Nach Spielfeld – Rückblick, Perspektiven und Aufgaben der Linken

Stefan Gredler

Am Sonntag dem 15. November marschierte die extreme Rechte zum zweiten Mal in Spielfeld auf. Sie schafft es vermehrt ihr Gift unter breitere Schichten der Bevölkerung zu versprühen und dabei an Stärke zu gewinnen. Aus Wien, Graz, Linz und Slowenien kamen AntifaschistInnen angereist um dem rechten Aufmarsch die Stirn zu bieten. Trotzdem war die Linke diesmal in der Unterzahl

Die Rechte marschiert

Unter der Führung der neo-faschistischen Identitären wurden unter dem Motto „Grenzen dicht“ zahlreiche Rechtsextreme, Schläger-Nazis und „besorgte BürgerInnen“ nach Spielfeld mobilisiert. Schon zum zweiten Mal schafften sie es, mehrere hundert TeilnehmerInnen auf ihre Demonstration an die österreichisch-slowenische Grenze zu bringen. Zwar waren es wohl nicht die von ihnen propagierten tausend TeilnehmerInnen, doch auch mehrere hundert stellen eine der größten rechten Mobilisierungen der letzten Jahrzehnte dar. Das ist alarmierend, denn es zeigt, dass das Mobilisierungs-Potenzial der Rechtsextremen wächst. Sie schaffen es vermehrt auch bei Menschen außerhalb der rechten Szene Ängste aufzugreifen, zu schüren und durch ihre Hetze zu instrumentalisieren. In diesem Fahrwasser können nun auch organisierte Rechtsextreme und Neonazis marschieren, die früher nur isoliert und klar als das erkennbar was sie sind – nämlich Ultrarechte am Rande der Gesellschaft – auf die Straße gehen konnten. Während die Versuche Pegida in Österreich zu etablieren und so bekannten Neo-Nazi Gesichtern eine Bühne zu bieten daran scheiterten, dass es zu großen linken Gegenmobilisierungen kam (und die FPÖ dieses Klientel ebenfalls bedient), so sahen die Kräfteverhältnisse in Spielfeld anders aus. Die gesellschaftliche Stimmung ist eine andere. Die Hetze gegen Flüchtlinge seitens der FPÖ und zahlreicher Medien, eine Reihe von polarisierenden Wahlen mit starken Zuwächse für das rechte Lager, die rassistische Politik der Regierung, die geplanten Grenzzäune,... all diese Faktoren haben es möglich gemacht, dass rechte Aufmärsche vom Establishment toleriert, wenn nicht von Teilen willkommen geheißen werden, um die eigene fremdenfeindliche Politik bestätigen zu lassen. Die Politik der etablierten Parteien schafft die Stimmung einer angeblichen „Überflutung“. Somit haben viele Menschen das Gefühl, mit der Anzahl an Flüchtlingen nicht mehr zurecht zu kommen. Das verstärkt berechtigte Ängste um Jobs, Wohnungen, um die Zukunft – und richtet sie gegen jene, die am wenigsten dafür können. Durch das Fehlen einer breiten ArbeiterInnenpartei gibt es keine politische Kraft, die verhindert, dass diese berechtigten sozialen Ängste auf Flüchtlinge projiziert und von Rechtsextremen ausgenützt werden. Die Rechten selbst reden von einer „einmaligen Chance“ und „einem Fenster“ das ihnen ermöglicht „patriotischen Protest endlich auf die Straße zu tragen.“ An uns liegt es, dieses Fenster mit aller Kraft zu schließen. Denn nicht Flüchtlinge sind schuld an Arbeitslosigkeit, Armut und Wohnungsnot, sondern die etablierten PolitikerInnen. Solange keine starke linke Kraft den Zusammenhang zwischen Kapitalismus und sozialen Problemen sowie zwischen Kapitalismus und Flucht aufzeigt, solange können rechte Hetzer von diesen Ängsten profitieren.

Rechte Gewalt

Diese Situation führt dazu, dass die Rechte selbstsicher auftritt. Als in Spielfeld eine Gruppe von AntifaschistInnen eine Straße in den steirischen Weinbergen blockierte, um Rechte daran zu hindern, zu ihrer Auftaktkundgebung zu kommen, kam es zu einer gezielten und brutalen Attacke auf die friedlich Blockierenden. Eine Gruppe von 40 Identitären und Prügel-Nazis rannten auf die antifaschistische Menschenkette zu und durchbrachen sie. Danach schlug der rechte Mob wahllos auf alles ein was sich um sie herum bewegte, selbst auf die eigenen Leute, die gleichzeitig von der anderen Seite heran gestürmt kamen. Über zehn AntifaschistInnen wurden verletzt.Großem Glück und mutigem Selbstschutz ist es zu verdanken, dass es nur zu leichten Verletzungen kam und nicht mehr passierte.

Es ist ein Skandal, dass die Behörden den rechten Marsch überhaupt zuließen, ein noch größerer, dass die Polizei bei dem brutalen Angriff tatenlos blieb. Nach zehn Minuten griff sie ein, aber nicht etwa, um AntifaschistInnen vor den rechen Schlägern zu schützen, sondern um die linken DemonstrantInnen auf die Seite zu drängen und den Rechten eine reibungslose Passage zu ermöglichen. Ein ähnliches Verhalten zeigte die Polizei später am Bahnhof, als rechte Gruppen ungehindert an den AntifaschistInnen vorbei ziehen konnten. Auch hier kam es zu rechten Provokationen und Auseinandersetzungen. Als Folge wurden AntifaschistInnen eingekesselt, mehrere Stunden festgehalten und einer Identitäts-Feststellung unterzogen, die Rechten konnten ungehindert abfahren. Grund dafür waren jedoch nicht die Ereignisse am Bahnhof, sondern, wie sich später herausstellte, der Vorwurf von Sachbeschädigung. Dafür wurden jedoch willkürlich AntifaschistInnen kontrolliert, die nicht einmal alleine auf die Toiletten durften.

Fehler der Linken – Was tun?

Vieles ist an jenem Sonntag in Spielfeld falsch gelaufen. Die linke Gegendemonstration war zahlenmäßig unterlegen, ging nicht geschlossen genug vor und war somit in zahlreiche kleine Gruppen auf gesplittert. Das war eine Strategie, die den rechten Aufmarsch nicht erfolgreich blockieren konnte und darüber hinaus die AntifaschistInnen selbst großer Gefahr aussetzte.

Doch der größte Fehler war das Fehlen einer breiten Mobilisierungskampagne sowie das Fehlen wichtiger Organisationen und Parteien der Linken. Die Rechten haben es nicht nur auf Flüchtlinge und Linke abgesehen, sondern auch auf Frauenrechte, auf MigrantInnen, auf LGBTQ-Personen, auf GewerkschafterInnen - auf all jene, die sich für ihre Rechte einsetzen, für eine andere Gesellschaft kämpfen und somit den Hetzern nicht in ihr Weltbild passen. An all jene hätte sich der Aufruf richten müssen, nach Spielfeld zu kommen. Bei all diesen liegt auch die Verantwortung, ganz im Sinne von „Wehret den Anfängen“, die selbstbewusster werdende extreme Rechte in die Schranken zu weisen. Es wäre nötig gewesen den ÖGB und seine Fachgewerkschaften dazu zu drängen, sich an den Protesten gegen den rechten Aufmarsch zu beteiligen und dafür aufzurufen. Die Arbeiterkammer Wien und die größte Fachgewerkschaft GPA-djp hatten kurz vor den Protesten auf ihrer Vollversammlung bzw. Bundesforum beschlossen, ihre Solidarität mit Flüchtlingen mit dem Kampf für Vermögensumverteilung zu verbinden und sich in dieser Thematik klar zu positionieren (siehe http://www.slp.at/artikel/gpa-djp-sagt-fluchtverursacher-und-superreiche...). Auch in der Woche nach Spielfeld unterschrieben dutzende GewerkschafterInnen des ÖGJ und der GDG-KMSfB dieselbe Resolution. Sich durch Worte zu positionieren ist ein erster Schritt, doch auf solch klare Worte müssen Taten folgen. Am Spielfelder Sonntag sind diese ausgeblieben. Auf Initiative der SLP wurde versucht die Gewerkschaft Vida dazu bewegen, Sonderzüge von Graz nach Spielfeld zur Verfügung zu stellen, damit so Hunderte von AntifaschistInnen gratis nach Spielfeld gelangen könnten. Tatsächlich wurde kaum mobilisiert, weder in Spielfeld, noch bundesweit. Aber gerade in der Steiermark gäbe es eine starke linke Kraft: die KPÖ. Sie sitzt mit zwei Abgeordneten im Landtag, hat durch 19,86% bei den vergangenen Wahlen in Graz zehn GemeinderätInnen, vier RätInnen in der Arbeiterkammer und zahlreiche GLB-BetriebsrätInnen, unter anderem auch in großen Betrieben wie MAGNA, der Voest oder Judenburg Stahl. Viele klassenbewusste Menschen, ArbeiterInnen, Jugendliche, Arbeitslose und PensionistInnen blicken mit Hoffnung und Vertrauen auf die KPÖ-Steiermark. Diese Menschen sind das Fundament für ein Erstarken der Linken in der Steiermark und in ganz Österreich. Deshalb darf auch die KPÖ in der Steiermark nicht davor zurückschrecken, sich klar in der Flüchtlingsfrage mit einem internationalistischen Klassenstandpunkt zu positionieren. Sie hätte durch eine breite Kampagne Hunderte von Menschen mobilisieren können und mit ihren gewählten VertreterInnen der verschiedensten Bereiche in der ersten Reihe stehen müssen, um Rechtsextreme, Schläger-Nazis und Neo-Faschisten daran zu hindern ihre widerliche Hetze zu verbreiten. Doch sie waren nicht da. So auch ihre Jugendorganisationen, zumindest waren sie als solche nicht sichtbar. Die KP-Steiermark schreckt vor einer klaren Positionierung zurück aus Angst, so WählerInnen zu verschrecken. Abgesehen davon, dass diese Taktik linke WählerInnen abschreckt, wird damit auch verabsäumt, wirkliche Antworten auf brennende Fragen zu geben. Die KP-Steiermark beschränkt sich darauf, zu helfen, statt darauf Missstände abzuschaffen. Die KP-Steiermark könnte eine breite Kampagne organisieren, wo das Flüchtlingsthema mit den sozialen Problemen der „Hiesigen“ und v.a. der Finanzierung verknüpft wird. Sie könnte klar machen, dass Geld nicht für das eine oder das andere da ist, sondern bei Superreichen und Unternehmen zu holen ist. Mit so einer Kampagne könnte die KP Steiermark auch und gerade in einer Gemeinde wie Spielfeld (wo sie bei den vergangenen Wahlen lediglich 39 Personen wählten) die Unterstützung auch ausbauen. Eine starke Präsenz, welche den Menschen vermittelt, man wolle sowohl Flüchtlinge als auch die Ortschaft davor schützen, dass Rechtsextreme einen Konflikt hineintragen, könnte SpielfelderInnen dazu bewegen gemeinsam mit steirischen Linken aktiv zu werden.

Der Aufmarsch der Rechten war besonders eine Bedrohung für Flüchtlinge, die in Spielfeld in eisiger Kälte und unter widrigsten Umständen darauf warten, weiterreisen zu können. Doch wenn wir sie wirklich schützen wollen, müssen wir dafür sorgen, dass auch die lokale Bevölkerung miteinbezogen wird, denn wer sonst außer den SpielfelderInnen selbst kann auf lokaler Ebene dauerhaft Solidarität mit Flüchtlingen zeigen und Rechte daran hindern Übergriffe zu begehen? Viele Menschen helfen ehrenamtlich in Spielfeld und an jenem Sonntag kauften AnrainerInnen SLP-AktivistInnen unsere Zeitung „Vorwärts“ ab und bedankten sich für die kurzen Diskussionen die mit ihnen geführt wurden. Sie müssen für unsere Sache gewonnen werden!

Wie weiter?

Die extreme Rechte marschierte eine Woche nach Spielfeld in Wien auf und die Identitären haben für zwei Wochen nach ihrer letzten Demonstration an der Grenze, die nächste Demonstration angekündigt. In Wien waren am 21.11. weniger Rechtsextreme als von den Veranstaltern erwartet gekommen. Sie trampelten auf dem Deserteurs-Denkmal für NS-Verfolgte herum, riefen dazu auf, die Grenzen zu schließen und sich zu bewaffnen. Entwarnung kann also keine gegeben werden. Offen ist noch, wie viele am 28.11. auf den neuerlichen Aufruf der neofaschistischen Identitären kommen werden. Ein neuerlicher erfolgreicher Aufmarsch der extremen Rechten wird ihr Selbstbewusstsein anwachsen lassen. Die rechtsextremen Hetzer sind aus ihren Löchern gekrochen und sie sind gefährlich. Nur eine breite Bewegung kann und wird sie dorthin befördern, wo sie hingehören: auf den Misthaufen der Geschichte.

Mehr und größere Aktionen von Rechten sind zu befürchten. Es gibt kein geradliniges Wachstum der Rechten und kein automatisches, aber die Situation muss dennoch ernst genommen werden. Das ist die Rechnung dafür, dass große Teile der Linken die Verbindung von Rassismus zu immer brennenderen sozialen Problemen wie Armut und Arbeitslosigkeit weitgehend ignoriert haben. Egal ob staatstragend oder autonom – man hat den Antifaschismus zu einer moralischen Angelegenheit reduziert. Das müssen wir ändern. Der Kampf gegen Rechts gehört in die Bezirke, Wohngebiete und Betriebe hinein getragen. Und die Menschen, die die rechte Gefahr bekämpfen, müssen aus genau diesen Bereichen kommen. All die HelferInnen, die auf den Bahnhöfen und den Unterkünften ehrenamtlich, oft neben der eigenen Arbeit, geholfen haben, brauchen ein Angebot auch politisch aktiv zu werden - sowohl für Flüchtlingsrechte, als auch gegen Rassismus. Die Linke muss klarmachen, dass es keine Frage von Moral, sondern eine Frage der Notwendigkeit ist, dem erstarkten Rechtsextremismus die Stirn zu bieten. Denn Rassismus löst keine sozialen Probleme und Ängste, er verschlimmert sie nur und sorgt dafür, dass die ArbeiterInnenklasse gespalten wird, statt vereint gegen die wirklichen Verursacher von Krieg, Armut und Elend Widerstand zu leisten.

Wenn die Linke es schafft, die Solidaritätsarbeit mit Fliehenden sowie den Kampf für Flüchtlingsrechte mit dem Kampf gegen Rassismus und für soziale Verbesserungen zu verbinden, wenn sie es so schafft eine breite und starke Bewegung aufzubauen und verschiedenste Teile der ArbeiterInnenklasse zu vereinen, dann kann die extreme Rechte einpacken, denn dann bekommt ihr Hass kein Fußbreit mehr an Boden.