Mi 28.02.2018
Nachdem am 14. Februar an einer Schule in Florida 17 Menschen, zumeist SchülerInnen, bei einem Amoklauf getötet wurden, hat sich im ganzen Land eine Protestbewegung in Bewegung gesetzt.
Sie setzt sich mit Entschiedenheit gegen die mächtige Schusswaffenindustrie und deren Lobbyorganisation NRA zur Wehr, die auch zu einer wichtigen politischen Stütze Donald Trumps gehört.
Eine Demonstration ging direkt vor die NRA-Zentrale. Forderungen nach schärferen Schusswaffengesetzen werden dabei mit Slogans gegen die Trump-Administration gemischt. Vereinzelt kam es zur Zusammenarbeit der Protestbewegung mit Women’s Marches und anderen Bewegungen gegen Trump.
Die Rolle der NRA
Die US-Waffenindustrie hat gerade auch in der Wirtschaftskrise Konjunktur. Die Umsätze der größten Hersteller erreichten in den letzten Jahren Rekordzahlen. Gerade Unsicherheit und die Erfahrung einer politischen und sozialen Krise tragen dazu bei. Die NRA ist eine der reichsten Lobbyorganisationen in den USA. Sie verfügt über einen Jahresumsatz von 450 Millionen US-Dollar. Seit den 60er Jahren, als sich Teile der weißen Ober- und Mittelklasse gegen die Bürgerrechtsbewegung bewaffneten, hat sie einen klar politischen, rechten Charakter. Zuletzt investierte sie 2016 stolze 55 Millionen US-Dollar in den Wahlkampf – dreißig Millionen davon zu Gunsten Trumps. (Die Zeit, 5.10.2017; Spiegel Online 24.2.2018) Im republikanisch regierten Florida scheiterte kurz nach dem Parkland-Massaker ein Gesetzesentwurf für schärfere Waffengesetze. Die NRA trat mit der Forderung auf, LehrerInnen zu bewaffnen und diese zu Quasi-HilfspolizistInnen zu machen. Wie zu erwarten war, hat Präsident Trump diese Forderung aufgegriffen. Zugleich gehen die Kürzungen im Sozial- und Bildungssektor, die in der Krise sprunghaft zugenommen haben, weiter. Schulsozialarbeiterstellen werden gestrichen, Druck und Konkurrenzkampf um immer weniger Arbeitsstellen nehmen zu. Verantwortlich dafür ist die neoliberale und kapitalfreundliche Politik der Republikaner und Demokraten.
Gewalt als Monopol
In Europa wird über die USA oft das Klischee einer Nation „schießwütiger Cowboys“ verbreitet. Aber auch von [links-]liberalen Kräften in den USA wird die Idee geäußert, dass schärfere Gesetze und eine Erschwerung des Verkaufs von Waffen eine ausreichende Lösung des Problems seien. Diese Forderungen laufen de facto auf eine Stärkung des Gewaltmonopols des bürgerlichen Staates hinaus. Er sollen zum Beispiel Waffenverkäufe an psychisch auffällige Personen oder Vorbestrafte untersagt werden. Das gerade Letzteres sich vor allem gegen arme und schwarze Menschen richtet wird dabei ausgeklammert. US-Liberale blicken als Vorbild auf Europa, wo das Waffentragen ein Vorrecht von „Experten“ aus Armee und Polizei ist.
Tatsächlich aber sind Polizei und Armee überall Mittel zur Unterdrückung. Die USA sind reich an historischen Belegen dafür. So ging die Nationalgarde immer wieder gegen Aufstände in den schwarzen Ghettos vor, am Schärfsten 1968, nach der Ermordung Martin Luther Kings. 1999 wurde sie gegen die WTO-Proteste in Seattle eingesetzt. Alleine 2017 starben 987 Menschen in den USA durch Polizeikugeln – zumeist arme und schwarze Menschen. (Die Zeit, 8.1.2018) Die Bewegung „Black Lives Matter“ war eine Reaktion darauf.
„The right to bear arms“ – Ein kurzer Blick in die Geschichte
Der viel diskutierte 2. Verfassungszusatz von 1791 ist die Grundlage des massenhaften Waffenbesitzes durch Zivilpersonen. Er entstand im Gefolge des Revolutionskrieges gegen die britische Krone. Anders als in den Monarchien Europas sollte es eine allgemeine Volksbewaffnung geben. Tatsächlich gab es Milizen, die parallel zur Armee und Polizei existierten. Die im Grunde demokratische Idee einer allgemeinen Volksmiliz wurde auch von der sozialistischen Arbeiterbewegung übernommen.
Aber unter den Bedingungen einer auf Expansion und Ausbeutung basierenden Siedler- und Klassengesellschaft wurden Milizen zu Machtmitteln derer, die über Macht und Geld verfügten. Sie dienten zur Unterdrückung und Einschüchterung der Schwarzen und der von ihrem Land verdrängten indigen Bevölkerung. Mehrfach in der Geschichte wurden State Militias gegen streikende ArbeiterInnen, gegen die Linke und Gewerkschaften eingesetzt. Unternehmer wie Henry Ford unterhielten zudem sogar regelrechte Privatarmeen.
Zur selben Zeit gab es aber auch kollektive, bewaffnete Gegenwehr durch Gewerkschaftsmilizen. In den 1960er Jahren nutzte die Black Panthers Party den Verfassungszusatz, um eigene Milizen zu bilden, die die schwarze Community gegen rassistische Gruppen und die Gewalt der Polizei schützten.
Was tun?
Mehr Überwachung von SchülerInnen ist abzulehnen. Lehrkräfte sollen nicht zu HilfspolizistInnen gemacht werden. Viel mehr muss es darum gehen, die sozialen Ursachen für Gewalt und Verrohung zu beseitigen, die letztlich zu Ausbrüchen wie diesen schrecklichen Amokläufen führen. Die mit der Trump-Regierung verfilzte Waffenlobby muss gestoppt werden. Die Waffenindustrie, die Milliardenprofite mit dem Tod macht, gehört entschädigungslos enteignet. Socialist Alternative (Schwesterorganisation der SAV in den USA) setzt sich für eine Ausweitung des Verbots von automatischen Waffen ein. Waffenmodifikationen sollen verboten werden.
Die Forderung der SchülerInnen-Bewegung und der LehrerInnen-Gewerkschaften nach schusswaffenfreien Schulen sind natürlich berechtigt. Dazu gehört erst Mal, dass die Präsenz von NRA und Armeevorbereitungskurse in Schulen beendet werden.
Aber nicht das Gewaltmonopol des kapitalistischen Staates, der Streiks bricht und die Armen und Nicht-Weißen unterdrückt, gibt Sicherheit. Sicherheit kann es nur in einer Gesellschaft geben, die weder Armut noch mörderischen Konkurrenzkampf gibt und in der es nicht einigen wenigen Konzernen ermöglicht wird, für Profiten buchstäblich über Leichen zu gehen.