Mi 08.10.2008
Die Partei DIE LINKE erreichte bei den Landtagswahlen in Bayern 4,3 %. Mit diesem Ergebnis hat sich die Linkspartei gegenüber vorherigen Wahlen und Umfragen in Bayern klar gesteigert. Mit einer anderen Wahlstrategie hätte DIE LINKE allerdings den Einzug in den Landtag schaffen können.
Neben den außergewöhnlich starken CSU-Verlusten verlor auch die SPD mit einem Ergebnis von 18,6 % neuerlich tausende WählerInnen. Die SPD hat ihr schlechtestes Wahlergebnis seit 1946 in Bayern eingefahren. Die Verluste der CSU von über 17 % und die Verluste der SPD von knapp 2 % sind eine schallende Ohrfeige für die Große Koalition unter Merkel und Steinmeier. Die CSU-Pleite ist auch ein Resultat des Unmut über Umverteilungspolitik und soziale Krise, nicht zuletzt in der Bildungspolitik (gerade über G8, das Turboabitur, empörten sich Viele).
Nur noch etwa ein Viertel aller Wahlberechtigten gab der CSU die Stimme, die zum ersten Mal seit 1966 ihre absolute Mehrheit im bayrischen Landtag einbüßte. Es kam zu einer hohen Wahlenthaltung und den Übergang von Wählerstimmen zu den „Freien Wählern“, den Grünen und der FDP zurückzuführen. Der LINKEN gelang es nur bedingt, von dem weiteren Niedergang der SPD bzw. der CSU zu profitieren.
Warum reichte es nicht für den Einzug der LINKEN in den Landtag?
Die zentrale Wahllosung der LINKEN war „Bayern für alle“. Dieser inhaltslose und falsche Slogan - bekanntlich ist die Geschichte die Geschichte von Klassenkämpfen - hatte nur einen bescheidenen Mobilisierungseffekt. Es fehlten weitgehend konkrete Forderungen gegen die auch in Bayern real existierende Armut.
Im Wahlkampf machte die Linkspartei so gut wie keine Politik zu dem Fakt, dass besonders in der Stadt München Massenentlassungen bei BMW und Siemens angekündigt wurden. Die Entlassung von 8.000 BMW-Beschäftigten, davon größtenteils Leiharbeiter, wurde zwar kritisiert, aber jeder Konflikt mit der IG-Metall-Bürokratie, welche die Entlassungen widerstandslos schluckte, vermieden. Ähnliches ereignete sich auch am Beispiel Siemens. Zwar attackierte auch hier DIE LINKE die Entlassungen. Es wurde aber kein Versuch gemacht, konkrete Widerstandsperspektiven zu entwickeln. Deutlich wurde im Wahlkampf - zumindest in Südbayern (die Region mit den meisten WählerInnen) -, dass die Linkspartei nicht ausreichend versucht, sich in sozialen Kämpfen und Widerstandsaktionen auf der Straße zu verankern. Nur Teile der Partei - darunter die Mitglieder der SAV - hatten hier eine andere Herangehensweise.
Der Gipfel an Entpolitisierung des Wahlkampfes erreichte DIE LINKE mit dem „Zugspitze“-Plakat. Dieses Plakat zeigte die Zugspitze mit dem Gipfelkreuz und daneben eine Fahne mit der Aufschrift DIE LINKE. Mit solch inhaltsleeren Plakaten ist kein großartiger Blumentopf zu gewinnen. Die Münchner Abendzeitung machte sich in einem Artikel einen Spaß daraus, DIE LINKE wegen ihrer „Bayerntümelei“ zu verspotten.
In der Endphase des Wahlkampfes trat Oskar Lafontaine im Münchner Gewerkschaftshaus hingegen sehr wortradikal auf. Er forderte faktisch die Enteignung bestimmter Unternehmen und attackierte scharf die SPD. Der SPD warf er vor, das gleiche inhaltslose Doppelspiel zu betreiben wie die CSU. Lafontaine verwies darauf, dass die CSU die Wiederherstellung der Pendlerpauschale auf Plakaten fordert, aber im Bundestag gegen ihr eigenes Wahlplakat stimmen wird. In der Tat, die CSU verweigerte einige Tage vor der Bundestagswahl einem Antrag der LINKEN zur Wiederherstellung der Pendlerpauschale ihre Zustimmung. Dies sprach sich auch in Bayern herum und schadete der CSU sehr. Bezüglich der SPD meinte Lafontaine: „Die SPD fordert in Bayern auf ihren Plakaten den Mindestlohn, spricht aber gleichzeitig über eine Koalition mit der FDP. Zudem lehnt sie im Bundestag jeden Antrag der LINKEN in Sachen Mindestlohn ab.“ Der vielumjubelte Auftritt Lafontaines brachte die Linkspartei in der Endphase des Wahlkampfes nochmals deutlich ins Gespräch. Offensichtlich störte Lafontaine die „Bravheit“ der bayerischen Spitzengruppe im Landtagswahlkampf. In der Tat, mit einem offensivem Konzept und klaren Aussagen wäre mehr drin gewesen.
Ein Blick auf die Landkarte des Flächenstaates Bayern belegt dies. Faktisch überall, auch in der tiefsten ländlichen Provinz, erreichte DIE LINKE mindestens 3 % der Stimmen. Nur im Landkreis Starnberg (in Starnberg tummeln sich gehobenes Kleinbürgertum und die Millionäre) erreichte die Linkspartei nur 2,7 % der Stimmen. Auch im Landkreis Weilheim wurden weniger als 3 % erreicht. Das war es aber auch schon. Die Partei DIE LINKE hat auch in den ländlichen Regionen Bayerns mittlerweile eine feste Kernwählerschaft zwischen 3 und 5 %. Die Ergebnisse belegen dies klar. In Oberbayern erreichte sie 3,8 %, in Niederbayern 4,3 %, in der Oberpfalz 4,5 %, in Mittelfranken 5,2 %, in Unterfranken 5,2 % und in Schwaben 4,1 %. Der Problembezirk ist der Regierungsbezirk Oberbayern. Hier leben die meisten WählerInnen. In allen größeren Städten lag DIE LINKE bei über 5 %. In München wurden 5,2 % erzielt, in Passau-Ost 5,8 %, in Regensburg 5,7 %, in Bamberg 5,7 %, in Hof 5,1 %, in Nürnberg 6,8 %, in Nürnberg-West 7,8 %, in Erlangen 5,5 %, in Fürth 6,5 %, in Schweinfurt 8,1 %, in Würzburg 5,7 % und in Augsburg 5,6 %. Auffällig ist, dass in der Landeshauptstadt München das schlechteste Ergebnis in den Großstädten eingefahren wurde, obwohl München die höchsten Mitgliederzahlen von allen Ortsverbänden der LINKEN in Bayern hat. Für dieses Resultat gibt es mehrere Gründe.
München oder der Dieb schreit: „Haltet den Dieb“
Die Führung des Kreisverbandes München „glänzte“ im gesamten Wahlkampf durch Passivität und Vorwürfen gegen die SAV-Mitglieder Oliver Stey und Max Brym, welche Landtagskandidaten auf der Liste der LINKEN und Direktkandidaten in München waren.
Oliver Stey war Landtagskandidat in München-Moosach und Max Brym Direktkandidat in München-Schwabing. Das Wahlplakat der beiden Kandidaten mit der zentralen Losung „Die Reichen sollen zahlen“ wurde als Ausdruck von „Linksektierertum“ vom Kreisvorstand angegriffen. Die Öffentlichkeit im Münchner Norden nahm durch diese kämpferische Forderung aber vielmehr die Linkspartei im Münchner Norden zur Kenntnis. Das Plakat hatte sehr konkrete Forderungen, wie die „Abschaffung der Studiengebühren“ oder „Für kostenlose Kindergartenplätze“ zu bieten. Vorgeworfen wurde den beiden SAV-Kandidaten auch, für „Enteignungen“ einzutreten - was angeblich nicht durch die „Programmatik der LINKEN gedeckt“ sei. Dabei forderte selbst Lafontaine vor der Bayern-Wahl die Enteignung der Schaeffler-Familie und erklärte, dass es sich dabei eigentlich um eine Rückenteignung (der ausgebeuteten ArbeiterInnen) handeln würde; wenn gleich Lafontaine kurz nach seiner Äußerung leider wieder zurück ruderte.
Spitzenkandidat Fritz Schmalzbauer brachte es in der stark gelesenen Internetseite Kandidatenwatch.de sogar fertig, den Kandidaten der eigenen Partei, Max Brym, anzugreifen. Schmalzbauer meinte: „Brym gehört mehreren undemokratischen Organisationen an“ und „nach der Wahl werden wir das Problem Brym lösen“. Dieses parteischädigende Verhalten des Spitzenkandidaten Schmalzbauer hatte jedoch nur bedingt negative Folgen. Das Ergebnis von Max Brym lag bei glatt 5 % in einem sehr schwierigen Wahlkreis. Der Wahlkreis Schwabing ist der Wahlkreis, indem die Grünen und die FDP ihre stärksten Resultate in Bayern erzielten. Der Wahlkreis hat einen sehr hohen Anteil von kleinbürgerlichen WählerInnen und aus der sogenannten „neuen Intelligenz“. Der von Schmalzbauer prophezeite angebliche große Unterschied zwischen Erst- und Zweitstimmen im Stimmbezirk von Max Brym trat nicht ein. Im Wahlkreis Schwabing erzielte die Linkspartei 5 % Erststimmen und 5,1 % an Zweitstimmen. Oliver Stey erreichte im Wahlkreis Moosach 5,1 % Erststimmen und 5,1 % der Zweitstimmen. Damit lagen beide Kandidaten deutlich über dem Ergebnis von Fritz Schmalzbauer anlässlich der Bundestagswahl 2005. Damals war Schmalzbauer Direktkandidat für den Bundestag im gesamten Münchner Norden und erreichte bei den Erststimmen 2,5 %. Auch gegenüber der Kommunalwahl 2008 vermochten die SAV-Mitglieder Stey und Brym das Resultat um mehr als 1 % zu verbessern.
Die Ursache für das relativ schlechte Resultat der LINKEN in München hat andere Gründe als die Kandidatur von SAV-Mitgliedern als Direkt- und Listenkandidaten. Dies belegt auch das starke Resultat von Brym und Stey auf der Liste der LINKEN. Max Brym wurde von Platz 28 auf Platz 13 - der Oberbayern-Liste - nach vorne gewählt. Einen noch größeren Sprung machte Oliver Stey. Oliver Stey kam von Listenplatz 43 auf den Listenplatz 14.
Der Kreisverband muss, um wirklich erfolgreich zu sein, konkrete Politik und ein konkretes Engagement in den betrieblichen, sozialen und antifaschistischen Bewegungen entwickeln.
SAV-Mitglied Beate Jenkner für DIE LINKE im Bezirkstag
Beate Jenkner von der SAV wurde für die Linkspartei in den Bezirkstag von Oberbayern gewählt. Der Bezirkstag kennt keine 5-%-Hürde. DIE LINKE erreichte zur Bezirkstagswahl 3,7 %. Der Bezirkstag ist ein Regionalparlament mit den Schwerpunkten Pflege- und Behindertenpolitik. Dem Bezirkstag unterstehen größere eigene Kliniken.
Beate Jenkner kandidierte auf Listenplatz 1 in Oberbayern. Der Kreis um Schmalzbauer machte auch hier aus seiner Ablehnung der Kandidatin keinen Hehl. In Wirklichkeit führte Beate Jenkner einen sehr engagierten Wahlkampf und machte Veranstaltungen u.a. mit dem Pflege-Experten Claus Fussek. Zudem führte sie Veranstaltungen mit Behindertenverbänden durch und engagierte sich in der ver.di-Kampagne gegen die Situation im Gesundheitswesen. Das Resultat war: Beate Jenkner (die vom Landesverband als Spitzenkandidatin keinen Euro für die Wahlkampfkosten bekam) wurde mit 27.422 Stimmen in den Bezirkstag von Oberbayern gewählt. Der Zweitplatzierte (dem „Forum demokratischer Sozialisten“ nahe stehende) Professor Weber erhielt 10.200 Stimmen.
Fazit
Die Kandidaturen von Beate Jenkner, Max Brym und Oliver Stey haben der LINKEN in Oberbayern geholfen. Durch den Wahlkampf der SAV-Mitglieder konnte das Gesicht der LINKEN in Oberbayern etwas mehr nach links gedreht werden. Die Ergebnisse der Kandidaten, die die SAV stellte, belegen, dass konsequent antikapitalistische Positionen und ein Profil als SozialistInnen dem Wahlkampf der LINKEN – auch in Bayern – keineswegs schaden.
In Oberbayern war es nötig, 2.000 Unterschriften für die Zulassung der Partei DIE LINKE für die Wahlen zu sammeln. Von den mehr als 3.000 eingereichten Unterschriften wurden über 1.000 von Mitgliedern und UnterstützerInnen der SAV gesammelt. (Die Kandidatur Schmalzbauer selber war damit im Übrigen nur möglich durch den unermüdlichen Einsatz der SAV.) Im gesamten Wahlkampf gehörten SAV-Mitglieder zu den aktivsten Linkspartei-Wahlkämpfern.
Die SAV selbst hat im Wahlkampf mehrere neue Mitglieder gewonnen und steht mit weiteren Personen in engem Kontakt.
Es geht für uns darum, gemeinsam mit anderen die Linkspartei weiter nach links zu schieben, sie zu einer kämpferischen Partei zu entwickeln und marxistische Positionen innerhalb der LINKEN mehrheitsfähig zu machen. Der Landtagswahlkampf war hierbei ein wichtiger Ansatz.