Sa 13.06.2015
Wütend, Enttäuscht, Frustriert – das sind viele Menschen in und um die SPÖ über den Tabubruch in Form einer Koalition mit der FPÖ im Burgenland, die de facto Absegnung durch den Parteivorstand und der Erklärung weiterer SPÖ-Strukturen sich in Richtung Koalition mit der FPÖ zu orientieren. Die Entwicklung der SPÖ weg von einer ArbeiterInnenpartei hat damit einen neuen, traurigen Höhepunkt erreicht. Doch nicht überraschend: in verschiedenen Bundesländern gibt es seit langem immer wieder Zusammenarbeit mit der FPÖ. Und v.a. inhaltlich hat sich die SPÖ in den letzten Jahren immer stärker angenähert. Sie hat mit ihrer Tradition und ihren Inhalten de facto gebrochen, hat ihre Wurzeln endgültig verraten. Bei Migration und Asyl ist die SPÖ schon lange in der Praxis Vertreterin und Umsetzerin einer rassistischen Teile- und-Herrsche-Politik. Damit wurde eine rassistische Grundstimmung, die die FPÖ anheizt in der Praxis umgesetzt.
Die Politik der SPÖ hat die FPÖ erst groß gemacht
Doch besonders ist es die neoliberale Politik die seit den 80er Jahren Privatisierung und Sozialabbau bedeutet, die den Aufstieg der FPÖ ermöglicht hat. Immer mehr der traditionellen WählerInnen und Basis der SPÖ haben sich – zur Recht enttäuscht – von ihr abgewendet. Viele wählen gar nicht mehr, aber ein Teil wählt auch die FPÖ in der Hoffnung, dem Protest so Ausdruck zu verleihen und auch weil die Führung der FPÖ in ihrem Populismus so tut, als ob sie “den kleinen Mann” (die “kleine Frau” weniger) vertreten würde. Es ist also gerade auch die Politik der SPÖ, die die FPÖ erst groß gemacht hat. Wer glaubt, die SPÖ könnte mit der FPÖ sozialere Politik betreiben als mit der ÖVP, weil sich diese als „soziale Heimatpartei“ darstellt, muss sich nur Praxis und Grundsatzprogramm der FPÖ ansehen: Privatisierungen, gegen gewerkschaftliche Grundrechte, Kürzungspolitik v.a. bei sozial Schwachen...
In den letzten Jahren und Jahrzehnten gab es eine Reihe von Versuchen, die Partei wieder nach links zu bringen. Sie ALLE sind gescheitert, weil die SPÖ sich nicht nur ein bisschen, sondern qualitativ verändert hat. Auch wenn immer noch eine Schicht von ArbeiterInnen die SPÖ wählt, so ist sie doch keine ArbeiterInnenpartei mehr. Sie hat keine demokratischen Strukturen, die Basis hat letztlich nichts zu melden. Der eine oder andere angenommene linke Antrag bei Parteitagen hat an der Praxis der Partei nichts geändert.
Dramatische Veränderungen in Österreich
Der Umbruch, der gerade in Österreich stattfindet ist ein tiefgehender. Es ist unklar, wie lange die Bundesregierung noch so besteht. Und die relative stabile Sonderposition des österreichischen Kapitalismus ist endgültig vorbei. Die Wachstumszahlen gehen hinunter, die Arbeitslosigkeit steigt. Die Angriffe von Wirtschaftsseite werden immer dreister. Die internationale Krise des Kapitalismus zeigt, dass eine Alternative zum Kapitalismus notwendig ist. Wir alle sind politisch und gewerkschaftlich aktiv, weil wir die Ungerechtigkeit, den täglichen Wahnsinn des Kapitalismus, den wachsenden Rassismus, Abschiebungen, Armut, Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot... weil wir das alles nicht einfach hinnehmen wollen. Weil wir die Welt verändern wollen, eine demokratische, gerechte und solidarische Gesellschaft wollen. Dazu müssen wir uns organisieren, allein kann niemand Verbesserungen erkämpfen odereine grundlegende Veränderung schaffen. Doch eine Organisation ist nur ein Instrument. Wenn ein Instrument stumpf und unbrauchbar geworden ist, tauschen wir es aus, um weiter an unserem Projekt zu arbeiten. Die SPÖ ist nur mehr eine – mehr oder weniger leere – Hülle. „Sozial“ und „Demokratisch“ sind Schatten der Vergangenheit die wir nicht dem Wunsch nach einer Partei unterordnen dürfen.
Sehr konkret brauchen wir angesichts der politischen Situation jetzt eine solche politische Kraft – nicht nur im Falle von Neuwahlen stellt sich die Frage „wen wählen?“. Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer wollen die Arbeitszeit verlängern, flexibilisieren, bei Arbeitslosen kürzen und Kollektivverträge los werden.
Das Kapital hat viele Parteien – wir brauchen endlich auch eine!
Es ist allerhöchste Zeit, endlich damit zu beginnen, eine echte linke Alternative aufzubauen. Die Erwerbstätigen und Arbeitslosen, die Opfer der Sparpolitik, die KollegInnen im Gesundheitswesen, die LehrerInnen, die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst, die SchülerInnen und Studierenden, Menschen mit Migrationshintergrund und AsylwerberInnen – sie alle brauchen endlich wieder eine Partei, die mit und für sie kämpft. Eine Partei der sozialen Bewegungen und der Arbeitskämpfe. Eine Partei die den Forderungen von GewerkschafterInnen und BetriebsrätInnen eine Stimme und aktive Unterstützung gibt. Eine Partei ohne Privilegien und wo Frauenrechte selbstverständlich sind. Eine Partei der Flüchtlinge und der wütenden Jugendlichen. Eine ArbeiterInnenpartei ist dringend nötig. Das Kapital hat in Österreich viele Parteien – die ArbeiterInnenklassse in all ihrer breite und Buntheit hat keine einzige. Eine solche kämpferische neue ArbeiterInnenpartei ist auch der Weg, wie die FPÖ ausgebremst und zurückgedrängt werden kann.
In vielen Ländern haben Linke aus Gewerkschaften und Sozialdemokratischen Parteien die Konsequenz aus der Verbürgerlichung ihrer Parteien gezogen und gemeinsam mit Linken außerhalb der Sozialdemokratie und sozialen Bewegungen neue, linke Formationen gegründet. Die SLP betont seit vielen Jahren wie notwendig das auch in Österreich ist und leider haben wir hier schon viel Zeit verloren. Zeit, in der die FPÖ dieses Vakuum ausfüllen konnte. Aber nun machen die jüngsten dramatischen Aktionen der SPÖ (Koalition mit der FPÖ im Burgenland, Fortsetzung der Kürzungspolitik in der Steiermark um jeden Preis) sowie das Fehlen einer ernsthaften organisierten linken Opposition innerhalb der SPÖ entschlossene Schritte in diese Richtung um so dringender.
Es ist höchste Zeit auch in Österreich
Gerade jetzt, wo die Krise aufs neue zuschlägt drängt die Zeit. Die Wirtschaftsdaten werden schlechter, der Wunschzettel der Wirtschaftsvertretungen immer länger: Pensionsantrittsalter, Arbeitszeit, Notstandshilfe, Krankenversicherung, gewerkschaftliche Grundrechte etc. - alles ist gefährdet und die SPÖ ist kein Bollwerk gegen diese Angriffe sondern Teil davon. Wir brauchen nicht den x-ten Versuch, die SPÖ doch noch zu retten. Es reicht! Der Sozialabbau wird – im Burgenland, in der Steiermark, aber auch in Wien und auf Bundesebene – in immer rascherem Tempo weitergehen. In verschiedenen Strukturen der Sozialdemokratie und in den sozialen Medien finden hitzige Debatten statt. Es gibt Austritte und dafür auch viel Zustimmung. Der Wunsch nach „etwas Neuem“ ist groß.
So kann der Weg zu so einer neuen Kraft begonnen werden
Welche konkreten Schritte sind auf dem Weg dorthin nötig? Lernen wir aus den Erfahrungen aus anderen Ländern, von den Erfolgen und Fehlern von Syriza, Podemos, der deutschen Linkspartei, von der brasilianischen PSOL, der italienischen Rifundazione, der türkisch-kurdischen HDP und vielen anderen. In so einem Prozess müssen wir versuchen, verschiedene linke Kräfte und Strukturen der ArbeiterInnenbewegung so breit wie möglich einzubinden. Daher schlagen wir für den Anfang folgendes vor:
- WERDE AKTIV BEIM AUFBAU EINER NEUEN LINKEN KRAFT: Nicht frustriert den Kopf in den Sand stecken, nicht einfach nur aus der SPÖ austreten, den Unmut nicht auf „Likes“ und emails beschränken, sondern aktiv mitarbeiten am Aufbau einer neuen Kraft.
- JETZT, NICHT SPÄTER: Wir haben nicht ewig Zeit. Erstens, weil JETZT viele Menschen was tun wollen und zweitens, weil jeden Tag den wir zuwarten die Rechten den Raum füllen kann, der durch das Fehlen einer ArbeiterInnenpartei entstanden ist. Natürlich wird eine neue linke Kraft nicht vollständig fertig über Nacht vor uns stehen. Doch wir müssen JETZT mit aktiven Schritten beginnen, die auch alle mitkriegen, die das auch wollen damit die Wut und Bereitschaft nicht verpufft und eine wichtige Chance ungenutzt vorbei geht.
- ORGANISIEREN WIR GEMEINSAM EINE KONFERENZ: Der Wunsch nach „etwas neuem“ oder auch genauer nach einer neuen ArbeiterInnenpartei ist groß, aber die Menschen sind noch vereinzelt. Um sie zusammen zu führen kann eine Konferenz, ein Ratschlag, einfach ein größeres Treffen ein erster Sammelpunkt sein.
- RUFEN WIR ES VON ALLEN DÄCHERN: Geheimtreffen halten jene, die wir so dringend dafür brauchen draußen. Wir müssen sagen wohin wir wollen um viele, die suchen und die wir gar nicht kennen zu erreichen, um ihnen zu zeigen, dass sie nicht alleine sind.
- AKTIVISTiNNEN GESUCHT: Promis sind gut, KämpferInnen besser. Wenn bekannte Linke aus der SPÖ, aber auch anderen Parteien sich an so einem Prozess beteiligen ist das gut, weil es mehr Öffentlichkeit schafft. Doch noch wichtiger sind die AktivistInnen und KämpferInnen, also Menschen die in den verschiedenen sozialen Bewegungen in betrieblichen und gewerkschaftlichen Kämpfen eine Rolle gespielt haben und spielen.
- 100 UND MEHR GEWERKSCHAFTERiNNEN SIND DABEI: Auch in der Gewerkschaft gärt es. Wer auch nur halbwegs versucht, die Interessen der KollegInnen im Betrieb zu vertreten der/die steht rasch in Konfrontation zur SPÖ. Vielen GewerkschafterInnen ist daher zunehmend die Jacke Gewerkschaft näher als die Hose SPÖ. Letztlich wird ein Bruch der FSG mit der SPÖ nötig sein, doch so weit ist es noch nicht. Doch den vielen KollegInnen, die jetzt schon etwas tun wollen (viele sagen es schon offen, viel mehr noch weniger offen) müssen wir jetzt ein Angebot zum mitmachen machen. Das kann auch im Rahmen einer gemeinsamen inhaltlichen Kampagne sein.
- VEREINIGUNG IN DER GEMEINSAMEN KAMPAGNE ZU KONKRETEN THEMEN: Denn eine neue linke Kraft, eine neue ArbeiterInnenpartei wird nicht am Verhandlungstisch allein entstehen. Viel mehr ist es der gemeinsame Kampf gegen den 12-Stunden-Tag, für Arbeitszeitverkürzung, für mehr Lohn und mehr Gehalt im Gesundheitswesen, gegen Abschiebungen etc. der hier entscheidenden Einfluss hat. Inhaltliche und methodische Unterschiede können da in der Praxis ausgetestet, bilanziert und verglichen, Vorurteile abgebaut, Erfahrungen in der Zusammenarbeit gesammelt werden. Auch können jene, die den Bruch mit der SPÖ noch nicht vollständig vollzogen haben (oder das aufgrund einer persönlichen Abhängigkeit noch nicht können) Teil einer solchen inhaltlichen Kampagne sein. Eine Organisation ist letztlich immer nur ein Mittel zum Zweck, sie muss daher auch mit dem Ziel, konkret etwas politisch zu verändern, und nicht einfach um zu existieren aufgebaut werden.
- JETZT ANTRETEN: Die SPÖ ist kein Bollwerk gegen die FPÖ, auch in Wien und Oberösterreich nicht wo die Politik auch der SPÖ Menschen der FPÖ in die Arme treibt. In beiden Bundesländern stehen bald Wahlen an. Auch auf Bundesebene kann es bald Neuwahlen geben. Möglichkeiten für ein ernstzunehmendes Projekt, einen Startschuss zu setzen. Es wäre keine fertige Partei, sondern ein Anfang, aber einer, der, wenn richtig gesetzt (kämpferisch, aktiv, demokratisch, offen) ein Attraktionspol sein kann.
Die SLP tritt seit langem für den Aufbau einer neuen Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche ein. Wir haben schon bisher jeden ernsthaften Schritt in diese Richtung unterstützt und tun das auch jetzt. Beginnen wir jetzt, werde Teil der Bewegung für eine solche neue linke, kämpferische Kraft!
Mehr zum Thema in unserer Broschüre: Für eine neue Partei für ArbeiterInnen und Jugendliche https://www.slp.at/broschueren/f%C3%BCr-eine-partei-f%C3%BCr-arbeiterinnen-und-jugend-4822