Mi 06.05.2009
“Reformprojekte im ÖGB und Entwurf für eine zukunftsorientierte Gewerkschaftsarbeit”, so lautet der zweite angekündigte Schwerpunkt des Bundeskongresses des ÖGB im Juni 2009 (zum ersten Punkt siehe Vorwärts 180). Reformen wurden schon am letzten Kongress angekündigt und angesichts der Krise ist eine zukunftsorientierte Gewerkschaftsarbeit dringend nötig.
Die Frage sei erlaubt: Wo war der ÖGB in den letzten Jahrzehnten, als der Sozialstaat abgebaut wurde? Warum brach er den Widerstand ab, als die Pensionen durch ÖVP und FPÖ gekürzt wurden, oder immer mehr und mehr Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse getrieben wurden?
Für die neoliberale Politik der letzten Jahrzehnte war und ist der ÖGB als Steigbügelhalter der SPÖ zumindest mitverantwortlich. Was – neben der BAWAG-Krise – auch zu einem Vertrauensverlust in der ArbeitnehmerInnenschaft führte.
Das wichtigste Reformprojekt ist die Trennung von SPÖ und kapitalistischer Logik
Nun ist aber jene Krise hereingebrochen, die die Unfähigkeit der neoliberalen Konzepte deutlich vor Augen geführt hat. Eine ernstzunehmende Alternative ist notwendig. Der ÖGB hat hier eine nicht unbedeutende Rolle zu spielen. Doch muss er sich für tatsächliche Konzepte endlich von der SPÖ lösen, die sich der kapitalistischen Logik vollständig verschrieben hat. Gerade in der LehrerInnendebatte ist deutlich geworden, dass die SPÖ den ÖGB zwar benützt, aber ihrerseits völlig unabhängig von der Stimmung in der ArbeitnehmerInnenschaft agiert.
Hält der ÖGB an der Logik einer profitorientierten kapitalistischen Wirtschaft fest, dann kann er seinen Mitgliedern und FunktionärInnen, all den BetriebsrätInnen, die mit Kurzarbeit, Entlassungen und Druck in Richtung Lohnverzicht konfrontiert sind, keine Antworten geben. Nur wenn der ÖGB über den Tellerrand des Kapitalismus hinausblickt und nicht “die Wirtschaft” sondern “die ArbeitnehmerInnen” ins Zentrum rückt, kann er ein Programm und Handlungsanleitungen geben, um die Angriffe zurückzuschlagen.
Dazu gehört auch ein endgültiger Bruch mit der von der herrschenden Wirtschaftsklasse immer wieder gelobten “Sozialpartnerschaft”. Diese hat endgültig ausgedient und repräsentiert lediglich eine leere Hülse. Um tatsächlich Verbesserungen für die ArbeiterInnen zu erlangen (oder auch nur um Verschlechterungen zu verhindern), ist eine kämpferische Gewerkschaftspolitik notwendig. Die Sozialpartnerschaft diente lange Zeit dazu, die Energie und Kraft der ArbeiterInnenbewegung zu kanalisieren und führte dazu, dass Streiks und andere gewerkschaftliche Methoden völlig unterbewertet wurden. Das hat auf lange Sicht geschadet und muss schleunigst geändert werden.
Zukunftsorientiert heißt gemeinsam kämpfen
Dass die FPÖ in der ArbeiterInnenschaft punkten kann liegt am Fehlen einer ArbeiterInnenpartei UND an einer Politik des ÖGB, der sich immer noch auf die traditionellen, männlichen, österreichischen Arbeiter konzentriert. Frauen, MigrantInnen und prekär Beschäftigte haben zwar formal einen Platz in der Gewerkschaft, spielen aber real kaum eine Rolle. Dieser essenzielle Aspekt hat zwar Einzug in die Planung des Bundeskongresses gefunden, aber auch hier stellt sich die Frage, ob es sich nicht wieder einmal nur um eine hohle Phrase handelt. Wenn der ÖGB zukunftsorientiert sein will, muss er gerade diese – eigentlich inzwischen typischen – Beschäftigten ins Zentrum seiner Politik stellen. Eine kämpferische Gewerkschaftspolitik muss Spaltungen der ArbeiterInnen z.B. durch rassistische Phrasen verhindern und diesen eine breite, gemeinsame und solidarische Bewegung entgegensetzen. Nur wenn MigrantInnen genauso viel verdienen wie “ÖsterreicherInnen” können sie nicht zum Lohndrücken eingesetzt werden. Wenn Frauen nicht in unsichere Teilzeitjobs gedrängt werden, stärkt das die Kampfkraft der gesamten ArbeitnehmerInnenschaft. Von einer Besserstellung der prekär Beschäftigten profitieren alle ArbeitnehmerInnen. Nur durch gemeinsame Kämpfe kann die Spaltung der Beschäftigten überwunden und die leeren Versprechen der KapitalistInnen durch tatsächliche Erfolge im Sinne der ArbeiterInnen ersetzt werden.