Di 01.10.2002
Österreich scheint eines der Schwerpunktländer der radikalen Pro-Life Bewegung geworden zu sein. Kein Wunder, da sie hier die optimalen Bedingungen für ihre Aktivitäten vorfinden: Tatkräftige Unterstützung durch höchste Vertreter der katholischen Kirche und den ideologischen Rückhalt der (noch) blau-schwarzen Regierung.
Die Aktivitäten der radikalen Abtreibungsgegner der Organisation Human Life International/ Ja zum Leben begannen im Jahr 1997, als sie erstmals einen "Marsch für das Leben" in Wien organisierten. Seither wurden vier sogenannte "Lebenszentren" eröffnet, die "Gehsteigberatung" intensiviert, die Räumlichkeiten, in denen sich die Klinik "Lucina" (vormals Mairo) befindet gekauft und eine Kündigungsklage eingereicht, um so den Betrieb dieser Klinik massiv zu stören. In aggressiver Weise werden Patientinnen beim Betreten der Klinik belästigt und sind somit einem Spießrutenlauf ausgesetzt: Die "Pro-Life"-AktivistInnen stellen sich ihnen in den Weg und versuchen den Frauen Flugblätter aufzudrängen. Mit Plastikembryonen und überdimensionalen blutigen Bildern wird versucht, die Patientinnen moralisch unter Druck zu setzen. Auch das Klinikpersonal leidet unter diesem Psychoterror: Schon mehrmals wurden MitarbeiterInnen der Klinik bedroht, sie werden regelmäßig gefilmt und fotografiert. Die Sicherheitsmaßnahmen, die getroffen werden mussten, um die Patientinnen zu schützen, haben enorme Kosten verursacht. Human Life International setzt auf eine Einschüchterungstaktik, zu der die tagtäglichen Belästigungen ebenso gehören wie der Kampf gegen die Fristenlösung auf politischem und juristischem Weg.
Die Sozialistische Linkspartei - SLP führt seit Februar 2001 eine Kampagne zur Verteidigung der Lucina-Klinik und für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch mit Kundgebungen gegen die radikalen Abtreibungsgegner und mit Publikationen, in denen die Methoden von Human Life International (HLI) aufzeigt werden. Prompt reagierte der Chef von HLI, Dietmar Fischer mit einer Privatklage wegen übler Nachrede gegen die Autorin dieses Artikels. Gegenstand der Klage ist ein Artikel, der zum Internationalen Frauentag in der Volksstimme erschienen ist und in dem die Methoden der radikalen Abtreibungsgegner beschrieben wurden. Wieder hat die Rechtsvertretung einen Anwalt der Ex-Kanzlei von Justizminister Böhmdorfer übernommen. Wenn die radikalen Abtreibungsgegner mit ihrer Klage durchkommen, bedeutet das eine weitere Offensive gegen das Frauenrecht auf Abtreibung. (Zum momentanen Zeitpunkt steht noch kein Gerichtstermin fest)
Auch diese Vorgehensweise deckt sich mit der Taktik, die von militanten Abtreibungsgegner international angewendet wird. In den USA führen sie permanent Prozesse und Kampagnen gegen die sogenannten Pro-Choice-Organisationen. (Organisationen, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzen)
Im Rahmen unserer Verteidigung vor Gericht werden wir den Wahrheitsbeweis antreten. Zahlreiche Frauen unterstützen uns dabei, indem sie aussagen, was ihnen wiederfahren ist. Diese Frauen beweisen Mut, denn nach wie vor ist Schwangerschaftsabbruch ein gesellschaftliches Tabuthema für das sich nur wenige öffentlich einsetzen.
Nach Wien beginnt der Kampf um die Fristenlösung jetzt auch in Salzburg. Nach Wien, Graz und Grieskirchen in Oberösterreich hat HLI im August das Vierte "Lebenszentrum" in Salzburg eröffnet. Mit einem Gottesdienst, abgehalten von Weihbischof Laun wurde das Lebenszentrum und seine Kapelle eingeweiht. Auch Erzbischof Eder dokumentierte seine Unterstützung "Denn der größte Weltkrieg aller Zeiten ist ja heute durch die Tötung der Leibesfrucht in den Leibern der werdenden Mütter." (Rupertusblatt, "Aus der Erzdiözese", 15.9.2002)
Die Eröffnung eines "Lebenszentrums" erweist sich jedoch besonders in Salzburg als prekär: Derzeit gibt es in Salzburg keine offizielle Möglichkeit, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen. Die amtierende Landesrätin Maria Haidinger (ÖVP), die sich schon mehrmals öffentlich gegen die Fristenlösung ausgesprochen hat, gab eine Broschüre mit dem Titel "Schwanger und verzweifelt?" heraus. Als Informationsangebote finden sich darin die Anonyme Geburt und das Babynest. "In der Beratung werden Ihnen verschiedene Hilfsmöglichkeiten in Bezug auf ihre soziale, finanzielle und psychische Notsituation aufgezeigt. Vielleicht ist es mit diesen Unterstützungen doch möglich, dass Sie ihr Kind behalten. Ist dies nicht der Fall, gibt es für Sie und Ihr Kind noch andere Möglichkeiten wie z.B. die Übergabe an Pflegeeltern oder Adoption." ("Schwanger und verzweifelt?" Land Salzburg (Hg.) März 2002)
Von der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs ist keine Rede, diese wird einfach verschwiegen. Durch die Aktivitäten von HLI wird die Situation für Frauen weiter verschärft.
Salzburg war im Sommer auch einer der Städte in Österreich, wo ein Aktionstag von "Jugend für das Leben", einer weiteren Pro-Life-Organisation, stattfand. Auf einer "Fahrradtour für das Leben" zogen hauptsächlich jugendliche TeilnehmerInnen aus verschiedenen europäischen Ländern von Bregenz nach Wien und wurden dabei tatkräftig unterstützt durch Vertreter der katholischen Kirche wie Weihbischof Laun. Ihren Schlusspunkt fand die Pro-Life Tour am 31. August in Wien mit einer Kundgebung und anschließender Messe im Stephansdom - ebenfalls mit Weihbischof Laun. Empfangen wurden die Pro-Life-AktivistInnen in Salzburg und Wien von lautstarken Kundgebungen zur Verteidigung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch.
Aber damit noch nicht genug der Pro-Life-Aktivitäten in Österreich. Von 10. bis 13. Oktober veranstaltet Human Life International eine "Weltkonferenz" in Wien. Mit dabei: Weihbischof Laun (wer hätte das gedacht). Im Konferenzprogramm finden sich christlich nächstenliebende Titel wie "Waffenrüstung im Kampf für das Leben" oder "Spiritual Warfare - Training für geistliche Kriegsführung". Und damit kein Zweifel am Ziel der Pro-Life-Bewegung bleibt: "Damit unser Land und ausgehend vom "Marienland" Österreich auch andere Länder vom Übel der Abtreibung und der Kultur des Todes befreit wird, bitten wir Dich und möglichst viele Mitchristen aus allen anderen Nationen, sich mit uns um Maria, der Frau, die der Schlange den Kopf zertreten wird, im Gebet und im geistigen Kampfe zu vereinen." Human Life International mobilisiert international gegen das Recht auf Schwangerschaftsabbruch. Sie vertreten eine
frauenfeindliche reaktionäre Ideologie, in der Schwangerschaftsabbruch unter allen Umständen verdammt wird, Verhütungsmittel generell abgelehnt werden und Homosexualität als eines der Übel dargestellt wird, die die Welt zerstören. Trotz dieser teilweise absurden Theorien schaffen sie es, ihre Einflusssphäre auch vor dem Hintergrund rechter Regierungen auszuweiten und bekommen durch höchste Vertreter der katholischen Kirche machtvolle Unterstützung. In Publikationen der katholischen Kirche beispielsweise auf Kath-net wird für HLI und deren Kongress offensiv Werbung gemacht.
Abgesehen von der Verteidigung auf juristischer Ebene werden wir unsere Kampagne weiterführen, denn gerade jetzt ist es wichtig, eine breite Gegenöffentlichkeit herzustellen. Die radikalen Abtreibungsgegner müssen gestoppt werden und das kann nur gelingen, wenn möglichst viele aktiv werden. Auch beim internationalen HLI-Kongress wird es wieder Kundgebungen für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch geben. Die SLP setzt sich u.a. für die Möglichkeit auf Schwangerschaftsabbruch in allen Bundesländern und auf Krankenschein und für eine Bannmeile für radikale Abtreibungsgegner rund um Kliniken und Arztpraxen ein. Für die Klinik Lucina fordern wir die Unterbringung in Räumlichkeiten der Gemeindespitäler. Mehr als 27 Jahre nach Einführung der Fristenlösung in Österreich ist es notwendig, dieses Frauenrecht gegen die Angriffe radikaler Abtreibungsgegner erneut zu verteidigen.