Planwirtschaft – die große Idee des 21. Jahrhunderts

Planwirtschaft bedeutet, für die Bedürfnisse von Mensch und Umwelt zu produzieren, nicht für den Profit einiger Weniger.
Sebastian Kugler

Wien, Mariahilfer Straße. An der Hausnummer 72, wo vor dem Corona-Shutdown ein Betty Barclay Store für Damenmode stand, eröffnet am 14. April ein neuer Pop Up- Store - Für Atemschutzmasken. Während es auf der ganzen Welt – auch in Österreich – unzähligen Menschen bei der Arbeit an notwendiger Schutzausrüstung fehlt, wird sie hier profitabel verkauft. Ein 10er-Pack Einwegmasken um 20€, „lustige“ Kindermasken ab 24,99€, FFP3-Masken gibt es für 29,99€ und extra modische Masken um 39,99€. Nur vier Tage später gibt es einen versuchten Einbruch in dem Geschäft. Dem „Kurier“ gegenüber zeigt sich der Shop-Inhaber empört: "Ich möchte wissen, wer in Zeiten wie diesen eine solche Tat versucht" – und verweist im gleichen Atemzug auf den zweistelligen Millionenwert seiner Ware im Geschäft. Während der letzten Wirtschaftskrise vergleichbaren Ausmaßes schrieb Bertolt Brecht: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ 90 Jahre später gilt der selbe Satz für Maskengeschäfte – nur eine Woche nach dem Einbruch eröffnet an der Hausnummer 95 das nächste. Der ganze Wahnsinn des Kapitalismus offenbart sich in diesen Chronik-Meldungen. Warum werden nicht einfach genügend Masken produziert und an alle verteilt, die sie brauchen?

 

Die Antwort liegt im Wesen des Kapitalismus: Vom nuklearen Sprengkopf bis zur Atemschutzmaske: In diesem System ist alles Ware. Produkte werden nicht hergestellt, um einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen, sondern um profitabel verkauft zu werden. Corona spitzt die Absurditäten nur zu, die der Kapitalismus schon immer hervorbrachte. Firmen und Staaten konkurrieren in der Forschung nach Impfstoffen und halten ihre Ergebnisse geheim. Nun meint sogar das Finanzmarktportal marketwatch.com: „Statt sich auf nationale Regierungen zu verlassen, um die schnelle Entwicklung, Produktion und Bereitstellung von Tests und Medikamenten bei Ausbrüchen zu gewährleisten, braucht die Welt eine globale Koordinationsplattform.“ Es stimmt: Es braucht Koordination statt Konkurrenz - wirtschaftliche Planung statt den „freien Markt“. Doch das ist im Kapitalismus unmöglich. Die Krise, die Zerstörung von Natur und Menschenleben – sie sind alle in diesem profitorientierten Konkurrenzsystem angelegt.

 

Warum gibt es etwa Arbeitslosigkeit? Nicht, weil es nicht genug zu tun gäbe. Sondern weil die „Arbeitgeber“ uns nur für sie arbeiten lassen, wenn sie mit unserer Arbeit Profit machen können. Eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden bei vollem Lohn und Personalausgleich würde auf einen Schlag die Arbeitslosigkeit beseitigen. Die gesellschaftlich notwendige Arbeit könnte dann so organisiert werden, dass nicht die einen überlastet und die anderen ohne Job sind. Statt wie bei der AUA nur zwischen Massenkündigung oder „Rettung“ auf Kosten von Steuerzahler*innen und Umwelt zu wählen, können Unternehmen verstaatlicht und unter die Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden. Es ist ein Mythos, dass wir Bosse bräuchten, um wirtschaftliche Prozesse zu organisieren. Laut dem Institut für Fortbestehensprognoseherstellung waren schon vor der Corona-Krise 75% aller Insolvenzen auf Fehler der Chefetage zurückzuführen. Schon in den ersten Wochen der Krise machten unzählige Beschäftigte die Erfahrung, dass die Chefs völlig planlos waren, und sie auf sich alleine gestellt de facto selbst den Betrieb weiter führten. Es zeigt sich immer mehr, wer die wahren Expert*innen sind: Die Beschäftigten selbst. Sie wissen, wie man Produktion und Verteilung von Gütern organisieren kann. Durch das Internet ist es einfach, die Bedürfnisse der Gesellschaft nach bestimmten Gütern und Dienstleitungen zu erheben und die Arbeitsprozesse daran anzupassen. Demokratische Räte in allen Wirtschaftszweigen können die Wirtschaft viel effizienter organisieren als profit- und konkurrenzgetriebene Chefetagen. Das alles sind keine utopischen Ideen: Wo immer Arbeiter*innen sich gegen dieses System zusammengeschlossen haben, kam die Idee der Rätedemokratie und der wirtschaftlichen Planung auf. In den stalinistischen Diktaturen wurde sie verraten: Planwirtschaft braucht echte Arbeiter*innendemokratie.

 

Eine demokratisch geplante Wirtschaft ist nicht nur möglich, sie ist absolut notwendig. Das Chaos des Kapitalismus gefährdet nicht mehr nur soziale Standards und demokratische Rechte, sondern – in Form der Klimakrise – das Leben unzähliger Menschen. Nur planwirtschaftliche Maßnahmen können die radikale Umstellung der Produktion durchführen, die notwendig ist, um das Schlimmste zu vermeiden. Um das zu erreichen, müssen wir den Kapitalismus weltweit stürzen. Dafür kämpfen wir als revolutionäre Sozialist*innen.

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