Reproduktionsarbeit im Kapitalismus

Martina Gergits

9,7 Milliarden Stunden werden jährlich für unbezahlte Tätigkeiten wie Hausarbeit, Kinderbetreuung, die Pflege von Kranken aufgewendet. Zwei Drittel davon leisten Frauen. All das ist notwendig, um Arbeitskraft zu reproduzieren. Arbeitskraft lässt sich somit auch als Ware definieren, deren Wert sich in den Reproduktionskosten ausdrückt.

Marx selbst hat sich damit nur indirekt, im Rahmen der Reproduktion der Arbeitskraft, beschäftigt. Wie und in welcher Form diese Reproduktion stattfindet, orientiert sich an den Produktionsprozessen im Kapitalismus und ist integraler Bestandteil der kapitalistischen Ausbeutung: „Der kapitalistische Produktionsprozess, im Zusammenhang betrachtet oder als Reproduktionsprozess, produziert also nicht nur die Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert und reproduziert das Kapitalverhältnis selbst, auf der einen Seite den Kapitalisten auf der anderen Seite den Lohnarbeiter.“ (Karl Marx, 1. Band Kapital)

Das Kapital ist darauf angewiesen, dass die Ware Arbeitskraft zur Verfügung steht und daraus ergeben sich zwei Formen der Reproduktionsarbeit. Aus vor-kapitalistischen Produktionsformen wurde ein Teil der Reproduktion im Haushalt belassen. Damit wurde auch der patriarchale Charakter, also die Unterdrückung der Frau, übernommen. Dieser unbezahlte Teil der Reproduktionsarbeit dient als Ressource, auf die jederzeit zurückgegriffen werden kann.

Erkämpft von der Arbeiter*innenklasse, aber auch weil es die kapitalistische Produktion v.a. in Aufschwungzeiten notwendig machte, entwickelte sich auch die bezahlte Reproduktionsarbeit.

Das Verhältnis dieser bezahlten und unbezahlten Tätigkeiten ist nicht konstant. Das erleben wir, wenn in Krisenzeiten Kürzungen im Sozialsystem vorgenommen werden, und damit die Arbeit wieder zurück in den Haushalt verschoben wird, also großteils an Frauen. Oder umgekehrt, wenn mehr Arbeitskräfte vom Kapital benötigt werden und damit bezahlte Reproduktionsarbeit ausgebaut wird – z.B. durch Betriebskindergärten.

Mit der Entwicklung eines gesellschaftlichen Überschusses (also mehr als zum unmittelbaren Überleben nötig ist) von Privateigentum und in Folge von Klassengesellschaften entstand auch die Frauenunterdrückung. Die gesellschaftliche Abwertung von Reproduktionsarbeit ist damit untrennbar verbunden. Als Sozialist*innen kämpfen wir für die Vergesellschaftung der gesamten Reproduktionsarbeit. Im Kapitalismus erkämpfte Verbesserungen sind nicht von Dauer. Die vollständige Vergesellschaftung ist nur möglich durch eine Aufhebung des Privatbesitzes an Produktionsmitteln und damit die Überwindung des Kapitalismus. Erst in einer sozialistischen Gesellschaft fällt die Trennung von privater und gesellschaftlicher Arbeit und Reproduktion wird eine gesellschaftliche Aufgabe.


Zum Weiterlesen:

Hausarbeit und marxistische Wirtschaftstheorie auf www.slp.at

Fragen des Alltagslebens, Leo Trotzki: Eine Sammlung von Reden und Artikeln, die aufzeigen, wie die junge Sowjetunion nach der Revolution das Private wie Hausarbeit und Familie politisch und gesellschaftlich aufgriff.

Karl Marx, Das Kapital – 1. Band

Erscheint in Zeitungsausgabe: