Fr 06.07.2018
Der Nationalrat hat den 12h-Tag und die 60h Woche beschlossen. Schon ab 1. September soll es in Kraft treten, damit ist es in Hochgeschwindigkeit durch den parlamentarischen Betrieb gebracht worden. Wenn FPÖ-Klubobmann Rosenkranz davon spricht „die Zeit der Verunsicherung zu beenden“, dann meint er damit die Verunsicherung durch den Widerstand der Gewerkschaften. Die Regierung weiß: Wenn das Gesetz einmal in Kraft ist, wird es schwerer noch dagegen zu mobilisieren. Vor diesen Mobilisierungen hat sie Angst, daher die große Eile.
Machen wir ihre Angst wahr und besiegen den 12h-Tag!
Wie konnte es so weit kommen?
Die Gewerkschaftsführung wurde „auf dem falschen Fuß“ erwischt, so sagt sie selber. Das an sich ist eigentlich unglaublich. Schon 2014 hatte die damals rot-schwarze Bundesregierung den 12h-Tag ernsthaft diskutiert, offensichtlich weil er auf der Wunschliste von WKO&IV stand. Mit dem „Aktionsbündnis gegen den 12h-Tag“ haben wir damals zusammen mit anderen Gewerkschafts-AktivistInnen versucht den ÖGB dagegen zu mobilisieren. Seit dem Frühjahr 2018 haben wir anlässlich des ÖGB-Bundeskongresses im Juni 2018 Unterschriften für die Initiative „ÖGB aufrütteln“ gesammelt (https://bit.ly/2IXMtnh), denn spätestens mit dem Koalitionsabkommen vom Dezember 2017 war klar, dass es eine Offensive gegen ArbeiterInnen inklusive 12h-Tage geben wird. Und zuletzt auf den BetriebsrätInnen-Konferenzen, der Demonstration und auf Betriebsversammlungen haben wir wieder zusammen mit „ÖGB aufrütteln“ einen Aktionsplan vorgeschlagen, der die Großdemonstration zum Anfangspunkt noch stärkerer Kampfmaßnahmen und Streiks gemacht hätte. Der Beschluss im Parlament ist eine Niederlage, die wir verhindern hätten können. Auch jetzt können wir die Umsetzung des Gesetzes noch verhindern, es wird aber unnötig schwieriger.
Wie können wir den 12h-Tag jetzt noch verhindern?
Eine der ersten Maßnahmen der neuen, schwarz-blauen Regierung war die Rücknahme des „Nichtraucherschutzgesetzes“. Kein Gesetz ist auf Dauer, alles ist eine Frage des Kräfteverhältnisses. Das Kräfteverhältnis im Parlament ist leider deutlich, das hat der Beschluss gezeigt.
Aber es gibt viele Wege das Kräfteverhältnis zu unseren Gunsten zu verschieben, das bestbewährte Mittel ist der Streik. Wenn über 100.000 demonstrieren, wenn zehntausende ArbeiterInnen an über 1000 Betriebsversammlungen bundesweit teilnehmen und sich in jedem Bundesland die BetriebsrätInnen zu Konferenzen versammeln, ist viel in Bewegung geraten! Und auch der ÖGB hat mit der Demonstration gezeigt, dass er, wo er will, immer noch (auch kurzfristig) Massen mobilisieren und Großes organisieren kann. Wenn wir streiken und die KapitalistInnen da erwischen, wo es ihnen weh tut, also v.a. ihren Profiten, werden sie den Druck von uns auf die Regierung übertragen. Es sind die Reichen, die dieses und andere Gesetze wollen und wir müssen sie zwingen davon abzulassen. Setzen wir sie unter Druck, können wir am meisten gegen ihre Vollstrecker in der Regierung erreichen.
Gleichzeitig brechen Konflikte in der FPÖ auf. Der riesige Unterschied zwischen dem „soziale“ Heimatpartei-Image vor der Wahl und der extrem arbeiternehmerInnenfeindlichen Politik jetzt reißt Gräben auch in die Partei, wie Parteiaustritte von Funktionären der „Freiheitlichen Arbeitnehmer“ oder der zerstrittene Parteitag in Niederösterreich zeigen. Das steht auch im Zusammenhang mit dem Druck, den der Widerstand gegen den 12h-Tag bereits aufgebaut hat.
Ein Volksbegehren wie es die SPÖ vorschlägt, wird das kaum verstärken, auch wenn es sicher Teil davon sein kann, weiter Menschen zu mobilisieren. Allerdings wäre es nach einer kämpferischen Riesendemonstration ein spürbarer Rückschritt.
Noch gibt es eine Stimmung und den Rückenwind der starken Demonstration, um JETZT zu streiken. Je mehr Zeit wir verstreichen lassen, desto schwieriger wird es die KollegInnen noch zu mobilisieren. Jetzt können wir diesen Kampf gewinnen!
„Sozialpartnerschaft“ abgebrannt
Das neue Arbeitszeitgesetz ist ein Frontalangriff auf unsere erkämpften Rechte (hier nachzulesen beim ÖGB: https://bit.ly/2sODkbr ). Aber es ist auch mehr als das: Es ist nach Jahren, in denen die „Sozialpartnerschaft“ ohnehin nur mehr Fassade war, die offizielle Kündigung derselben. Diese Kündigung ist in Form des riesigen Plakates der Industriellenvereinigung vor der ÖGB Bundeszentrale, auf dem die Gewerkschaftsposition zum 12h-Tag verspottet wird, dem ÖGB symbolisch frei Haus geliefert worden. Indem die „Sozialpartner“ nicht einmal mehr zu den sonst üblichen pseudo- Verhandlungen eingeladen wurden, indem jetzt gesetzlich geregelt wird, dass BetriebsrätInnen leicht übergangen werden können, indem auch mit Worten heftig gegen die Gewerkschaften und DemonstrantInnen gezündelt wird, reißt die heute deutlich stärkere Bourgeoisie Brücken ein, über die sie jahrzehntelang ihre Herrschaft gestaltet hat. Mehr dazu hier, in diesem älteren aber top-aktuellen Artikel: https://bit.ly/2MRXpFj
Wer genau hinhört, stellt fest, dass die wesentlichste und am öftesten wiederholte Forderung der Gewerkschaftsführung in dem aktuellen Kampf jene nach „mitverhandeln“ ist. Früher war die Bourgeoisie schwach genug und die ArbeiterInnenbewegung so gut und kampfbereit organisiert, dass allein der Schatten von Klassenkampf reichte, um tatsächlich auch Fortschritte im Sinne der ArbeiterInnen am Verhandlungstisch zu erreichen. Das hat sich längst geändert, auch weil die wirtschaftlichen Perspektiven wie z.B. der Handelskonflikt mit den USA den Reichen Sorge um ihre Profite machen.
Schon im „Plan A“ des SPÖ-Ex-Kanzlers Christian Kern war der 12h-Tag enthalten und laut Arbeitsinspektorat haben die gerade mal 300 Prüfer 2017 bei 6000 (!) Betrieben Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz festgestellt. Der Aufschrei des ÖGB blieb aus, weil sie über das „mitverhandeln“ bei Gesetzen und natürlich die Kollektivvertrags-Ebene (KV) ihre Existenzberechtigung sahen. Und die alten Regierungen und auch WKO, IV & Co. ließen sie mitverhandeln, wenn auch nichts Entscheidendes an ihren Plänen verändern. „Sozialpartnerschaft“ ist für die Gewerkschaftsführung längst zur Ideologie geworden und wird völlig abseits vom tatsächlichen Nutzen für die Gewerkschaftsmitglieder als Hauptzweck der Gewerkschaftsbewegung überhaupt verherrlicht. Mit dieser „Strategie“ lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen, denn diese Regierung ist bereit, die Interessen der Reichen ohne jede Rücksicht zu vollstrecken. Eine Rückkehr zur Sozialpartnerschaft kann es nun nicht mehr geben.
Auf diesen Angriff werden weitere folgen
So ist der 12h-Tag auch ein Testlauf für diesen neuen, klassenkämpferischen Kurs der Reichen und ihrer Regierung. Sie wollen wissen, was sie sich erlauben können, ohne die Gewerkschaften zum Äußersten zu treiben, also unbefristete Streiks, die erst nach einem Sieg beendet werden. Es ist eine Erprobung der Macht der Reichen. Gewinnen sie dieses Experiment, werden auf diesen „Testlauf“ weitere, vielleicht sogar noch schlimmere Angriffe folgen. Die Reform der Mindestsicherung zum Beispiel könnte die österreichische Arbeitswelt so grundlegend verändern wie Hartz IV das in Deutschland für die Reichen geschafft hat: Das Wort „unzumutbar“ können sich Erwerbslose nicht mehr leisten; Sie müssen jeden noch so miesen Job annehmen oder ihnen werden schnell alle Leistungen gestrichen. Eine Explosion von allen möglichen Formen prekärer Beschäftigung, von Leiharbeit und allen möglichen Arten die Kollektivverträge zu untergraben, ist die Folge. Auch das Arbeitszeitgesetz ist ja bereits ein Schritt das Arbeitsleben stärker über Gesetze als durch KVs zu regeln. Eine Niederlage beim Kampf um das Arbeitszeitgesetz wäre also noch schlimmer, als es schon auf den ersten Blick scheint.
So versucht es die Gewerkschafts-Führung
Offenbar hat man sich in der Gewerkschaftsführung darauf fokussiert, den Kampf in die KV-Verhandlungen im Herbst hineinzutragen. Ganz klar ist das aber noch nicht, weil sie eine „wir lassen uns nicht in die Karten schauen“-Strategie fahren, also irgendwie Geheimpläne schmieden. Das ist angesichts von 1,1 Millionen Mitgliedern, die diese Strategie ja dann tragen und umsetzen müssen, eine absurde Methode! Natürlich sind auch wir von der SLP für eine kämpferische KV-Runde, in der wir uns mindestens zurückholen, was wir an Löhnen und erkämpften Rechten in den letzten Jahrzehnten verloren haben. Trotzdem ist die Strategie der Gewerkschafts-Bürokratie vierfach problematisch:
1. Wo der ÖGB als Gewerkschaftsföderation daran gescheitert ist, das Gesetz zu verhindern, werden sich die Teilgewerkschaften, die sich ja dann nochmal in die unterschiedlichen Branchen aufteilen, noch schwerer tun, Erfolge zu erkämpfen.
2. Zusätzlich sind die unterschiedlichen Gewerkschaften und Branchen unterschiedlich stark aufgestellt. Wo die Industrie-Betriebe schnell großen ökonomischen Druck aufbauen können, werden sich die KollegInnen im Sozial- und Gesundheitsbereich schwerer tun. Besonders stark sind auch die Handel- und Gastronomiebranchen betroffen, die von der Gewerkschaft schlecht organisiert sind. Mit der Methode der Gewerkschaft werden also ganze Branchen im Stich gelassen.
3. Die KV-Runde beginnt traditionell mit den Verhandlungen der MetallerInnen-KV. Die beginnen normalerweise im Oktober, das Gesetz gilt aber schon ab 1. September. Zu Verhandlungsbeginn ist der Schaden also bereits abgerichtet.
4. Der ÖGB behauptet, 98% der unselbstständig Beschäftigten seien über KV abgedeckt. Ob das stimmt oder nicht, lässt sich kaum überprüfen, aber auf jeden Fall gibt es einen Trend die KV zu untergraben. In dieser KV-Runde wird es für viele Branchen darum gehen, überhaupt ihren KV zu behalten (Werbe-KV, Druckgrafisches Gewerbe-KV...). Die Tatsache, dass die Gewerkschafts-Führungen schon seit Jahrzehnten eine einseitige, also unerwiderte Kuschelpolitik gefahren haben, rächt hat sich in einer Zerteilung der KV (Metall...) und einer Auflösung der KV gerächt. In der Strategie des ÖGB zum 12h-Tag ist davon nicht die Rede.
5. Auch wo es KV gibt, gibt es noch längst nicht überall BetriebsrätInnen. Die Erfahrung zeigt: wo die fehlen, werden KV-Regelungen oft ignoriert. Auch können Betriebsvereinbarungen noch hinter die KV zurück fallen.
Unser Vorschlag:
- Streiken, bis das Gesetz zurückgenommen wird, und zwar ab jetzt!
Gemeinsam mit der Initiative „ÖGB-aufrütteln“ und vielen BetriebsrätInnen haben wir die Streik-Forderung auf den BetriebsrätInnen-Konferenzen, den Betriebsversammlungen und auf der Demonstration eingebracht und sehr gute Rückmeldungen darauf bekommen. Hier der Link zu unserem Flugblatt für diese Interventionen: https://bit.ly/2NucUnR
Die Mehrheit der KollegInnen ist streikbereit, das zeigen auch Umfragen. Mehrere Betriebsversammlungen haben die Resolutionsvorlage des ÖGB gegen den 12h-Tag entsprechend verändert um die Streikforderung beschlossen. Nichts davon hat sich durch den Beschluss grundsätzlich geändert, wenn die Gewerkschaften zum Streik aufrufen steht Österreich still!
- Die Streiks und alle weiteren Kampfmaßnahmen müssen demokratisch aus den Betrieben und Branchen organisiert werden!
Wenn Debatten, wie gekämpft und gewonnen werden kann, so laufen wie bei den BetriebsrätInnen-Konferenzen vor der Demonstration, dann wird die Bewegung absterben (https://bit.ly/2IUyBKv). Denn wer Debatten abwürgt, würgt Dynamik ab, die es braucht, um den Kampf lebendig zu halten. Betriebsversammlungen dürfen keine Info-Veranstaltungen sein, die im Normalfall ohne die Möglichkeit auskommen müssen, sich auch nur zu Wort zu melden. Die KollegInnen brauchen die Möglichkeit, sich tatsächlich gestaltend einzubringen und nicht nur Beschlüsse von Oben durchzuwinken. Sie entscheiden, wie und wie lange gekämpft wird! Zentrale Organisation der Kämpfe ist wesentlich effektiver, wenn sie sich über eine Struktur von der Basis aus aufbaut!
- Wir müssen die Dynamik nutzen, die es JETZT gibt, also so schnell es geht Streikmaßnahmen beginnen. Aber wir brauchen auch einen Aktionsplan, der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes am 1.9. ständig intensiver wird. Es braucht Ultimaten an die Regierung, anhand derer wir die Kampfmaßnahmen weiter steigern, wenn sie ignoriert werden. Wir brauchen öffentliche Aktionen, an denen sich alle beteiligen können, wie ja auch viele nicht-GewerkschafterInnen bei der Demonstration am 30.06. dabei waren. Nach Betriebsversammlungen und Diskussionen dazu braucht es eine bundesweite BetriebsrätInnenkonferenz, die diesen Plan konkretisiert und sich an die Umsetzung macht!
- Die ÖGB-Führung ist sozialdemokratisch. Die SPÖ steht nicht gegen den 12h-Tag sondern für einen anderen 12h-Tag, der Vorwurf der Regierung an die SPÖ ihr Widerstand sei „parteipolitisch motiviert“ hat eine reale Basis. Auch geht es der Bürokratie an der Spitze der Gewerkschaften vor Allem darum, wieder mitverhandeln zu dürfen, der Gewerkschaftsbasis geht es darum den 12h-Tag zu verhindern. Über den gesamten Kampf hinweg braucht es demokratische Diskussionen und Mitbestimmung aus den Betrieben! Wenn es Verhandlungen gibt braucht es Abstimmungen über die Ergebnisse.
- Die Offensive der Regierung gegen die ArbeiterInnen ist nicht zu Ende. Statt sich wieder „überraschen“ zu lassen, wie das der ÖGB-Spitze mit diesem seit Dezember angekündigten Gesetz passiert ist, sollten wir schon jetzt für die Kollektivvertrags-Verhandlungen planen. Um den Generalangriff der Regierung zurück zu schlagen, brauchen wir eine gemeinsame Antwort. Eine Möglichkeit dafür ist:
Der Kampf um einen General-KV gegen den General-Angriff der Reichen. Also gemeinsame Forderungen, die kräftige Lohnerhöhungen und Verbesserungen bei der Arbeitszeit und den Arbeitsbedingungen für alle Branchen enthalten. Zusätzliche Verhandlungen können dann für die jeweiligen KV durchgeführt werden, ABER: das Teile&Herrsche Spiel der Regierung werden wir nicht mitspielen, kein KV schließt ab, bevor nicht für alle KV die Forderungen erkämpft wurden und zwar nach Urabstimmung in allen Branchen!
- Selber in die Offensive gehen!
Wenn Frauen von einem Abtreibungsverbot bedroht sind, wenn KollegInnen von Abschiebung bedroht sind, wenn Repression ausgebaut wird, wenn die AUVA/SV angegriffen wird..., sind ArbeiterInnen durch die Regierung der Reichen unter Beschuss. GPF-Vorsitzender Köstinger hat Recht, wenn er den Sturz der Regierung fordert, denn sie bedroht uns alle! Die Dynamik einer echten Streikbewegung kann das schaffen!
Was kannst Du tun?
- Die Gewerkschaft gehört uns allen! Die Möglichkeiten der Mitbestimmung wurden durch die Führung immer mehr eingeschränkt. Aber Druck lässt sich trotzdem noch kanalisieren:
Mehrere Betriebe haben ihre Streikbereitschaft durch Resolutionen kund gemacht und auch veröffentlicht, so z.B. „Bilfinger Shared Services“ oder der „Wohnservice Wien“ nach Diskussionen dazu in den Betriebsversammlungen. Das wurde möglich weil einzelne KollegInnen (nicht nur aus dem Betriebsrat) dafür die Initiative gesetzt haben. Sie sind vernetzt über „ÖGB aufrütteln“. Wende Dich an die Initiative für Hilfe und Erfahrungsaustausch: FB/ögbaufrütteln oegbaufruetteln@gmx.at
oder auch an die SLP, wo wir uns bei unseren Gruppentreffen gemeinsam auf solche Kämpfe vorbereiten.
Die SLP-Bundesleitung im Juli 2018