Massendemonstrationen gegen die Regierung in Rumänien

Diese Erklärung einer Gruppe von SympathisantInnen des CWI in Rumänien „Mana de Lucru“ erschien zuerst am 13. August in englischer Übersetzung auf der Webseite socialistworld.net.

Wir verurteilen den skandalösen Machtmissbrauch durch die rumänischen Polizeikräfte!

Ohne Vorbehalte verurteilen wir den skandalösen Machtmissbrauch durch die rumänische Gendarmerie [Bereitschaftspolizei] bei den Protesten von Freitagabend, als hunderte Personen verletzt worden sind. Derart willkürliche Gewalt ist typisch für dieses repressive Staatsorgan, dessen wesentliche Rolle darin besteht, die Interessen des politischen Establishments gegen die Zivilbevölkerung zu schützen. Wir fordern eine öffentliche Untersuchung dieses missbräuchlichen Vorgehens und den sofortigen Rücktritt der dafür Verantwortlichen!

Die Wut, welche die Leute auf die Straße treibt, ist aufrichtig und gerechtfertigt. Die Regierung der PSD („Sozialdemokratische Partei“, die aus der alten stalinistischen Regierungspartei hervorgegangen ist) ist zweifelsfrei eine Regierung, die im Dienste der korrupten OligarchInnen steht. Die Interessen der „einfachen Leute“ kümmern sie nur wenig.

Wir meinen allerdings, dass die Empörung sich gegen die gesamte politische Elite Rumäniens und die neoliberale Politik richten sollte, durch die Millionen von RumänInnen gezwungen worden sind, das Land zu verlassen. Diejenigen, die geblieben sind, müssen hingegen mit Niedriglöhnen, unsicheren Beschäftigungsverhältnissen und einem dahinsiechenden öffentlichen Versorgungssystem zurechtkommen. Demgegenüber müssen wir mit ansehen, wie die Parteien aus der Opposition heraus versuchen, die Protestbewegung zu vereinnahmen und sie in ihrer politischen Auseinandersetzung mit der PSD nutzen. Befänden sich diese Parteien jedoch selbst in der Regierung, so würde klar werden, dass auch sie keine wirkliche Alternative zur PSD darstellen. Die Wahrheit ist, dass keine der derzeitigen Parteien uns vertreten kann – weder diejenigen, die das Land verlassen haben, noch diejenigen, die hier geblieben sind. Keine dieser Parteien hat ein Programm anzubieten, das die drängenden sozialen und ökonomischen Probleme aufgreifen würde, mit denen die Mehrheit der RumänInnen konfrontiert ist.

Bedauerlicherweise gibt es auch bei den Protesten kein solches Programm – noch nicht einmal eines mit „Minimal-Charakter“. Die einzigen eindeutigen Forderungen, die dort vorgebracht werden (Rücktritt der Regierung und vorgezogene Neuwahlen), erwecken den Eindruck, lediglich den führenden Köpfen der Opposition zu dienen. Das Fehlen einer Liste eindeutiger und relevanter Forderungen, offenbart den Mangel an Lösungsvorschlägen der Opposition aber auch das Fehlen einer politischen Linken und einer Arbeiterbewegung, die stark und kämpferisch genug wäre, um den Kurs dieser Proteste beeinflussen und das Problem der Korruption mit anderen Aspekten in unserer Gesellschaft in Verbindung bringen zu können: von den oft krassen Arbeitsbedingungen bis hin zur Krise im Gesundheitssystem.

Eine wirkliche Alternative zur PSD und dem Rest des politischen Establishments kann nur von dort kommen, indem die Korruption nicht nur als rein politisches Phänomen angegangen wird, sondern als ein wesentliches Element im Prozess der kapitalistischen Restauration nach 1989, bei dem eine Handvoll Menschen auf Kosten der Gesamtbevölkerung unfassbar reich geworden sind. Wir brauchen eine sozialistische und antikapitalistische Alternative, die für die Interessen der „einfachen Leute“ steht und nicht für die eines bestimmten Teils der dominierenden gesellschaftlichen Klasse. Wir brauchen eine Alternative, die für akzeptable Arbeitsplätze und angemessene Löhne, für soziale Rechte, eine ausreichend finanzierte öffentliche Versorgung, eine an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichteten Wirtschaft und für echte demokratische Kontrolle über unsere Gesellschaft kämpft.