Mo 03.08.2015
Philip Locker ist politischer Geschäftsführer der Wiederwahl-Kampagne von Kshama Sawant und Bundessprecher von Socialist Alternative
Kshama steht zur Wiederwahl und bekommt in Umfragen 61% Zustimmung, den höchsten Wert aller Stadtratsmitglieder in Seattle. Wie wahrscheinlich ist, dass sie wiedergewählt wird?
Ich bin zuversichtlich, dass Kshama wiedergewählt wird. Sie hat für die Lohnabhängigen in Seattle echte Verbesserungen erreicht. Aber wir dürfen uns nicht auf den Erfolgen ausruhen. Dieser Wahlkampf wird extrem hart geführt werden, gerade weil unsere Erfolge die Möglichkeiten und den Wert von unabhängiger Politik für die Arbeiterklasse gezeigt haben.
Die großen Konzerne und das Establishment der Demokratischen Partei sind entschlossen, dieses Beispiel zu beseitigen. Es geht also um viel.
Unsere GegnerInnen erkennen genauso wie wir, dass die Wiederwahl Kshamas ein historischer Sieg sein wird, der zur Entstehung weiterer unabhängiger linker Kandidaturen in Seattle und landesweit beitragen wird. Wir wissen, dass es für den Bürgermeister und die Handelskammer bei dieser Wahl oberste Priorität hat, Kshama zu besiegen und natürlich agieren sie taktisch klug. Sie haben keinen offen für Konzerninteressen stehenden Gegenkandidaten aufgestellt. Stattdessen haben sie eine Kandidatin gefunden, die als langjährige Bürgerrechts- und Stadtteilaktivistin antritt. Sie gibt sich als fortschrittliche Kraft, genau wie Kshama, behauptet aber sie sei „kooperativ“ und könne daher mehr erreichen und effektiver arbeiten.
Welche Themen sind bei dieser Wahl für ArbeiterInnen am wichtigsten?
Das größte Problem ist der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Seattle ist die US-Großstadt mit den am schnellsten steigenden Mieten. Immer wieder werden Menschen durch Mieterhöhungen um 10, 20, 50 oder 100% gezwungen, umzuziehen. Wir bezeichnen solche Mieterhöhungen als „ökonomische Zwangsräumung“.
Aktuell haben ImmobilienbesitzerInnen, Bauunternehmen und VermieterInnen das Rathaus politisch unter Kontrolle. Die Stadtverwaltung gewährt milliardenschweren Immobilienunternehmern wie Paul Allen seit Jahren Steuergeschenke und Gefälligkeiten, während für die Rechte von MieterInnen und kleinen EigenheimbesitzerInnen nichts getan wird.
Kshama tritt mit klaren Forderungen für bezahlbaren Wohnraum an. Dazu gehören eine Mietobergrenze, eine Verpflichtung zum Bau von bezahlbarem Wohnraum und ein Ende der staatlichen Geschenke an Immobilienunternehmen. Sie unterstützt auch kleinere Reformvorschläge zur Stärkung der Rechte von MieterInnen, zum Beispiel eine Verpflichtung, MieterInnen mindestens sechs Monate vor einer geplanten Mietsteigerung um 10% oder mehr darüber zu informieren.
Aber mittelfristig ist aus meiner Sicht Kshamas Plan für den Bau von Tausenden hochwertigen, städtischen Wohnungen am wichtigsten, die zu unterdurchschnittlichen Mieten als bezahlbare Alternative zum außer Kontrolle geratenen privaten Wohnungsmarkt angeboten werden sollen.
Warum ruft Socialist Alternative zum Aufbau einer unabhängigen politischen Alternative zu den Demokraten auf? Ist Kshamas Wahlkampf Teil eines solchen Aufbauprozesses?
Definitiv. Der Kampf um die Wiederwahl von Kshama ist eine entscheidende Auseinandersetzung für Alle, die in den USA unabhängige, linke Politik unterstützen. Die Mehrheit der ArbeiterInnen und Jugendlichen haben von unserem kaputten politischen System vollkommen die Nase voll. JedeR weiß, dass die Großkonzerne und Superreichen das politische System und beide Parteien, Republikaner und Demokraten, gekauft haben um ihre Interessen zu vertreten.
In Seattle trägt die politische Vertretung der Großkonzerne den Namen Demokratische Partei. Bevor Kshama gewählt wurde, bestand der Stadtrat zu 100% aus Demokraten und dieser Stadtrat und der Bürgermeister haben jedes Jahr riesige Summen an Immobilienkonzerne verschenkt, während für ArbeiterInnen die Mieten ins unermessliche gestiegen sind und die Löhne stagnierten.
Wir hoffen, dass das was Kshama hier in Seattle erreicht hat – indem sie sich mit den PolitikerInnen der Konzerne angelegt und gewonnen hat – im ganzen Land als Beispiel dient. Wir wollen die Wiederwahl von Kshama zum Anlass nehmen, eine landesweite Debatte unter GewerschaftsaktivistInnen zu eröffnen. Warum spenden Gewerkschaften hunderte von Millionen Dollar an die Demokratische Partei, die den Wünschen der Wall Street vollkommen ergeben ist? Warum stellen Gewerkschaften, Bürgerrechtsorganisationen, UmweltschützerInnen und fortschrittliche Kräfte nicht gemeinsam eigene, unabhängige WahlkandidatInnen auf, anstatt die eine oder andere Version der Politik des Establishments zu unterstützen?
Welche Lehren können wir aus der Kampagne für 15$ Mindestlohn in Seattle ziehen?
Zu oft glauben AktivistInnen, dass sie ihre Forderungen aufweichen müssten, um sich der „normalen Politik“ anzupassen. Aber wenn linke KandidatInnen entschlossen gegen das politische und wirtschaftliche Establishment antreten, werden sie damit nicht weniger attraktiv, sondern können Unterstützung aus neuen Bereichen gewinnen.
Der Kampf für 15$ unterstreicht diesen Punkt: es gab in Seattle viel mehr Enthusiasmus und Kampfbereitschaft für eine deutliche Erhöhung, für 15$ Mindestlohn, als für die extrem begrenzten Vorschläge der Demokraten auf lokaler und nationaler Ebene. Jetzt sehen wir, dass einige LokalpolitikerInnen 15$ unterstützen, aber sie reagieren nur auf den Druck der Bewegung, die wir aufgebaut haben. So oder so lehnen Walmart und McDonald’s jede ernsthafte Lohnerhöhung vehement ab. Es ist also entscheidend, Forderungen aufzustellen die für unsere Seite am stärksten mobilisierend wirken, um den Widerstand der Konzerne zu brechen. Mit der 15$-Forderung ist das gelungen.
Um die Dinge wirklich zu verändern, müssen wir die Mehrheit der schlecht bezahlten ArbeiterInnen, die unter enormen Schulden leidenden Studierenden und andere AktivistInnen davon überzeugen, dass es sich lohnt ihre Zeit und ihr Geld in unsere Wahlkampagne zu investieren, weil wir für entscheidende Veränderungen kämpfen, die sich wirklich auf ihr Leben auswirken werden.