Fr 17.01.2020
Am zweiten Wochenende im neuen Jahr kamen insgesamt mehrere hundert Menschen zur Gründungskonferenz von LINKS in der Volkshochschule des 15. Bezirks zusammen (Laut Veranstalter*in 450 am Freitag und 335 am Samstag). LINKS gründet sich mit dem Ziel, bei den Wiener Gemeinde- und Bezirksratswahlen anzutreten.
Diskussionen über den kleinsten gemeinsamen Nenner
Die hohe Teilnehmer*innenzahl kam sicher auch für die Organisator*innen überraschend, die sogar die Anmeldeliste schließen mussten, und drückt den großen Wunsch nach einer linken Alternative aus. Trotzdem konnte man auch bei vielen Anwesenden eine beobachtende und abwartende Haltung beobachten und, obwohl einige Vertreter*innen aus betrieblichen oder sozialen Kämpfen anwesend waren, waren es doch sehr wenig und drückten der Konferenz in keiner Weise ihren Stempel auf. Die große Frage, die sich auf der Konferenz und darüber hinaus stellt, ist, wie so eine Alternative entstehen kann.
Auf der LINKS-Konferenz war man vor allem darum bemüht, den “kleinsten gemeinsamen Nenner” zu finden. Möglichst alle “Linken” zusammenbringen und daraus etwas Neues zu schaffen. Dementsprechend drehten sich auch viele Diskussionen um Formalia und strukturelle Fragen.
Leider wurde dabei nicht auf offene Debatte gesetzt (im großen Plenum gab es überhaupt nur je eine Pro-Wortmeldung bei Anträgen, sowie 6 Wortmeldungen bei der Debatte zu Organisatorischem und die Rückberichte aus den Kleingruppen). Natürlich ist es nicht möglich, innerhalb eines begrenzten Zeitraums alles in vollem Umfang zu diskutieren und es ist verständlich, dass bei der Organisation von “etwas Neuem” Fehler passieren. Trotzdem bleibt, dass bei der vielen Zeit, die für geplante Reden verwendet wurde, und der sehr begrenzten Zeit, die für eine freie Debatte zur Verfügung stand, es nicht wirklich möglich war, die vorgeschlagenen Inhalte wirklich zu diskutieren. Dadurch blieb vielen Teilnehmer*innen der unangenehme Eindruck eines “Top down” Verhaltens.
Warum antreten?
Von Organisator*innen aber auch einigen Teilnehmer*innen der Konferenz wurde immer wieder betont, dass das Ziel 50.000 Stimmen bei den Gemeinderatswahlen ist, um einen Einzug sicherzustellen. Tatsächlich ist für uns das Ziel linker Politik, reale Veränderungen zu erkämpfen. In unserer Stellungnahme zu den Wien Wahlen (https://www.slp.at/artikel/linke-kandidatur-bei-den-wien-wahlen-9851)schreiben wir:
“Das Ziel für Linke muss es sein, tatsächliche Verbesserungen für die Mehrheit zu erkämpfen und gleichzeitig die Organisierung der Arbeiter*innenklasse voranzutreiben. Deshalb ist es zentral, dass sich die Linke in sozialen Auseinandersetzungen und Klassenkämpfen verankert. Das ist auch die Grundlage, um langfristig erfolgreich zu sein.”
Der Fokus auf die Wahlebene gepaart mit dem versprochenen Einzug kann gefährlich sein. Bei dem wahrscheinlichen Verpassen des Einzuges in den Gemeinderat droht einerseits Frustration bei vielen Aktiven, aber andererseits auch Monate an verschwendeter Energie, ohne dabei die Situation für den Wiederaufbau der Linken und der Arbeiter*innenbewegung wirklich verbessert zu haben.
Auch darüber hinaus stellt sich die Frage, wie man Veränderungen erreicht. Ein paar Mandatare im Bezirks- oder Gemeinderat haben wenig Einfluss gegen eine Übermacht aus etablierten Parteien. Auf der Konferenz mussten z.B. die Bezirksräte von Wien Andas selbst zugeben, dass sie bei den anderen Parteien nur schwer durchkommen. Auch bei einem Einzug bräuchten wir Bezirks- und Gemeinderäte, die ihre Hauptaufgabe darin sehen, soziale Bewegungen und Klassenkämpfe aufzugreifen, zu unterstützen und in die Gremien zu tragen. Das ist die einzige Chance für Linke, tatsächliche Verbesserungen zu erkämpfen.
Wahlen, Klassenkämpfe und soziale Bewegungen
Als SLP sind wir nicht gegen mehr Zusammenarbeit innerhalb der Linken. Gleichzeitig sind wir der Meinung, dass eine linke Alternative, die über das hinausgeht was es jetzt gibt, nur erfolgreich sein kann, wenn es ihr gelingt, zum Ausdruck von Kämpfen von Beschäftigten zu werden und sich in ihnen zu verankern. In unserer Stellungnahme um einen möglichen linken Antritt betonen wir:
“Internationale Erfahrungen zeigen, dass es linken Kräften nur gelungen ist an Bedeutung zu gewinnen, wenn sie zum Ausdruck von gesellschaftlichen Auseinandersetzungen geworden sind, es geschafft haben, sich unter Arbeiter*innen und Jugendlichen zu verankern und eine glaubwürdige Alternative zur etablierten Politik anzubieten.”
Leider wurde diese Frage auf der LINKS-Konferenz nur gestreift. Unter den vielen geplanten Reden, waren kaum Aktive aus sozialen Bewegungen und keine einzige beschäftigte sich mit der Frage von Widerstand aus Betrieben und Gewerkschaften.
Mitglieder der SLP haben diese Frage immer wieder in die Diskussionen auf der Konferenz eingebracht. Z.B. betonte Michael Gehmacher, Betriebsrat beim Arbeiter-Samariter-Bund Wien Wohnen- und Soziale Dienstleistungen GmbH, in seinem Rückbericht im Plenum die Notwendigkeit aktuelle Auseinandersetzungen im Sozial- und Gesundheitsbereich aufzugreifen. In unserem Flyer, den wir auf der Konferenz verteilt haben, schlagen wir vor, durch eine Kampagne rund um ein radikales Klimaprogramm die Verbindung zur Klimabewegung zu suchen: “Ein anderes Thema wäre ein radikales Klimaprogramm in Wien rund um Forderungen wie Nulltarif für die öffentlichen Verkehrsmittel, massive Investitionen in den Ausbau von öffentlichen erneuerbaren Energiequellen usw. finanziert durch eine Besteuerung von großen Konzernen.”
Ausblick?
Diese Punkte betonen wir deshalb weil sie zentral für den Wiederaufbau der Arbeiter*innenbewegung sind. Internationale und österreichische Erfahrungen zeigen, dass linke Projekte nur auf dem Rücken großer sozialer Proteste entstehen. Aber nicht nur das, auch deren Erfolg und die Frage ob sie real Verbesserungen für die Arbeiter*innenklasse und Jugend umsetzen können, hängen davon ab, wie stark soziale Bewegungen und Klassenkämpfe sind und wie eng Linke damit verbunden sind. In Österreich sind soziale Bewegungen und Klassenkämpfe noch auf einem niedrigem Niveau, obwohl es in den letzten Jahren einen Anstieg gegeben hat. Umso wichtiger ist es, sich auf die Kämpfe zu orientieren, die stattfinden.
Auf der LINKS-Konferenz spielte dieser Aspekt leider nur eine untergeordnete Rolle, umso wichtiger ist es in den nächsten Wochen und Monaten ein aktiver Teil von sozialen Auseinandersetzungen zu werden. Chancen dafür gibt es genug. In unserer Stellungnahme schreiben wir:
“Das Ziel für Linke muss es sein, tatsächliche Verbesserungen für die Mehrheit zu erkämpfen und gleichzeitig die Organisierung der Arbeiter*innenklasse voranzutreiben. Deshalb ist es zentral, dass sich die Linke in sozialen Auseinandersetzungen und Klassenkämpfen verankert. Das ist auch die Grundlage, um langfristig erfolgreich zu sein. Wir sollten die Wien Wahlen und die Periode bis dahin nutzen, um genau das zu machen. In den nächsten Monaten gibt es viele Gelegenheiten, die brennendsten Themen für Beschäftigte und Jugendliche aufzugreifen: in den nächsten Wochen sollten wir gemeinsam mit den Kolleg*innen im privaten Sozialbereich im Rahmen ihrer Kollektivvertragsverhandlungen für Arbeitszeitverkürzung kämpfen. Diese Kampagne könnte man in Richtung des Frauenkampftages am 8. März z.B. mit einem Fokus auf die Arbeitsbedingungen im Sozial- und Gesundheitsbereich fortsetzen. Rund um den nächsten internationalen Klimastreik könnten wir ein radikales linkes Klimaprogramm für Wien in die Bewegung tragen. Danach könnte man rund um den 1. Mai eine Kampagne gegen das Nulldefizit der Wiener Stadtregierung und den damit verbundenen mangelnden Investitionen in Gesundheit und Soziales (die Finanzierung des Gesundheits- und Sozialsystems sind vor allem Ländersache) organisieren. Alles was sich auf der Straße und in den Betrieben tut, alles was den Unmut gegen die Politik der Herrschenden kanalisiert, ist für uns zentral.”
Wenn sich die starke Fokussierung auf die Wahlebene fortsetzt und reale Kämpfe nur Nebenschauplatz bleiben, droht leider eine ähnliche Entwicklung wie bei anderen Projekten wie Wien Andas, KPÖ Plus, Wir können, Aufbruch und ähnlichen Formationen. Auch besteht die Gefahr, wieder nur eine Wahlfront für KP Bezirksräte zu sein. Schon auf der Konferenz wurden der KPÖ Vorrechte eingeräumt. Aber die KPÖ wird von vielen zurecht nicht als Alternative gesehen, zu selten sieht man sie in sozialen Kämpfen und zu oft hat sie schon durch ihren Alleinvertretungsanspruch linke Neuformierung gebremst.
Die wichtigste Aufgabe wäre in den nächsten Wochen und Monaten die Verbindung z.B. zu den Kolleg*innen im Gesundheits- und Sozialbereich zu suchen die für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen. Oder auch zur Klimabewegung. In der Koordination, den Bezirksgruppen und dem Bezirksausschuss sollte diskutiert werden, wie das gelingen kann. Bezirksgruppen könnten z.B. jetzt anfangen, die Betriebe des Sozialbereichs in ihren Bezirken zu besuchen und dort LINKS Material mit Vorschlägen, wie der KV-Konflikt gewonnen werden kann oder wie die Ausfinanzierung durch die Stadt Wien (FSW) zu erkämpfen wäre, austeilen. Links könnte sich so als Plattform für Kolleg*innen zur Verfügung stellen. Im März steht vermutlich die nächste große Klimademo an: Helfen wir zu mobilisieren und machen wir die Bezirksgruppen zum Anlaufpunkt für alle, die eine radikale und antikapitalistische Klimabewegung wollen. LINKS sollte der linke Flügel der Klimaproteste werden...
Als SLP wollen wir diese Punkte auch in den nächsten Wochen in die Strukturen von LINKS einbringen und Angebote machen, um gemeinsam in Kämpfe einzugreifen. Darüber hinaus planen wir Diskussionsveranstaltungen, die sich mit dem Verhältnis von Wahlen und Kämpfen auf der Straße und in Betrieben auseinandersetzen.
Als SLP sind wir gespannt auf die weiteren Entwicklungen. Wir begrüßen den Beschluss auf der Konferenz, dass mit allen wahlwerbenden linken Parteien Diskussionen über Zusammenarbeit geführt werden sollen. Wir freuen uns auf diese Diskussionen, werden uns in der nächste Zeit in LINKS einbringen und unsere Entscheidung bzgl. der Wien Wahlen im Verlauf des ersten Halbjahres 2020 treffen.