Mo 07.01.2008
Das Treffen von Präsidium sowie Bundesrates der Pakistan People's Party (PPP) am 30. Dezember im Haus der verstorbenen Parteiführerin Benazir Bhutto in der Provinz Sindh hat für all jene, die mit der PPP und pakistanischer Politik etwas vertraut sind, keine Überraschung gebracht. Der 19jährige Sohn von Benazir Bhutto, Bilawal Bhutto, wurde zum Vorsitzenden gemacht und ihr Ehemann, Asif Zardari, sein Stellvertreter. Die PPP hat außerdem entschieden sich an den ursprünglich für 8. Jänner fixierten Wahlen zu beteiligen. Die Parteiführung hat darüber hinaus festgelegt, dass der von Benazir Bhutto eingeschlagene Kurs fortgesetzt wird.
Viele politische KommentatorInnen haben dieses Treffen auch eine zweite Gründung der PPP, mit neuer Führung, genannt. Tatsächlich ist diese neue Führung aber nur eine Fortsetzung der Herrschaft der Familie Bhutto über die Partei. Diese Entscheidungen folgen dem Testament von Benazir, das sie ihrer Familie und der Partei hinterlassen hat. Darin bittet sie ihren Ehemann, die Partei zu führen, aber er hat sie an seinen Sohn übergeben. Asif Zardari wird aber tatsächlich weiterhin die Partei führen und im Namen der Bhuttos dominieren.
Diese Tradition des Familienerbes wurde auch 1979 von Zulifqar Ali Bhutto genutzt um die Führung der Partei ohne Rücksprache an seine Tochter Benazir zu übergeben. Nun hat Benazir dasselbe getan. Die feudale, dynastische Tradition lebt auch im 21. Jahrhundert fort.
Die Zukunft der Politik der PPP
Der plötzliche Tot von Benazir Bhutto hat ein enormes Vakuum nicht nur in der PPP sondern in der pakistanischen Politik insgesamt hinterlassen. Sie war eine überragende Figur in der Partei und der Politik mit einer Geschichte von Kämpfen und Opfern gegen das Establishment und gegen die Militärdiktatur. Ihr anti-establishment Image ist v.a. in den letzten Monaten beträchtlich geschwunden, weil sie mit Unterstützung des westlichen Imperialismus versuchte, Deals mit General Musharraf zu schließen.
Aber nun hat ihr brutalere Tot sie wieder zu einem Symbol für Kampf und Mut gemacht – gegen Fundamentalismus und Diktatur. Das wird für eine gewisse Zeit ihre politischen Fehler und auch ihren Verrat beiseite schieben.
Die Führung der PPP wird die Sympathiewelle sowie die gramvolle Stimmung dazu nutzen, um jene Politik fortzusetzen, die ihren Interessen dient. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Einigkeit der Partei zumindest kurzfristig erhalten bleibt und Spaltungen verhindert werden können. Es ist auch wahrscheinlich, dass sie bei den kommenden Wahlen eine Mehrheit gewinnen wird und eine Regierung bilden kann. Die Führung mit einem feudalen Backround wird die gegenwärtige Stimmung und die Wut gegen das Regime nutzen um Unterstützung aus den Reihen der ArbeiterInnenklasse zu sammeln um einen neuerlichen Schlag gegen das militärische Establishment führen zu können mit dem Ziel, die Macht zu teilen.
Sobald sie an der Macht ist muss sich die Partei mit den wirklichen Problemen beschäftigen. Die ArbeiterInnenklasse wird einer PPP-Regierung nicht viel Zeit lassen, ihre Probleme zu lösen. Es ist deutlich, dass die Partei von Bhutto nicht in der Lage sein wird, die Probleme, denen sich die ArbeiterInnenklasse und die Armen gegenübersehen, zu lösen. Die Partei hat kein alternatives Programm und keine Strategie um die Probleme der arbeitenden Massen zu lösen. Sie wird dieselbe Politik von freier Marktwirtschaft fortführen, die frühere Regierungen der PPP betrieben haben – und damals hatte diese Politik dazu geführt, dass die Unterstützung für die PPP geschrumpft ist. Es ist sehr wahrscheinlich dass die PPP ihre Politik der Unterstützung der USA und ihres „Krieges gegen den Terror“ fortsetzt.
Als Ergebnis des Personenkultes gibt es viele Fraktionen und Gruppen in der Partei. Alle etwas bekannteren PPP-FührerInnen haben ihre eigene Gruppe von UnterstützerInnen. Deren Basis sind aber nicht Ideen, Prinzipien oder Programme sondern es geht um die Unterstützung einzelner Personen um daraus politischen Nutzen zu ziehen. Diese Gruppen und Fraktionen können in einen Kampf um die Kontrolle des Parteiapparates verwickelt werden. Asif Zardari wird die Einheit der Partei nicht lange sicherstellen können. Größere und Kleinere Spaltungen können in der Partei rund um verschiedene Themen und Fragen entstehen.
Das Fehlen eines klaren Programms, dass die Partei einigen könnte, ist nun noch viel problematischer, da es nun auch keineN charismatischeN FührerIn der Partei mehr gibt, die die Partei längerfristig zusammenhalten könnte, wie das Benazir konnte. In der Zukunft könnte die PPP in verschiedene Gruppen zerfallen woraus neue Formationen entstehen könnten.
Wenn in den nächsten Jahren eine Bewegung von ArbeiterInnen entsteht, dann kann sich eine radikalere Formation rund um FührerInnen wie Aitzaz Ahsan (dem Anführer der momentanen Bewegung der Anwälte) entwickeln. Die Größe und der Charakter jeder Abspaltung wird von den konkreten Bedingungen abhängen die zum Entstehungszeitpunkt existieren. Eine Sache ist klar: der momentane politische Kurs wird die PPP ins Chaos und eine noch tiefere Krise führen.
Die Stimmung der ArbeiterInnenklasse
Der wahrscheinliche Wahlsieg der PPP wird von vielen als Wiederkehr einer politischen Tradition interpretiert werden. Natürlich wird die PPP von der jetzigen Sympathiewelle und der Bestürzung Unterstützung für die Wahlen ziehen können. Die Ermordung von Benazir Bhutto hat in den Reihen der ArbeiterInnenklasse Wut und eine Ablehnung des Establishments entzündet. Diese Sympathie und diese Wut kann sich in genug Stimmen für die PPP verwandeln um die pro-Musharraf Parteien zu besiegen. Aber diese Sympathie ist ein kurzfristiges Phänomen und wird nicht lange anhalten. Sie wird das Bewusstsein und die Haltung der ArbeiterInnenklasse zur PPP nicht grundsätzlich verändern.
Es ist wahrscheinlich, dass die PPP ihre Basis und Unterstützung in der ArbeiterInnenklasse nicht wieder erlangen wird. Die Sympathie wird verschwinden wenn die Partei an die Macht kommt und dieselbe Politik – gegen die ArbeiterInnenklasse und gegen die Armen – durchführt. Teile der ArbeiterInnenklasse werden ihre Stimme gegen das Regime abgeben wollen und daher, weil es keine wirkliche Alternative für die ArbeiterInnenklasse gibt, für die PPP stimmen.
Es ist nicht möglich, dass die PPP die Partei der Massen wird wie sie es in der Vergangenheit einmal war. Heute wird die Partei anders gesehen. Die fortgeschrittenen Teile der ArbeiterInnen sind nicht bereit, der Führung der Partei zu vertrauen. Und auch in den breiteren Schichten wird aus der Sympathie keine praktische Unterstützung. Der überwiegende Teil der ArbeiterInnen ist nicht bereit politisch für die PPP einzusetzen.
Die Provinz Sindh stellt hier insofern eine Ausnahme dar, als die PPP auf der Grundlage des wachsenden Sindh-Nationalismus in Innere-Sindh (den ländlicheren, feudaleren Gegenden) breite Unterstützung unter den arbeitenden Massen geniest. Solange es keine wirkliche Klassenalternative für die ArbeiterInnen gibt, kann die PPP zahlenmäßig starke Unterstützung von Teilen der ArbeiterInnenklasse erhalten. Aber die Führung kann die Partei nicht in eine politische Kraft verwandeln die Hoffungen und Illusionen bei den Massen in großem Ausmaß erzeugen kann.
In der Zeit vor ihrem Tot hat es Benazir Bhutto verabsäumt die Massen hinter ihre Partei zu mobilisieren. Ihre Wahlveranstaltungen und die öffentlichen Auftritte waren kleiner als in früheren Wahlkämpfen.
Die einzigen in Pakistan, die noch immer glauben, dass die PPP zurück gewonnen werden kann oder in eine radikale, linke, kämpferische Organisation der ArbeiterInnenklasse verwandelt werden kann sind die sogenannten revolutionären MarxistInnen die in der PPP arbeiten (Schwestergruppe des Funken, Anm. der Übersetzerin). Nichtsdestotrotz können einige AnführerInnen oder Teile der Partei, unter dem Druck der Massen, zumindest verball radikal-linke, antiimperialistische oder sozialdemokratische Positionen aufgreifen.
Die Lektion nicht gelernt
Zulifqar Ali Bhutto, der Vater von Benazir und Gründer und Vorsitzender der PPP, hat vor seiner Hinrichtung durch den Strang 1979 die notwendigen Schlüsse aus seinen politischen Fehlern gezogen. In seinem letzten Buch mit dem Titel „Wenn ich ermordet werde“, dass er im Gefängnis schrieb, stellte er fest: „Ich verbringe Zeit in dieser Todeszelle weil ich versucht habe, Kompromisse zwischen zwei sich bekämpfenden Klassen zu schließen – der ArbeiterInnenklasse und der herrschenden Klasse. Aber es kann keinen Kompromiss zwischen diesen im Widerspruch stehenden Klassen geben. Dieser Klassenkrieg wird erst mit der entscheidenden Niederlage einer dieser Klassen enden. Das ist die Lektion der Situation, in der ich mich befinde.“
Bhutto hatte nicht das Glück einer zweiten Chance nachdem er diese Schlussfolgerungen gezogen hatte, trotzdem verweigerte seine Tochter die Lektion aus seiner Erfahrung zu lernen. ZA Bhutto hatte die Chance die Struktur des Staates und des politischen Systems zu verändern, aber letztlich stärkte er beides nur. Er führte Reformen ein, die die herrschende Klasse schmerzten und daher entschied diese sich zu rächen. Bhutto versuchte den Staat und das System zu reformieren aber er scheiterte dabei.
Benazir Bhutto versuchte dasselbe und versagte jämmerlich. Sie hat alles mögliche getan, um Kompromisse mit dem Establishment zu finden aber diese haben ihr niemals vertraut. Sie versagte dabei, die Interessen der ArbeiterInnenklasse und der armen Massen zu verteidigen und zu vertreten. Sie versuchte die herrschende Klasse von Pakistan zu beruhigen und vom Imperialismus akzeptiert zu werden.
Der Kampf für Freiheit, Demokratie und fundamentale Rechte sowie für eine politische und soziale Veränderung, um die Probleme, denen sich die ArbeiterInnenklassse und die armen Massen täglich ausgesetzt sehen, zu lösen, ist ein Kampf zur Veränderung des Systems und der staatlichen Strukturen. Das bedeutet einen Kampf gegen Kapitalismus, Feudalismus, Imperialismus und rechten politischen Islamismus – gegen alles zur selben Zeit. Sie hängen zusammen, jeder Versuch nur eines dieser Übel zu besiegen wird scheitern weil die anderen zu Hilfe eilen werden, um es zu retten.
Benazir Bhutto wollte den reaktionären religiösen Fundamentalismus beenden, ohne Kapitalismus, Imperialismus und Feudalismus zu beenden. Das funktioniert aber nicht. Der Kampf gegen Armut, Arbeitslosigkeit, Inflation und Hunger hängt zusammen mit dem Kampf zum Sturz des Kapitalismus um Sozialismus aufzubauen.
Die momentane Führung der PPP ist nicht bereit, diesen Kampf gegen Kapitalismus und Feudalismus aufzunehmen. Stattdessen arbeitet sie daran, den „Satus quo“, dass verrottete gegenwärtige System, zu stärken. Die Führung der PPP ist nicht bereit die Lektion zu lernen und es sieht so aus als ob sie die Fehler der Vergangenheit wiederholen wird. Die ArbeiterInnen und die Armen aber werden bereit sein die Schlussfolgerungen auf der Basis ihrer Erfahrungen und der bitteren Enttäuschungen, die sie erlebt haben, zu ziehen. Die Art und Weise, wie die „Nachfolge“ von Benazir entschieden wurde macht deutlich, dass die Führung der PPP nicht wirklich mit dem Feudalismus, Kapitalismus und Imperialismus gebrochen hat und dass eine unabhängige Bewegung und Partei der ArbeiterInnenklssse und der Armen dringend notwendig ist. Das wäre eine Kraft die für eine wirkliche Veränderung der Bedingungen der Massen der Bevölkerung in Pakistan heute kämpft und die einen Kampf für Sozialismus führen kann.