Di 18.06.2019
Am Samstag, den 15.6., mobilisierte die SLP mit der sozialistisch-feministischen Kampagne "Nicht mit mir" gegen den Aufmarsch der christlichen Fundamentalist*innen, welche wieder den Tag der Pride-Parade nutzen wollten, um ihre reaktionäre Hetze zu verbreiten. Dabei demonstrierten rechtsextreme, katholische Fundamentalist*innen gegen Frauen und LGBTQI+ - Personen (Lesbisch, Schwul, Bi, Trans, Queer, Intersex und andere). Deswegen hielten wir eine Protest-Kundgebung gegen ihr rückwärtsgewandtes Weltbild, und für Frauen* und LGBTQI+ Rechte ab! Wir hinterließen Nachrichten am Stephansplatz, wo die Abschlusskundgebung der christlichen Fundamentalist*innen stattfinden sollte. SLP-Aktivist*innen hielten Reden, in denen sie erklärten, warum es wichtig ist, gegen die reaktionäre Hetze aufzutreten, und warum wir, wenn wir gegen Unterdrückung kämpfen, das gesamte kapitalistische System ins Visier nehmen müssen. Denn der "pink Capitalism" von Coca-Cola & Co, welche die Pride für ihre Profite missbrauchen, festigt nur das System, auf dessen Basis Homo- und Transphobie entstehen.
Nicht die Kapitalist*innen sind unsere Bündnispartner*innen im Kampf um Befreiung, sondern die Milliarden Arbeiter*innen dieser Welt. Nur im gemeinsamen Kampf der Arbeiter*innenklasse in all ihrer Vielfalt können wir Homo- und Transphobie, sowie das kapitalistische Ausbeutungssystem überwinden. Deswegen ist es gut, dass Gewerkschaften wie vida die Pride unterstützen - doch es braucht noch viel mehr: gewerkschaftliche Kampagnen in Betrieben und Schulen gegen Homo- und Transhobie und einen entschlossenen Kampf gegen Sozialabbau, Wohnungslosigkeit und Kürzungen im Gesundheitsbereich - alles Themen, von denen LGBTQI+-Personen überdurchschnittlich betroffen sind. Und nicht zuletzt braucht es ein sozialistisches Programm, mit dem wir den Reichtum, den wir tagtäglich produzieren, den Klauen der Kapitalist*innen entreißen können und Wirtschaft und Gesellschaft nach unseren Bedürfnissen - und nicht nach denen des Profits - gestalten können!
Dokumentiert: Zwei Reden von SLP-Aktivist*innen von der Kundgebung:
S.:
Wir stehen heute hier, weil wir rechte und religiöse Fundamentalist_innen nicht ungestört marschieren lassen dürfen. Wir stehen heute hier, weil es in unserer Gesellschaft keinen Platz für Ausgrenzung, Homophobie und Intoleranz geben darf. Wir stehen heute hier, um das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung gegen Angriffe der religiösen Rechten zu verteidigen. Denn auch im Jahr 2019 gibt es immer noch zahlreiche Staaten, in denen auf Homosexualität die Todesstrafe steht. In mehr als 70 Ländern sind gleichgeschlechtliche Beziehungen illegal. In 28 der 49 afrikanischen Länder südlich der Sahara ist Homosexualität nach wie vor strafbar. Erst im Mai hatte das Oberste Gericht in Kenia die Gesetzgebung gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen bestätigt. Das ist ein herber Rückschlag für die zahlreichen unermüdlichen Kämpfer_innen für Homosexuellenrechte. Der asiatische Kleinstaat Brunei hat im April – trotz massiver internationaler Kritik – die Todesstrafe für Homosexuelle eingeführt. Wie im Mittelalter droht bei gleichgeschlechtlicher Liebe nun die Steinigung. Von dieser Regelung betroffen sind übrigens auch Ausländer_innen. Das bisher geltende Strafmaß von bis zu 10 Jahren Haft, war bereits ungeheuerlich. Nun aber sollen Menschen umgebracht werden, die nichts anderes tun, als zu leben und zu lieben wie und wen sie wollen. Diese Entwicklungen sind Teil eines Backlashs, der nicht nur im globalen Süden oder in muslimischen Ländern Einzug hält.
Konservative, klerikale und erzreligiöse Kräfte nutzen ihre politischen Netzwerke weltweit, um die Rechtsprechung zu beeinflussen und den gesellschaftlichen Diskurs mitzubestimmen. Dagegen und gegen alle Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung müssen wir auch weiter aufstehen, weiter Druck aufbauen und uns mit Betroffenen solidarisieren. Dass sich Solidarität und Widerstand auszahlt, hat zuletzt das Beispiel Botswanas gezeigt. Hier hat sich eine Privatperson an den Obersten Gerichtshof gewandt, um gegen das Verbot von gleichgeschlechtlichem Sex vorzugehen. Diese Person hat Recht bekommen. Der Oberste Gerichtshof hat den entsprechenden Paragrafen, der ein Strafmaß von bis zu 7 Jahren vorsieht, außer Kraft gesetzt. In Botswana dürfen sich gleichgeschlechtliche Paare nun straffrei lieben. Das ist ein Erfolg für die Bewegung, für alle Betroffenen und für unseren gemeinsamen Kampf. Dieser Erfolg zeigt, wie wichtig es ist, Widerstand zu leisten und gegen Ungerechtigkeit, gegen Ausgrenzung und gegen Diskriminierung aufzustehen. Vor uns liegt ein langer Weg. Wir kämpfen gegen konservative Weltbilder, gegen die Macht der Kirche und gegen jene Menschen, die heute wieder ihren „Marsch für die Familie“ abhalten. So lange irgendwo auf dieser Welt Menschen aufgrund ihrer Sexualität, ihres Geschlechts, ihrer Lebensweise angegriffen und ausgegrenzt werden, werden wir weiter laut, wütend und entschlossen auf die Straße gehen. Gemeinsam können wir den Kampf gewinnen! Solidarität ist eine Waffe, Religion ist Opium für das Volk!
Oliver Giel:
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Aktivistinnen und Aktivisten, wir sind heute hier, um gegen organisierte Homophobie zu demonstrieren. Dabei passt das Wort überhaupt nicht, denn Phobien bezeichnen mit Angst verbundene krankhafte Wahrnehmungsstörungen. Dagegen zu protestieren wäre sinnlos. Abwertung von Schwulen, Lesben, Bisexuellen, Trans- und Intergenären ist keine Krankheit, die medizinisch behandelt werden kann. Es ist eine Krankheit nicht einzelner Menschen, sondern das Symptom einer gesellschaftlichen Krankheit, und diese Krankheit heißt Kapitalismus und Patriarchat! Die kapitalistische Moderne hat im 18. Jh. eine Gesellschaft hervorgebracht, in der die Menschheit in verschiedene Rassen, Klassen und Geschlechter zu zerfallen hat. Der starke Mann hat als Boss einen Betrieb oder als Politiker einen Staat zu führen, und wer’s nicht schafft, soll sich zumindest den Buckel krumm arbeiten und als Soldat sein Leben für das Vaterland opfern. Die Frauen haben Kinder zu kriegen, dass der Boss etwas zu vererben hat, bzw. diese Erben jemanden haben, der sich für sie den Buckel krumm arbeiten kann. Für ein Leben außerhalb dieser Geschlechterrollen ist in diesem Denken kein Platz.
Aber schon von Anfang an haben Menschen gegen diese sogenannte natürliche Ordnung aufbegehrt. Männer wollten ihr Leben nicht mehr für Vaterland und Profit hergeben, Frauen wollten selbstbestimmt leben, Schwule und Lesben mit ihren Liebsten offen zusammen leben und Trans* und Intergenäre nicht mehr mit dem Stempel eines Geschlechtes leben, das nicht das ihre ist. Es war ein langer Kampf. Es war ein mühsamer Kampf. Und dieser Kampf, dessen Errungenschaften wir heute verteidigen, ist noch lange nicht zu Ende. Weil wir immer noch in einer Welt leben, in der Schwule von einer Mullah-Diktatur an Baukränen aus Deutschland aufgehängt werden. Weil wir immer noch in einem Europa leben, in dem Vergewaltiger freigesprochen werden. Weil wir immer noch in einem Land leben, in dem Schwangerschaftsabbruch eine Straftat ist. Weil es immer noch selbstverständlich ist, dass „schwul“ ein Schimpfwort ist. Weil Beleidigungen gegen Homo- und Bisexuelle, Trans* und Intermenschen immer noch normal sind. Aber es geht auch anders. Das in durch Klassenkämpfe gegen das europäische Spardiktat aufgerüttelte Irland hat die gleichgeschlechtliche Ehe und das Recht auf Schwangerschaftsabbruch per Volksentscheid gegen den Widerstand der katholischen Kirche durchgesetzt. Lasst auch uns unsere Kämpfe verbinden: Gegen Sexismus, gegen Kapitalismus, gegen Homo- und Transphobie, für eine Gesellschaft, die des Menschen würdig ist.