Mi 17.10.2001
Letztes Wochenende gab es eine riesige Welle von Antikriegsprotesten gegen die US- und britischen Angriffe auf Afghanistan. Eine gewaltige Massenmobilisierung von bis zu 500.000 fand in Italien statt, die von der Rifondazione Communista (PRC) bestimmt war. London erlebte den größten Protest seit Jahren als 50.000 gegen den "Krieg" auf die Straße gingen. Tausende gingen ebenfalls in Berlin und anderen europäischen Städten auf die Straße. Indonesien, Sri Lanka und andere Länder in der neokolonialen Welt wurden von größeren Demonstrationen erschüttert. Diese und andere Proteste bestanden hauptsächlich aus jungen Menschen, was die wachsende Wut und Opposition gegen die US- und britischen Handlungen als Reaktion auf den Massenterroranschlag in den USA am 11. September ausdrückt.
Die wachsende Welle internationaler Proteste findet statt, während der US-Imperialismus vor größeren Problemen und Schwierigkeiten bei der Verfolgung seines "Krieges gegen den Terrorismus" steht. Nach mehr als einer Woche intensiver Bombardierungen werden die Probleme für den US-Imperialismus täglich akuter. Trotzdem ist es klar, dass Bush und Blair entschlossen sind, mit dieser Kampagne weiterzumachen, obwohl sie anscheinend keine klare Idee haben, was sie als nächstes tun sollten.
Eines der auffallendsten Merkmale der letzten paar Tage war, dass der US-Imperialismus den "Propagandakrieg" verloren hat, besonders unter den arabischen Massen. Dies ist keine Frage der Außendarstellung, was die herrschende Klasse der USA nach Meinung mancher kapitalistischer Kommentatoren nicht wirksam genug mache.
Hass auf den Imperialismus
Dass der US-Imperialismus den Propagandakrieg verloren hat, hat objektive Gründe. Es gibt einen brennenden Hass auf den westlichen Imperialismus, besonders den US-Imperialismus, unter den Massen in der neokolonialen Welt. Dies ist eine Folge der schrecklichen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse, dies es in der neokolonialen Welt gibt. Es ist ein Produkt der imperialistischen Beherrschung der neokolonialen Welt, die besonders durch die US-Außenpolitik betrieben wurde. Wiederholt wurden historische Versprechen vom Imperialismus gebrochen. Der Kommentator Robert Fisk wies im Zusammenhang mit Bin Ladens Rede darauf hin: "Er (Bin Laden) bezog sich besonders auf den Vertrag von Sèvres 1920, der von den alliierten Siegermächten geschrieben wurde, der - nach 600 Jahren von Sultanaten und Kalifaten - den letzten Traum von arabischer Einheit zerstörte." (Londoner Independent, 17. Oktober)
Das Durchschnittseinkommen pro Kopf der Bevölkerung ist in den USA 34.260 US-Dollar. In den "islamischen Ländern" von Bangladesch bis Marokko ist es weniger als 3.700 Dollar. Als die Welt 2000 in ein neues Jahrtausend eintrat, starb in Afghanistan jedes vierte Kind wegen Krieg und Armut vor dem fünften Geburtstag!
Das Leiden des palästinensischen Volks und der Tod von Hunderttausenden und vielleicht bis zu einer Million irakischer Kinder durch die Wirtschaftssanktionen wurde eine offene Wunde, die die arabische und moslemische Welt wütend gemacht hat.
Und doch klagt der US-Imperialismus immer noch über den Mangel an "Dankbarkeit" der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas. Die Washington Post beklagt sich: "Seit dem Ende des Kalten Krieges haben die Vereinigten Staaten ein Jahrzehnt mit der Förderung von Demokratisierung, Menschenrechten und Wirtschaftsentwicklung verbracht; wenn das mit blindem Hass gedankt wird kann man fragen, ob man weitermachen soll. Denn bei allen Beschwerden über amerikanischen Isolationismus scheint es manchmal, dass gerade Engagement Feindseligkeit hervorruft." (International Herald Tribune, 17. Oktober)
Nicht wenige irakische oder palästinensische Kinder habe das letzte Jahrzehnt von durch die herrschende Klasse der USA geförderter Demokratie, Menschenrechten und wirtschaftlicher Entwicklung wohl verpasst!
Das CWI verurteilt die nicht zu verteidigenden Angriffe in den USA, die Tausende arbeitender Menschen töteten. Osama bin Laden und seine al-Qa'ida-Organisation vertreten reaktionäre Politik und Ideen, wie wir in anderen Artikeln erklärt haben. Der Hass auf den Imperialismus in der neokolonialen Welt hat ihm jedoch ermöglicht, sich und seine Organisation in Köpfen von vielen in der arabischen und neokolonialen Welt mit einem Kampf gegen den westlichen Imperialismus und die willfährigen herrschenden Eliten, die in Saudi-Arabien und anderen arabischen Ländern herrschen, zu verbinden.
In seinem bald erscheinenden Buch "Heiliger Krieg AG", zitiert Peter Bergen Bin Laden: "Der Zusammenbruch der Sowjetunion machte die USA überheblicher und sie hat angefangen, sich als den Herrn dieser Welt zu betrachten und das geschaffen, was sie die neue Weltordnung nennt. Die USA hat heute doppelte Standards geschaffen und nennt jeden, der gegen ihre Ungerechtigkeit aufsteht, einen Terroristen. Sie will unsere Länder besetzen, unsere Ressourcen stehlen, uns ihre Agenten als Herrscher aufzwingen ... und will, dass wir all dem zustimmen." Erklärungen wie diese von Bin Laden und der Angriff des US-Imperialismus haben trotz der reaktionären Ideen, die er und seine Organisation verteidigen, die Gefühle der Massen in den arabischen und moslemischen Ländern angesprochen.
Obendrein sehen die Massen in den arabischen und moslemischen Ländern die Angriffe als einen "Krieg" gegen sich selber, je mehr das Bomben weitergeht. Sie weisen die Behauptung des US-Imperialismus zurück, dass sie gegen den "Terroristen Bin Laden und seine al-Qa'ida-Organisation" gerichtet seien. Zum Schrecken des westlichen Imperialismus hat dies Bin Laden in eine Lage gebracht, die kapitalistische Kommentatoren als "Gewinn-Gewinn"-Lage bezeichnen.
Es gibt keine einheitliche Reaktion in allen Ländern der neokolonialen Welt. In manchen Ländern hat der US-Krieg gegen Afghanistan die innenpolitische Lage verkompliziert, indem er religiöse Spaltungen verstärkt hat. Zum Beispiel gab es in Nigeria weitverbreitete Krawalle zwischen moslemischen und christlichen Banden in der letzten Woche in mindestens drei nördlichen Städten (wo ChristInnen die Minderheit sind). Bei diesen Zusammenstößen gab es Dutzende Tote und Hunderte Verletzte. Die Krawalle folgten Anti-US-Demonstrationen, die nach Freitagsgebeten von moslemischen Gruppen organisiert wurden.
Der US-Imperialismus wurde durch die Feindseligkeit, die es gegen ihn besonders in der neokolonialen Welt gibt, überrascht. Wie Bushs neu ernannte Unterstaatssekretärin für öffentliche Diplomatie, Charlotte Beers, zugab: "Ich war ein bißchen schockiert, wie schwierig es ist, eine Botschaft rüberzubringen". Ein anderer Analyst, der Direktor für Nahoststudien an der School of Advanced International Studies [Schule für fortgeschrittene internationale Studien] an der St. Johns Hopkins University ging noch weiter: "Es ist hoffnungslos, man wird uns nicht zuhören. Ich denke, wir sind von diesen Gesellschaften tief entfremdet, bis zum äußersten." (International Herald Tribune, 16. Oktober).
Die Haltung der ArbeiterInnen in den westlichen imperialistischen Ländern gegenüber dem Krieg ist sehr im Fluss. In den meisten, aber nicht in allen europäischen Ländern unterstützt die Mehrheit der Bevölkerung wahrscheinlich immer noch die Idee, dass "etwas getan werden muss". Es gibt jedoch keine Hurra-Haltung für den Krieg. Die meisten ArbeiterInnen glauben, dass "etwas" gegen die getan werden muss, die die schrecklichen Angriffe in den USA durchgeführt haben, aber an der Fortsetzung der Bombardierung und der Entwicklung des "Krieges" gibt es viele Zweifel.
Es gibt Zweifel und ungeheures Misstrauen gegen Bush, Blair und andere kapitalistische Führer. Dies ergibt sich aus der Angst, dass die Ereignisse außer Kontrolle geraten. Dies spiegelte sich sogar in Britannien wider, wo es in der Frage des Konflikts praktisch eine "Große Koalition" gibt. Sechs Labour-Abgeordnete brachten einen Antrag ein, der einen Prozess gegen Bin Laden fordert. Außenminister Jack Straw griff sie als "Beschwichtiger" an. Sie wurden jedoch sogar vom Revolverblatt Daily Mirror verteidigt, das die Sorgen großer Teile der Bevölkerung widerspiegelt. In Deutschland hat es eine offene Spaltung in der Regierung gegeben, da führende Mitglieder der Grünen für eine Unterbrechung der Bombardierungen aufgetreten sind.
Natürlich würden weitere terroristische Anschläge in den US, Britannien oder anderen Ländern der herrschenden Klasse erlauben, Unterstützung für weitere Angriffe und Militärintervention hochzukurbeln.
Der "Propagandakrieg" des US-Imperialismus wurde durch Beweise für eine wachsende Zahl von zivilen Opfern oder - um den obszönen Ausdruck der imperialistischen Generäle zu verwenden - "Kollateralschäden" weiter beschädigt. Gleichzeitig gibt es die menschliche Katastrophe des Leids von Millionen Flüchtlingen, während sich die afghanische Flüchtlingskrise entwickelt. Dies hat sogar UNO-Einrichtungen und andere Hilfsorganisationen das Bombardieren kritisieren lassen.
Ein kurzer Krieg?
Der US-Imperialismus steht jetzt auch vor anderen größeren Hindernissen. Jede Hoffnung auf einen "kurzen Krieg" ist verpufft. Es gibt eine Erwartung, dass er sich jetzt in einen langgezogenen Konflikt entwickeln wird. Dies ist kein "klassischer Krieg", nicht mal wie die Golf- oder Kosovakriege. Wie es die "Financial Times" formulierte: "...die gegenwärtige Operation ist eher eine gezielte Offensive als ein umfassender Krieg." (13. Oktober). Das unmittelbare Ziel des Imperialismus ist die Entfernung des Talibanregimes von der Macht und die Zerstörung von Bin Laden und al-Qa'ida als erster Schritt in Bushs "Krieg gegen den Terrorismus".
Das CWI und MarxistInnen haben die Methoden des Terrorismus durch kleine Verschwörergruppen immer abgelehnt, da sie den Interessen der arbeitenden Menschen auf keine Weise dienen und Massenmobilisierung und den Kampf der Arbeiterklasse und anderer Ausgebeuteter untergraben. Wir lehnen auch die Heuchelei des Imperialismus ab, der für das Abschlachten arbeitender Menschen auf der ganzen Welt verantwortlich ist, entweder durch seine direkte Intervention oder als Folge der Armut, die es unter dem Kapitalismus gibt.
"Terroristische" Gruppen sind ein Ausdruck von sozialen und objektiven Bedingungen. Ohne eine Arbeitermassenbewegung, die eine sozialistische Alternative zum Profitsystem übernommen hat, können aus den von Kapitalismus und Imperialismus geschaffenen sozialen Verhältnissen "terroristische" Organisation geboren werden.
Selbst bürgerliche Kommentatoren anerkennen jetzt, dass Bushs "Krieg gegen den Terrorismus" nicht kurz sein wird. Steve Crawshaw verglich in einem Artikel im britischen "Independent" den Konflikt in Afghanistan mit den "dreißigjährigen" Unruhen in Irland! Der britische "Observer" zitiert einen Beamten der US-Regierung mit den Worten: "Wenn man Knochenmarkskrebs hat, ist es nicht genug, den Fuß des Patienten zu amputieren. Man muss die Chemotherapie bis zum Ende durchführen. Und wenn das heißt, sich auf den nächsten Hundertjährigen Krieg einzulassen, dann machen wir das."!! Dame Stella Rimington, die frühere Chefin des britischen Geheimdiensts MI5 ging weiter und meinte, dass ein Krieg gegen den "globalen Terrorismus" scheitern wird!! Die Gründe für solche Schlussfolgerungen sind klar. Das Problem des "Terrorismus" zu lösen, erfordert, sich mit den sozialen Bedingungen zu befassen, die zu seiner Entstehung führen.
Es ist jedoch trotz dieser Warnungen klar, das es innerhalb der US-Regierung offene Meinungsunterschiede über die Kriegsführung gibt. Die vom stellvertretenden Verteidigungsminister Paul Wolfowitz geführten Falken gruppieren sich im sogenannten "Wolfowitzclique". Sie bereiten klar vor, den Kampf über Afghanistan hinaus auszudehnen. Rumsfeld, der US-Verteidigungsminister, ein weiteres Mitglied der "Clique" betrachtet die Militärkommandeure als zu vorsichtig und "konservativ".
Der "Wolfowitzclique" hat die jüngste Anthraxepidemie genutzt und bereitet die Rechtfertigung für die Ausdehnung des Krieges auf den Irak vor. Geheimtreffen wurden abgehalten, um eine Besetzung der Ölfelder von Basra, als Teil eines Planes zum Sturz des irakischen Regimes, zu planen und zu diskutieren,. Es ist bedeutsam, dass die "Taube" Powell bei all diesen Treffen ausgeschlossen war.
Dieser Kampf, weitgehend zwischen politischen "Falken" und "Tauben" in Generalsuniformen, spiegelt eine offene Spaltung innerhalb der herrschenden Klasse der USA wider. Wenn die Eigendynamik des Konflikt dazu führt, dass die "Falken" ihn über Afghanistan hinaus und in den Irak ausdehnen, wird der Nahe Osten und die ganze neokoloniale Welt in Flammen aufgehen. Gegenwärtig werden die weitest gehenden "Falkenpläne" von den "pragmatischeren Generälen" im Zaum gehalten. Es ist aber nicht sicher, dass das Kräfteverhältnis so bleiben wird, je nachdem, wie sich der Konflikt in Afghanistan und umliegenden Ländern entwickelt. In den letzten Wochen ist der "Wolfowitzclique" schärfer aufgetreten.
SozialistInnen und GegnerInnen des Krieges sollten sich aber nicht über Powells "demokratische und fortschrittliche Zuverlässigkeit" täuschen. Er war an der Nachschublieferung für die Contras in Nicaragua in den achtziger Jahren, dem US-Einmarsch auf Grenada und einem Versuch der Vertuschung des Mai-Li-Massakers (wo im Vietnamkrieg DorfbewohnerInnen von US-Soldaten zusammengeschossen wurden) beteiligt. Er ist aus dem Blickwinkel der Verteidigung der Interessen des US-Imperialismus einfach ein weitsichtigerer General.
Nach der ersten Woche des "nächsten Hundertjährigen Krieges" steht der US-Imperialismus schon vor größeren Problemen. Das unmittelbarste ist, was er in Afghanistan selbst machen soll. Das "Fenster der Gelegenheit" für weitere militärische Aktionen schließt sich mit dem Beginn des Winters und Herannahmen des Ramadan schnell. Der Beginn des Winters wird die Möglichkeit der Ausdehnung der Militäraktion sehr begrenzen. Diese Faktoren werden den unmittelbaren Konflikt ins nächste Jahr ziehen und aller Wahrscheinlichkeit nach wird ein Konflikt mindestens weitere zwei Jahre dauern, worauf der britische Stabschef hingewiesen hat. Er könnte "im Hintergrund" anderer weltweiter sozialer und wirtschaftlicher Unruhe weiter "rumpeln".
Was folgt den Taliban?
Ein weiteres Haupthindernis für den Imperialismus ist das Fehlen eines unmittelbaren Alternativregimes zu den Taliban. Die USA haben zwar begonnen, die Talibanfront zu bombardieren, aber die Nordallianz wurde von einer Offensive auf Kabul zurückgehalten. Sie wurde teils durch US-Ängste zurückgehalten, sie könnten Kabul einnehmen und ein eigenes Regime errichten. Ein Hauptfaktor dabei war der Druck des Muscharraf-Regimes in Pakistan, das fürchtet, dass eine auf die Nordallianz gestützte Regierung seine Interessen in der Region bedrohen würde.
Muscharraf spiegelte unmittelbare innenpolitische Interessen wider und drohte nach Berichten, Pakistans Luftraum für die USA zu schließen, wenn sie die "stillschweigende Vereinbarung" missachteten, der Nordallianz nicht zu sehr zu helfen. Obendrein stützt sich die Nordallianz auf Tadschiken und Usbeken und hat also eine enge ethnische Grundlage, die nicht die größte ethnische Gruppe der Paschtunen umfasst. Ein Regime, das sich allein auf diese Gruppen stützt, würde schnell in einen erneuten Ausbruch des Bürgerkriegs zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Kriegsherren abgleiten.
Wenn die USA den Eindruck erwecken würde, die Haltung der pakistanischen herrschenden Klasse in dieser Frage nicht zu berücksichtigen, würde Muscharrafs Stellung weiter untergraben werden und die Unterstützung für die islamischen Fundamentalisten würde weiter gestärkt.
Das Problem für den US-Imperialismus ist, welche Kraft vor Ort die Taliban stürzen wird wenn sie nicht die Nordallianz unterstützen? Die USA steht vor größeren Schwierigkeiten, ein multiethnisches Nach-Taliban-Regime zusammenzubasteln. Offensichtlich versucht sie, das Taliban-Regime zu spalten und zielt darauf ab, gewisse "gemäßigte Taliban" in eine künftige Koalition einzubeziehen, aber es ist nicht gewiss, dass sie das erreichen werden.
Die politische Schwierigkeit einer Alternative zu den Taliban wird durch taktische politisch/militärische Komplikationen verschärft. Das Herannahen von Ramadan und Winter bedeutet, dass die USA großen Zeitdruck haben, schnell zu handeln, um die nächsten Schritte zu unternehmen. Dies wird wahrscheinlich den Einsatz von Sondereinheiten - Delta Force aus den USA und der SAS aus Britannien - einschließen. Der Einsatz solcher Kräfte zur Jagd nach Bin Laden und führenden al-Qa'ida-Führern wird auch durch anscheinend begrenzte Geheimdienstinformationen behindert. Nach jüngsten Berichten war die Bush-Regierung "enttäuscht" über den Mangel an von der pakistanischen ISI gelieferten konkreten Information. Diese scheinen von manchen Teilen der Geheimdienste in Pakistan zurückgehalten zu werden. Die ISI und andere Teile des pakistanischen Staats halfen bei der Errichtung der Taliban und unterstützen sie immer noch.
So zitiert die "International Herald Tribune" eine hochrangige pakistanische Militärquelle: "Im Grunde sagen sie den ISI-Agenten, ihre ideologischen und traditionellen Verbindungen zu ihren afghanischen Freunden abzubrechen." Der General im Ruhestand Hamid Gul, der von 1987 bis 1989 ISI-Chef war, fügte hinzu: "Es wird zunehmend schwieriger wegen der Stimmung der Nation sowohl in Pakistan als auch in Afghanistan. Die Lage ist grundlegend anders als in den achtziger Jahren, denn da kamen die afghanischen Guerillagruppen und ihre ausländischen Verbündeten - einschließlich Herrn Bin Laden - zur ISI, um ihr zu helfen und gaben freigebig Informationen als Gegenleistung für Geld, Logistik und Waffen. Wir mussten damals nicht arbeiten, um an Informationen zu kommen." (International Herald Tribune, 17. Oktober).
Das Hauptproblem, vor dem der US-Imperialismus steht, die Errichtung einer arbeitsfähigen Alternative zu den Taliban, schafft die Aussicht, dass der Imperialismus gezwungen ist, Afghanistan in ein UN-Protektorat unter Einschluss anderer "islamischer Länder" zu verwandeln. Dies würde bedeuten, den Imperialismus in eine noch kompliziertere Lage hineinzuziehen als die, vor der er in anderen Protektoraten wie Bosnien steht.
Muscharrafs Haltung zur Nordallianz steht in deutlichem Kontrast zu der des iranischen schiitisch-moslemischen Regimes, das sie unterstützt. Der Iran war jetzt gezwungen, die Bombardierung öffentlich abzulehnen, versucht aber die Krise zu nutzen, um die Beziehungen zu den USA und dem westlichen Imperialismus weiter zu öffnen und seine Stellung als lokale Macht in der Region zu festigen.
Brennpunkte in Pakistan und Saudi-Arabien.
Es gibt eine wachsende Opposition in der ganzen arabischen und moslemischen Welt gegen die US-geführten Angriffe. Dies spiegelt sich besonders in zwei der sensibelsten Brennpunkte wider - Pakistan und Saudi-Arabien. Sie ist jedoch nicht auf diese beiden strategisch wichtigen Länder begrenzt. Dass Megawati, Präsidentin des größten moslemischen Landes Indonesien, ein Ende der US-Bombardierung gefordert hat, ist ein Indikator für die steigende Flut der Wut, die am Rand der Explosion ist.
Kapitalistische Kommentatoren haben versucht, sich zu beruhigen, dass Muscharraf bisher die Gefahr durch die islamischen Fundamentalisten eindämmen konnte und dass die jüngsten Proteste verhältnismäßig klein waren. Es wäre jedoch eine massive Fehlkalkulation, die Gefahr zu unterschätzen, dass Muscharraf gestürzt wird. Selbst Muscharraf begrüßte Powell mit einer Warnung, dass "gewiss eine Mehrheit des Volks gegen die Operation in Afghanistan ist."
Die Aussicht, dass die Entwicklung des Bürgerkriegs zur Zersplitterung Pakistans führt, ist eine Möglichkeit bei der Entfaltung der Krise. Der Versuch von über 5.000 Protestierenden, einen vom US-Imperialismus genutzten Luftwaffenstützpunkt in der Stadt Jakobabad im südlichen Sind zu besetzen, ist eine Warnung, wovor das Muscharraf-Regime stehen könnte. Muscharraf versucht verzweifelt, sicherzustellen, dass die Angriffe auf Afghanistan von kurzer Dauer sind. Wenn das nicht geschafft wird, wird es zu einer sozialen Explosion führen, wenn die Opposition gegen die USA und Muscharraf auf die Straße geht. Passive Opposition gegen US-Angriffe kann schnell zu aktiver Gegnerschaft von Muscharraf und seiner Regierung werden.
Colin Powell musste Pakistan und Indien besuchen, um Muscharraf zu stützen und auch den explosiven Konflikt in der Region zwischen Indien und Pakistan wegen dem umstrittenen Gebiet Kaschmir zu beruhigen - eine Aufgabe, die manche in der Washingtoner Regierung "Mission impossible" genannt haben. Mehr als 30.000 sind im letzten Jahrzehnt im Kaschmir-Konflikt gestorben. Die gegenwärtige Krise macht ihn potenziell noch gefährlicher.
Indisch-pakistanische Spannungen wurden als Ergebnis der Krise in Afghanistan weiter verstärkt. Das Hätscheln von Muscharraf durch den US-Imperialismus hat Brüche mit Indien erzeugt. Sowohl Indien als auch Pakistan versuchen, den gegenwärtigen Konflikt als Mittel zur Stärkung ihrer Stellung bezüglich Kaschmirs zu nutzen. Indien fürchtet auch, dass ein Zusammenbruch des Taliban-Regimes dazu führt, das Tausende von vertriebenen Kämpfern in Kaschmir ankommen und den islamischen Fundamentalismus stärken.
Indien will, dass der "Krieg gegen den Terrorismus" Maßnahmen gegen die von Pakistan gestützten bewaffneten Gruppen in Kaschmir einschließt. Jeder Schritt des pakistanischen Regime in diese Richtung würde seine innenpolitische Stellung weiter untergraben.
Der Konflikt in Kaschmir könnte schließlich zum Ausbruch eines vierten Krieges zwischen Indien und Pakistan führen, besonders wenn ein islamisch-fundamentalistisches Regime schließlich die Macht in Pakistan oder manchen seiner Regionen übernehmen würde, was zur Zersplitterung entlang nationaler Linien führen könnte.
Die Furcht des US-Imperialismus vor einer dieser Möglichkeiten war zum Teil der Grund, warum kürzlich Powells Besuch in der Region stattfand. Dass zwei größere Reisen von Vertretern des westlichen Imperialismus - Blair und Powell – in den ersten neun Tagen des gegenwärtigen Konflikts stattgefunden haben, zeigt die Ängste des US-Imperialismus wegen der Entwicklungen in dieser Region an. Dass sowohl Indien als auch Pakistan Atomwaffen haben, zeigt die mögliche Gefahr, die sich ergeben könnte, wenn die Lage außer Kontrolle gerät. Das jüngste Bombenattentat in Srinagar, der Hauptstadt des indisch besetzten Teil Kaschmirs, das von islamischen Fundamentalisten mit Basis in Pakistan durchgeführt wurde, zeigte das. Dem folgte Artilleriefeuer der indischen Armee gegen islamische Kräfte über die Kontrolllinie [die Waffenstillstandslinie zwischen Indien und Pakistan in Kaschmir].
Zusätzlich zu diesen Problemen steht der US-Imperialismus auch vor einer sich vertiefenden Krise in Saudi-Arabien, wo sich Opposition gegen die US-Bombardierung und die herrschende Elite entwickelt. Das herrschende Regime in Riad musste diesen innenpolitischen Druck widerspiegeln und die Bombardierung Afghanistans kritisieren. Die offene Opposition gegen das Regime in Saudi-Arabien hat beispiellose Ausmaße erreicht.
Das saudische Regime ist eine prowestliche reaktionäre Theokratie und zunehmend durch antiwestliche reaktionäre fundamentalistische Kräfte herausgefordert, die Unterstützung gewinnen. Wirtschaftlicher Niedergang, massive Arbeitslosigkeit, die 18% erreicht hat, und eine äußerst junge Bevölkerung - die Hälfte ist jünger als 19,7 Jahre alt - führen zu einer explosiven Lage, wenn sie sich mit tiefer Ablehnung des US-Imperialismus verbindet. Letztere wurde durch die Anwesenheit von US-Truppen in Saudi-Arabien seit dem Krieg gegen Irak 1991 angeheizt.
Der Londoner "Guardian" zitiert eine Quelle mit den Worten: "Es ist unglaublich, wie sich das Gefühl in so kurzer Zeit von Sympathie in Wut verwandelt hat." Ein anderer westlicher Bewohner wird mit den Worten zitiert, die Stimmung sei vergleichbar mit "Iran Ende der siebziger Jahre, vor dem Sturz des Schah." (15. Oktober). Zu ersten Mal drohte ein führender Geistlicher eine öffentliche "Fatwa" gegen die saudische Königsfamilie wegen Zusammenarbeit mit "Ungläubigen" an.
Trotz dieser Hindernisse wird der US-Imperialismus gezwungen sein, mit seinem "Krieg" weiterzumachen. Die überwältigende Stimmung unter den Massen in den USA, "etwas zu tun" und die Notwendigkeit für die führende Weltmacht, nach der am 11. September erlittenen Prellung ihres Prestige zu reagieren, zwingen sie zum Handeln. Es wird international eine langgezogene Periode von Unruhe und Aufruhr bedeuten.
Neue Friedensinitiative im Nahen Osten.
Massive Opposition baut sich gegen die US-Angriffe auf und bedroht die herrschenden Regime in der ganzen arabischen Welt. Die USA haben viel Druck aufgewandt, um den Nahostfriedensprozess wieder zu beginnen, um die "Koalition" zusammenzuhalten, die arabischen Regime zu beschwichtigen und von den arabischen Massen als jemand gesehen zu werden, der Zugeständnisse an die PalästinenserInnen macht. Die Folgen dieser Politik sind in Israel schon zu sehen.
Es hat schon den Rücktritt von sechs Rechtsextremen aus der Scharon-Regierung, die die neue Initiative durch Bush ablehnten, erzwungen. Das stellt zwar noch keinen sofortigen Zusammenbruch von Scharons Regierung der Nationalen Einheit dar, zeigt aber die sich verbreiternden Spaltungen, die sich in der Regierung und israelischen Gesellschaft entwickeln werden.
Beispiel für diese Spaltungen zeigt sich im offenen Zusammenstoß zwischen dem Armeechef Mofaz und dem Verteidigungsminister Ben Elizeer, nachdem Scharon den Rückzug der IDF aus dem Palästinensergebiet in Hebron befahl. Mofaz lehnte diesen Vorschlag ab und musste sich darauf öffentlich entschuldigen. Nach israelischen Kommentatoren hat zum ersten Mal ein Stabschef öffentlich gegen die Regierung opponiert.
Die Versuche des US-Imperialismus, den "Friedensprozess" wieder zu beginnen, geschehen nicht aus Sorge für das palästinensische Volk, sondern als Versuch, die Koalition zusammenzuhalten. Das jüngste Töten von Hamasführern durch israelische Kräfte und die Erschießung des israelischen Tourismusministers veranschaulichen, wie schwierig es sein wird, diesen Prozess auch nur zu beginnen. Die Scharon-Regierung versucht bewusst, den Beginn des "Friedensprozess" zu verzögern, um die israelische herrschende Klasse in eine günstigere Stellung zu manövrieren. Jeder Friedensprozess wird vor dem Hintergrund von mehr Morden stattfinden, wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben.
Auch wenn der Konflikt vorübergehend zurückgehen kann, ist es für den US-Imperialismus unmöglich, ihn zu lösen. Egal zu welchem Abkommen sie schließlich kommen, es wird zu weiterem Konflikt und Aufruhr führen. Wie die Ereignisse auf dem Balkan und in Irland gezeigt haben, können nationale Unterdrückung und Konflikt unter dem Kapitalismus nicht gelöst werden.
Der ganze Konflikt im Nahen Osten und den moslemischen Ländern fordert den Aufbau einer unabhängigen Bewegung der Arbeiterklasse und anderer ausgebeuteter Schichten, die für den Sturz von Kapitalismus und Großgrundbesitz kämpfen und den Aufbau des Sozialismus beginnen werden. Nur der Aufbau einer solchen Kraft wird in der Lage sein, alle nationalen und ethnischen Minderheiten zu vereinigen, und ihre demokratischen und nationalen Rechte zu verteidigen. Keine andere Kraft wird den Imperialismus besiegen können.
Der Aufruhr, der sich international entwickelt, erfordert jetzt den Aufbau einer sozialistischen Massenalternative der ArbeiterInnen und Jugend, für den Kampf gegen Imperialismus und Kapitalismus. Das kapitalistische System und seine Führer wie Bush, Blair kann der Arbeiterklasse und ausgebeuteten Menschen auf der Welt nichts bieten. Eine neue sozialistische Alternative muss aufgebaut werden, die eine Alternative zu Armut, Elend und Krieg anbieten kann, die der Kapitalismus bringt. Dies ist in den imperialistischen Ländern und der neokolonialen Welt notwendig. Es ist der einzige Weg, die Massen der arbeitenden Menschen in Asien, Afrika, Lateinamerika, den USA, Europa und Australasien zu vereinigen - die internationalen Opfer von Imperialismus und kapitalistischer Ausbeutung.
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- Für eine sozialistische Welt - ohne Terror und Krieg.
Internationales Sekretariat des CWI, 17 Oktober 2001