Sa 25.11.2006
Links von Sozialdemokratie und Grünen besteht ein Vakuum. Zu diesem Schluss kam kürzlich das „Komitee für eine andere Politik“ in Belgien. In den Niederlanden wird dieses bestehende Vakuum von Jan Marijnissens Sozialistischer Partei (SP) ausgefüllt.
Es folgt ein Artikel von der Homepage unserer belgischen Schwesterorganisation, der Linkse Socialistische Partij/Mouvement pour une Alternative Socialiste (LSP/MAS). Die LSP/MAS ist ob des Fehlens einer breiten Partei in Belgien, die für die Interessen der einfachen arbeitenden Menschen links von der immer rechter auftretenden Sozialdemokratie eintritt (wie die SAV in Deutschland und die SLP in Österreich; Anm. d. Übers.) sehr erfreut über den Erfolg der SP in den Niederlanden. In Belgien selbst beteiligt sich die LSP/MAS am Aufbau einer breiten linken und kämpferischen Formation, dem Komitee für eine andere Politik.
Aus den Parlamentswahlen am 22. November ging die SP als der große Gewinner mit 26 Sitzen gegenüber vormals 9 Sitzen (seit 2003) hervor. Mit 1.624.349 Stimmen (das entspricht 16,6% und ist damit eine Steigerung um 10% gegenüber 2003) ist die SP nicht länger als kleine Partei zu bezeichnen, sie ist nun die drittstärkste Partei nach der konservativen CDA (Christlich demokratische Allianz) und der sozialdemokratischen PvdA (Partei der Arbeit).
Die Wahlen waren eine Niederlage für die Rechte: Die CDA von Premierminister Balkenende verlor drei Sitze, ihr liberaler Koalitionspartner VVD bekam eine Abfuhr und verlor sechs Sitze. Die sozialdemokratische PvdA unter Wouter Bos verlor 10 ihrer bis dato 42 Sitze.
Das starke Abschneiden der SP ist Ausdruck der Unzufriedenheit über die jahrelange „Reform“-Politik, die Angriffe auf den Lebensstandard der Beschäftigten und ihrer Familien.
Laut Centraal Bureau voor de Statistiek (= vergleichbar dem statistischen Zentralamt; Anm. d. Übers.) sank das verfügbare Einkommen der niederländischen ArbeiterInnen 2005 im vierten Jahr infolge. Gegenüber 2004 sank das verfügbare Einkommen im letzten Jahr um 0,7%. Dennoch wollen die etablierten Parteien auf dieser Grundlage fortfahren. Die CDA von Balkenende formulierte in ihrem Programm die Notwendigkeit einer Verlängerung der Arbeitszeit ohne Einkommenszuwächse.
Auch die soziale Absicherung der vergangenen Jahre soll geplündert werden. Dies führte bereits zum Widerstand von mehr als 300.000 TeilnehmerInnen an einer landesweiten Demonstration in 2004 und der jüngsten Ablehnung der europäischen Verfassung, einem Projekt, das zurecht als neoliberales Instrument der Unternehmer angesehen wurde.
Die SP konnte nun so gut bei den Wahlen abschneiden, weil die Partei als „anders als die anderen“ gesehen wird. Jan Marijnissen, SP-Vorsitzender, erklärte, dass der Wahlausgang zeigt, dass die Bevölkerung eine „menschlichere und sozialere“ Politik will. Die Partei hat unter weiten Teilen der niederländischen ArbeiterInnenklasse enorme Erwartungen geweckt.
Dadurch fällt der SP auch eine große Verantwortung zu. Wir hoffen, dass die SP sich nicht vor den Karren der etablierten Parteien spannen lässt. Wird „Mitbestimmen“ als das Ziel aufgestellt, ist es möglich, dass viel zu große Zugeständnisse an die etablierten Parteien gemacht werden. Wenn die SP sich in das neoliberale Projekt mit einschalten sollte, müsste sie dafür einen überaus hohen Preis bezahlen. Natürlich herrscht Druck, auf positive Weise Veränderungen bewirken zu wollen, aber wäre so etwas in einer Koalition mit Balkenende möglich? Jan Marijnissen macht immer mehr den Eindruck, als sei er für diese Option zu haben.
Die Unternehmerschaft verlangt nach weiteren „Reformen“ des Sozialstaats und will auch bei den Löhnen Einsparungen durchsetzen. Eine starke SP kann eine wichtige Waffe sein gegen die neoliberale Offensive. Dazu ist es notwendig, dass die Partei aktiv am Widerstand gegen die heutige Politik teilnimmt und diesem Widerstand eine politische Stimme gibt.
Unsere niederländische Schwesterorganisation Offensief ist auf kritische Weise aktiv in der SP. Wir treten für eine kämpferische und konsequente Ausrichtung der Partei ein. Daher sind wir gegen die Teilnahme an einer Koalition mit einer neoliberalen Partei und für den aktiven Bezug auf die zehntausenden Mitglieder und SympathisantInnen der SP. Auf diese Weise kann die SP weiter ausgebaut werden als politisches Instrument für die Belange der ArbeiterInnen und ihrer Familien.