Di 01.04.1997
Ganz Österreich im Volksbegehrensfieber? Die Erwartungen sind groß. Können jetzt tatsächlich Verbesserungen von unten erkämpft werden? Volksbegehren sind in unserem politischen System das einzige vorgesehene Mittel, um von außen Einfluß auf die Arbeit des Parlaments zu nehmen.
Rechtlich können der “Volksvertretung” weder Wahlen noch bindende Volksabstimmungen aufgezwungen werden. Formell sind Volksbegehren also bedeutungslos: Das “Hohe Haus” muß sich bestenfalls mit dem Gegenstand des Volksbegehrens befassen - mehr nicht. Es zeigt sich: Mit tatsächlicher Demokratie hat “unser” parlamentarisches System nichts zu tun. Ganz abgesehen davon, daß die wirklichen Entscheidungen ohnehin woanders fallen.
Druck von Hunderttausenden
Realpolitisch machen hunderttausende Unterschriften Druck. Bereits im Vorfeld deutete sich ein derartiger Zuspruch an, daß es sich keine Partei leisten konnte, das Frauenvolksbegehren öffentlich abzulehnen. Im Fall von Parteien wie ÖVP und FPÖ, die bei jeder Gelegenheit “Frauen an den Herd” fordern, wirkt dieser Sinneswandel eher belustigend. Doch wie ist das Verhalten der SPÖ zu bewerten, die für die Unterstützung des Volksbegehrens warb? Natürlich gibt es in der SPÖ Tausende, die seit Jahren auf ein derartiges Signal warteten und freudig diese Aktion mittrugen. Mit den offiziellen PolitikerInnen ist allerdings härter ins Gericht zu gehen: Welche Maßnahmen haben sie in den letzten Jahren - von Angriffen auf Karenz- und Pflegegeld bis zur Streichung der Geburtenhilfe - mitgetragen? Und was werden sie tun, um die Forderungen des Volksbegehrens umzusetzen?
Jetzt geht`s erst richtig los
Breite Unterstützung für ein Volksbegehren, das sich für gleiche Rechte und die Erhöhung von sozialen Standards einsetzt, ist in Sparpakets-Zeiten ein Signal. Auch die Bewegung der Studierenden im vorigen Frühjahr war ein Ansatzpunkt für Widerstand. Im Gegensatz zu Zehntausenden, die - wie im Streik auf den Universitäten und Schulen - öffentliche Gebäude und Straßen besetzen, ist das Leisten einer Unterschrift ein weniger radikales Mittel, um Protest auszudrücken. Auch die Forderungen der damaligen Bewegung, wie “Weg mit gesamten Sparpaket”, waren politisch klarer und ausgereifter als jene des Frauenvolksbegehrens. Umso wichtiger ist es, jetzt den günstigen Wind, den es durch die breite Unterstützung gibt, zu nützen. Denn die aufgestellten Forderungen werden unter Garantie nicht durch dieses Volksbegehren allein erfüllt werden.
Die große Gefahr
Gerade jetzt wird das Bundesheer für Frauen geöffnet. Bejubelt wurde dieser Schritt - wie die Aufhebung des Nachtarbeitsverbotes für Frauen - von den “Frauenpolitikerinnen” von FPÖ, ÖVP und LIF, die allesamt auch kein Problem haben, das Volksbegehren zu unterschreiben. Und auch SPÖ-Frauenministerin Prammer hat kein Veto gegen “Frauen ins Heer” eingelegt. Natürlich ist es durch und durch zynisch, eine Politik, die Frauen zu weiterer Aufrüstung mißbraucht bzw. Schutzbestimmungen aufhebt, als frauenfreundlich zu verkaufen. Tatsache ist aber, daß, wenn sich keine Bewegung aus diesem Volksbegehren entwickelt, der Erfolg dieser Aktion sogar für einen reaktionären Frauenkurs mißbraucht werden kann.
Gemeinsam kämpfen
Vor allem die “linken Promis” aus ÖGB und SPÖ, die das Volksbegehren medienwirksam unterstützen, müssen jetzt in die Pflicht genommen werden. Sie müssen in ihren Organisationen dafür kämpfen, daß der Erfolg der Aktion zur Formierung einer breiten Widerstandsbewegung führt. Das würde einen völligen Bruch mit bisher gepflegten Traditionen a’la Parteidisziplin und Sozialpartnerschaft bedeuten. Wichtig wäre es auch, eine solche Bewegung mit allen anderen Ansätzen von Widerstand, die es gegen Sozialabbau und rechte Politik gibt, zu vernetzen. Das Volksbegehren kann so eine echte Protestlawine lostreten. Die Streiks und Massendemonstrationen in zahlreichen europäischen Länderen - Deutschland, Belgien, Italien... - könnten hier als Vorbild dienen.