Di 04.07.2006
“Der ORF hat zwei brennende Probleme: das Niveau des Programms sinkt und der politische Druck steigt. Beides schadet dem ORF sehr. Daher muss der ORF daran erinnert werden, dass nur die Erfüllung des öffentlich-rechtlichen Auftrags die Gebühren rechtfertigt, und die Regierung muss daran erinnert werden, dass ihr der ORF nicht gehört.” Mit diesen Worten beginnt der Aufruf von SOS-ORF, den immerhin über 60.000 Personen inzwischen unterschrieben haben.
Das Rad der Geschichte zurückdrehen?
Man tut hier so, als wäre in dieser Zeit ein unabhängiger, kritischer Journalismus zu 100% beim ORF möglich gewesen. Aber der ORF ist wirtschaftlich und politisch in dieses System eingebunden. Freilich, man merkt sowohl eine andere politische Einflussnahme, als auch eine extreme Verschlechterung der Arbeitsbedingungen dort. Doch wie schauen diese Rahmenbedingungen, und auch diese Verschlechterungen im Detail aus? Immer schon war der ORF ein Interventionsfeld verschiedener Interessensvertretungen und Parteien. Diese Situation hat sich in den letzten Jahren offensichtlich so weit Richtung ÖVP und zuungunsten der meisten Beschäftigten verschoben, dass es inzwischen schon jedem auffällt. Die “Generaldirektorin von Bundeskanzler Schüssels Gnaden” Monika Lindner hat nach ihrer Ernennung 2002 verschiedene wichtige redaktionelle Positionen neu besetzt. “Zunehmender Druck im Unternehmen und politische Zensur sind für die meisten ORF-MitarbeiterInnen unerträglich geworden. Schuld daran ist auch die Packelei des ORF-Zentralbetriebsrates rund um den Vorsitzenden Fiedler, die diese Politik erst ermöglicht hat”, so Dr. Georg Tidl, der geschäftsführende Vorsitzende der Bundesfachgruppe Multimedia und Informationsdienstleistungen” in der Kommunikationsgewerkschaft GPF. Beim ORF-Fernsehen ist mittlerweile keiner und keine der Kameraleute mehr angestellt, es wurde eine ganze Berufsgruppe auf prekäre Arbeitsbedingungen umgestellt oder ausgegliedert. Ähnlich schaut es in anderen Bereichen aus. Und da gliedert sich der ORF genau in die generelle Verschlechterung von Arbeitsbedingungen in dieser Zeit ein. Was tut der Betriebsrat dagegen, aber wo bleiben auch die Gewerkschaften? All diese konkreten Fragen klammert die Unterschriftenaktion aber eigentlich aus.
Einige grundsätzliche Überlegungen
In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wird immer wieder diskutiert, inwieweit die Medien als 4. Gewalt im Staat zu bezeichnen sind. Doch so wie die Gewaltenteilung zwischen Parlament, Exekutive und den Gerichten in der Realität nur ein theoretisches Modell darstellt, ist auch die Idee “unabhängiger” Medien eine blanke Illusion. Praktisch alle Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften), aber auch die privaten Radios und Fernsehanstalten, sind alleine auf Werbung angewiesen. Werbung ist sicher vor allem zielgruppenorientiert – aber nicht nur: Wenn Medien unliebsam berichten, hat dies natürlich auch einen Einfluss auf die Vergabe der Werbung. Somit kann im Endeffekt über den Fortbestand des Mediums entschieden werden, wenn das Unternehmen nicht, wie in vielen Fällen, eh direkt am Medium in Form von Eigentums-Anteilen beteiligt ist. Der ORF agiert in und auf diesem Markt – das ist das eigentliche Problem. Er schielt auf Werbeaufträge und (deshalb) auf Quotenheuler. Die Initiative SOS ORF kritisiert diesen Umstand überhaupt nicht, selbst ein grundsätzliches Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk fehlt. Auch die Forderungen zur inneren Strukturreform haben mit einer Demokratisierung des ORF nichts zu tun: Wer bestimmt wer im “unabhängigen und kompetenten Aufsichtsrat” sitzt, wer entscheidet nach einem “öffentlichen Hearing” über die Besetzung der Generaldirektion? Wollen wir wirklich eine “Unabhängigkeit” des ORF wie sie Krone, Standard und Presse täglich vorgaukeln oder eine echte Vertretung von ArbeitnehmerInnen, Frauen, Jugendlichen, und MigrantInnen - Gruppen, die sich in den Gremien, aber auch in der Berichterstattung des ORF zur Zeit kaum wiederfinden.
Medien mit (Klassen)-Standpunkt nötig
Neben der Frage des ORF drückt sich am Mediensektor auch eine politische Schwäche der ArbeiterInnenbewegung aus. Die Gewerkschaften verfügen z.B. mit der “Solidarität” und dem Sender ATV Plus zwar theoretisch über wichtige Instrumente auch politisch/ideologisch “Gegenmacht” in der Gesellschaft aufzubauen. Doch was bringt ATV Plus: Hetze gegen Streikende und “Bauer sucht Frau”. Die Zeitung “Vorwärts” ist demgegenüber die einzige sozialistische Monatszeitung in Österreich, die zudem bewusst ohne Inserate (!) und damit unabhängig von Banken und Konzernen herausgegeben wird. Seit 1983 bemühen wir uns in diesem Sinne um einen klar “abhängigen” Standpunkt: Abhängig von den Interessen der ArbeiterInnen und Jugendlichen in Österreich und auf internationaler Ebene.