau einer Bewegung gegen Teuerung, Pflegekrise, Rassismus und Sexismus durch Mitglieder der SPÖ rund um Andreas Babler und Aktivist*innen von außerhalb der Sozialdemokratie. Doch das Scheitern von Corbyn zeigt auch, welche Gefahren eine solche Kandidatur bringen kann (v.a. wenn sie nicht zum Aufbau einer Bewegung genützt wird) auch weil sie dazu führen kann eine Schicht an Menschen passiv an eine nicht-reformierbare Sozialdemokratie zu binden anstatt sie zu Aktivist*innen in Bewegungen zu machen. 

Wahlen zum SPÖ-Vorsitz als Symptom der sozialdemokratischen Krise

Zum ersten Mal seit langem kommt es zu einer Mitgliederbefragung über den Vorsitz der SPÖ. Diese Befragung ist aber weniger Ausdruck einer lebendigen Partei und Druck von unten, sondern vor allem ein Ergebnis von Streitigkeiten an der Spitze, die keine andere Lösung mehr zugelassen haben. 

Dabei sind die Unterschiede zwischen Rendi-Wagner und Doskozil vor allem wahltaktische und keine grundsätzlich politischen. Doskozil will mit einer Offenheit nach rechts FPÖ-Stimmen zurückgewinnen, während Rendi-Wagner auf ein städtisches Mileu und Grüne Stimmen setzt. Die Darstellung in den Medien von einem Kampf zwischen linkem und rechten Flügel entspricht nicht der Realität. Rendi-Wagner hat erst vor kurzem die rechten Positionen von Doskozil bestätigt und Doskozil steht auch nicht für eine sozialere Politik. Der scheinbare Widerspruch zwischen “sozialen” und “gesellschaftlichen” Themen spielt nur im engen Rahmen der etablierten Politik eine Rolle. Tatsächlich schwächt rassistische und sexistische Politik (genauso wie ein Ignorieren, dieser Themen) die gesamte Arbeiter*innenbewegung und den Kampf um Verbesserungen für alle. Die Kämpfe für gleiche Rechte für Migrant*innen und Frauen (für die weder Rendi-Wagner noch Doskozil stehen) sind eng verbunden mit dem Kampf für z.B. bessere Arbeitsbedingungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich oder höheren Löhnen für alle.

Dass sich der Wahlkampf um Personalien und Pseudodebatten und nicht z.B. über notwendige Antworten auf die Krise im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich oder die Teuerung dreht zeigt vor allem, dass die SPÖ schon lange keine “Arbeiter*innenpartei” mehr ist sondern eine etablierte Partei mit besonderer Geschichte die seit den 1990er Jahren verbürgerlicht ist (www.slp.at/artikel/spö-verbürgerlicht-fpö-gewinnt-11081). Ja, es wählen noch viele Arbeiter*innen die SPÖ und die Partei kontrolliert noch immer die Gewerkschaftsspitze, aber die Sorgen, Wünsche und v.a. die Bewegungen und Proteste der Arbeiter*innenklasse drücken sich in der SPÖ ebensowenig aus wie in den anderen bürgerlichen Parteien. 

Babler als echte Alternative

Andreas Babler präsentiert sich als echte Alternative zum Partei-Establishment. Er gehört keiner der dominierenden Fraktionen an und hat sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die Parteispitze ausgesprochen. Er beschreibt sich selbst als “aufrechten Sozialisten” und formuliert die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Veränderung der Partei. 

Vor allem zeigt er als Bürgermeister von Traiskirchen, dass es eben keinen Widerspruch zwischen einer konsequenten Haltung gegen Rassismus und sozialer Politik gibt und man die FPÖ am besten mit beidem bekämpfen kann. Traiskirchen ist wahrscheinlich der Ort in Österreich, wo die rassistische und unmenschliche Asylpolitik aller vergangenen Bundesregierungen die stärksten Auswirkungen hatte und trotzdem ist es der FPÖ und der ÖVP nie gelungen davon zu profitieren. Vor allem weil Babler immer konsequent klargemacht hat das Geflüchtete ein Recht haben vor Terror, Krieg und Unterdrückung zu fliehen und es ist die Bundesregierung die für die katastrophale Situation von Geflüchteten und die sinkenden Lebensstandards von hier lebenden verantwortlich ist. Diese Haltung zeigt wie man die FPÖ zurückdrängt: nicht durch politische Zugeständnisse und die Übernahme ihrer Positionen sondern konsequenten Antirassismus verbunden mit einem Aufzeigen der tatsächlich Schuldigen den Chefetagen der Banken und Konzerne und ihren Vertreter*innen in der Politik. 

Gleichzeitig hat sich Babler bis jetzt immer zurückgehalten, seine Popularität wirklich über Traiskirchen hinaus zu nutzen. Obwohl er sich immer wieder zur Situation in der Partei zur Wort gemeldet hat, hat er bis jetzt keinen langfristigen und organisierten Kampf um Veränderung geführt. Noch stärker trifft das auf allgemeinen Widerstand gegen rechte Politik, Sozialabbau und Teuerung zu - wo seine Popularität dazu beitragen kann, eine Bewegung aufzubauen. Andreas Babler entspricht wohl aktuell am ehesten dem Bild eines “ehrlichen Sozialdemokraten”, seine Politik und sein politisches Verständnis stehen auf Basis von Humanismus und dem Gefühl für soziale Gerechtigkeit, er appeliert an die (vermeintlich linke) Kreisky-Zeit, als Reformen noch Verbesserungen für die Arbeiter*innenklasse bedeuteten. Es findet sich auch Kapitalismuskritik, aber die Überwindung des Kapitalismus als Notwendigkeit spielt in seiner politischen Praxis keine Rolle. Trotzdem öffnet sein Antritt einen möglichen Raum für eine Diskussion über echte politische Alternativen.

Entscheidend: Klassenkampf und Widerstand von unten

Ein Wahlsieg von Babler wäre eine enorme Chance, würde aber nicht automatisch die politische Sackgasse der Linken in Österreich beenden. Die Stärke der Rechten und die Angriffe auf unseren Lebensstandard durch die Bundesregierung liegen nicht in erster Linie an fehlender linker Präsenz im Parlament, sondern an fehlenden Klassenkampf und sozialen Bewegungen. Es liegt nicht nur an der fehlenden linken Alternative, dass die FPÖ wächst, sondern auch daran, dass es in Österreich (im Gegensatz zu z.B. Frankreich) wenig Erfahrung mit Widerstand von unten gibt. Das führt zwangsläufig dazu, dass Menschen eher dazu neigen “nach unten zu treten” indem man z.B. Migrant*innen, die Schuld an sozialen Problemen gibt. Echte Veränderungen entstehen vor allem durch Massenproteste und Streiks und nicht durch parlamentarische Manöver. 

Trotzdem können linke Kräfte im Parlament eine wichtige Rolle beim Aufbau genau dieser Bewegungen spielen und zu deren Sprachrohr werden. Das ist die wichtigste Aufgabe von jedem Projekt auf der parlamentarischen Ebene. Das wäre auch wichtig im Wahlkampf um die SPÖ-Spitze. Es besteht die Gefahr, sich nach innen zu wenden und vor allem die wenigen verbliebenen Mitglieder und Funktionär*innen anzusprechen - leider deuten die ersten Interviews und Statements von Babler darauf hin. Im Gegensatz dazu ist es nötig bereits im Wahlkampf um die SPÖ-Spitze die Logik von Mandaten und Stellvertreter*innenpolitik zu durchbrechen und eine Bewegung für eine echte Alternative innerhalb und außerhalb der Partei aufzubauen. Das bedeutet einerseits ein Programm, dass echte Antworten auf die drängendsten Fragen der Arbeiter*innenklasse und Jugend gibt: eine automatische Anpassung der Löhne und Gehälter an die Inflation, eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich, gleiche Rechte für alle Menschen die hier leben, massive Investitionen in den Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich statt Geld für Superreiche, Konzerne und Aufrüstung, 228 Millionen sofort für Gewaltprävention, die Verstaatlichung von Energiekonzernen um einerseits die Energiewende sicherzustellen und andererseits günstige Energie für alle sicherzustellen. Bablers Programm zu Wahl ist zwar eine erfrischende Abwechslung im Vergleich zur etablierten Politik, geht aber nicht wirklich weit genug, bleibt teilweise vage und lässt vor allem die Frage, wie man diese Forderungen erkämpfen kann, offen. Andreas Babler tritt - ähnlich wie Doskozil - hemdsärmelig auf. Er versteht, dass der Unmut über die politische Elite groß ist. Hier braucht es aber mehr als ein “volksnahes” Auftreten. Authentizität heißt auch, dass das der eigene Lebensstandard nicht über jenem derer liegen kann, die man vertreten will: Das Bekenntnis nicht mehr als einen Facharbeiter*innenlohn für politische Vertreter*innen (ähnlich wie das die KPÖ Steiermark vertritt) ist hier ein wichtiges Signal. 

Der Aufbau einer Bewegung für die Interessen der Arbeiter*innenklasse bedeutet eine Frontalopposition zu allen Regierungen in Bund und Ländern und würde auch bedeuten, kritische Opposition zur Politik der Gewerkschaftsführung aufzubauen statt zu versuchen sich mit der Gewerkschaftsführung gut zu stellen, die ihre Aufgabe im Kampf für notwendige Verbesserungen nicht erfüllt. Auf dieser Basis könnte Andreas Babler die zentrale Rolle im Aufbau einer echten Bewegung mit Aktiven-Konferenzen, Kundgebungen und Protesten spielen, die den Grundstein für eine politische Alternative legen - unabhängig davon, wie genau diese Wahl ausgeht. Die ISA wird Initiativen von Andreas Babler in diese Richtung aktiv unterstützen, um uns am Aufbau so einer Bewegung zu beteiligen. 

Sieg oder Niederlage - die Vorsitzwahl darf nur eine Etappe werden

Ganz egal ob es in der SPÖ noch genug Leben gibt, um Andreas Babler zum Vorsitz zu verhelfen, die Wahlen werden auf jeden Fall eine Chance sein linke Inhalte einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sollte Babler die Wahl tatsächlich gewinnen wird es von zentraler Bedeutung sein, die Lehren aus den Erfahrungen von Corbyn zu ziehen. Ein Vorsitzender Babler hätte den gesamten Apparat gegen sich, müsste mit Politik und Ausrichtung der SPÖ und ihrer Verbindung mit dem österreichischen Kapital brechen. Das muss mit einer grundsätzlichen Umgestaltung der SPÖ einhergehen, um die Partei aus einer vollständig auf den parlamentarischen Prozess orientierten etablierten Partei zu einer Partei zu machen, die aktiv soziale Bewegungen, Widerstand und Klassenkampf organisiert. Die Erfahrungen von Corbyn in Großbritannien zeigen die Herausforderungen, die in so einer Situation entstehen würden. Nach seinem Sieg war er permanenten Angriffen bis hin zu einem Boykott von weiten Teilen des Partei-Establishments ausgesetzt (hier eine Stellungnahme unserer damaligen britischen Schwesterorganisation zum Wahlsieg Corbyns: https://www.slp.at/artikel/jeremy-corbyn-die-labour-party-7139). Wenn Babler als SPÖ-Vorsitzender einen konsequenten Kurs einschlägt, würde es ihm ähnlich gehen. Dem kann man nur durch eine grundsätzliche Umgestaltung, Öffnung und Demokratisierung der gesamten Partei entgegenwirken. Wenn sich Babler an das SPÖ-Partei-Establishment anpasst oder versucht mit ihm zu arrangieren, wird sich trotz neuem Vorsitz wenig an der SPÖ ändern und Tausende, die sich für seine Kandidatur begeistern, werden enttäuscht zurückbleiben. 

Falls - und das ist wahrscheinlicher - ein Wahlerfolg nicht gelingt, wird sich die Frage stellen, wie weiter mit der gewonnenen politischen Aufmerksamkeit und Organisierung umzugehen. Der Versuch, sie zu nutzen, um die SPÖ zu transformieren, ist zum Scheitern verurteilt. Ein Kampf in den existierenden bürokratischen und undemokratischen Gremien der Sozialdemokratie würde enorm viel Zeit und Energie von Aktiven verschwenden - ohne viel Chance auf Erfolg. In der gesamten Geschichte der SPÖ seit 1945 gibt es kein einziges Beispiel für einen erfolgreichen Linksruck der Partei. Diese Energie wäre viel besser investiert im Aufbau einer Bewegung gegen Pflegenotstand, Teuerung und Rechtsruck gemeinsam mit Tausenden außerhalb und innerhalb der Partei. Im Rahmen so einer Bewegung muss auch die Diskussion darüber, wie eine politische Alternative geschaffen werden kann, eine zentrale Rolle spielen. Eine Partei ist ein Instrument für den Kampf für Veränderung, wird sie zum Hindernis, braucht es ein anderes! Wir sind der Meinung, dass der einzige Weg in diese Richtung ein Zusammenkommen von Aktiven aus sozialen Bewegungen (z.B. aus dem Gesundheits- und Sozialbereich, der Klimabewegung, feministischen Protesten), von kämpferischen Gewerkschafter*innen sowie linken Gruppen und Parteien den Kern einer Alternative darstellen kann. Aber nur wenn sie sich darauf konzentriert, eine Verankerung in Klassenkämpfen und sozialen Bewegungen aufzubauen und diese voranzutreiben.

Sozialistische Alternative notwendig!

Wenn Babler rund um seine Kandidatur oder danach eine breitere Bewegung aufbaut, werden wir uns daran beteiligen. Am 1. Mai wird die ISA in mehreren österreichischen Städten rund um diese Position in die SPÖ-Aufmärsche intervenieren.

Wir betonen, dass wir einen politische Alternative brauchen, die auch die Notwendigkeit aufzeigt, grundsätzlich mit diesem System zu brechen. Als ISA beteiligen wir uns am Kampf um jede echte Verbesserung, aber gleichzeitig erkennen wir, dass sogar in einem der reichsten Länder der Welt dieses System immer stärker versagt: der Lebensstandard sinkt, immer mehr Menschen sind von Armut betroffen, die Weltwirtschaft steht vor einer neuen Krise, der Gesundheits-, Bildungs- und Sozialbereich steht in Teilen vor dem Kollaps, Frauenunterdrückung, Femizide und Rassismus nehmen zu und dazu kommt die sich verschärfende Klimakrise. Für all diese Krisen gibt es keine Lösung innerhalb des Kapitalismus. Sogar für kleinere Reformen gibt es kaum Spielraum in diesem System. Jede politische Kraft, die sich auf solche kleine Reformen beschränkt ohne eine grundsätzliche Systemveränderung anzustreben, wird scheitern. Dafür sehen wir zahlreiche Beispiele von der linken Syriza-Regierung in Griechenland bis zu den aktuellen linken Regierungen Lateinamerikas. Deshalb unterstützen wir als ISA jeden Versuch in Richtung linker Neuformierung, der einen Schritt vorwärts im Aufbau von Widerstand, Klassenkampf und einer neuen Kampfpartei für Arbeiter*innen, Frauen, Migrant*innen und Jugendliche bedeutet. Und wir verbinden den Aufbau einer solchen Kampfpartei mit der Notwendigkeit einer tatsächlichen sozialistischen Alternative. 

 

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