Lafontaine: „Gefährlichster Politiker des Landes“

Lafontaine fordert „Freiheit durch Sozialismus“ - aber wie kann das erreicht werden?
Stephan Kimmerle, CWI-Deutschland

Es gibt in Europa keinen so bekannten Politiker wie Oskar Lafontaine, der für „demokratischen Sozialismus“ wirbt und fordert, „Schlüsselbereiche der Wirtschaft einer demokratischen und gesellschaftlichen Kontrolle zu unterwerfen“. Die Welt am Sonntag kürt ihn prompt zum „gefährlichsten Politiker des Landes“ (17. Juli).

„Beck kann morgen Kanzler sein“, offeriert Lafontaine, um mit den Bedingungen zu diesem „Angebot“ den SPD-Chef vorzuführen: Mindestlohn, Revision von Hartz IV und Rente mit 67, Abzug aus Afghanistan. Selbst eine Mehrheit der CDU-Wähler unterstützt diese Forderungen. Damit zeigt der Fraktionsvorsitzende der LINKEN im Bundestag auf, wie groß die Kluft zwischen der Mehrheit der Bevölkerung und Mehrheiten im Bundestag ist.

Regierungsbeteiligung?

Doch wie könnten Mindestlohn und Abzug aus Afghanistan erkämpft werden? Mit seinem Vorstoß in Richtung Kurt Beck lenkt Lafontaine den Blick auf eine Koalition mit einer wie auch immer geläuterten SPD – vielleicht nach Beck und Münterfering. Dabei müsste klar gesagt werden: Ohne Massenmobilisierung wird dieser grundlegende Bruch mit der Politik im Interesse der Banken und Konzerne nicht möglich sein.

Regierungsbeteiligungen machen für SozialistInnen nach Meinung der SAV  (Schwesterorganisation der SLP in Deutschland, Anm.) nur Sinn, wenn sie grundlegend im Interesse von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen und gegen die Interessen des Kapitals durchgeführt werden. Das kann nur gelingen, wenn sie sich auf den Widerstand der Betroffenen von Sozialabbau und Angriffen der Arbeitgeber stützen, das heißt jede Form von Angriffen auf die arbeitende Bevölkerung kategorisch ausschließen. Sie müssen damit zum Ausgangspunkt werden, die Macht der Konzerne zu brechen und eine sozialistische Gesellschaft aufzubauen. Sonst droht der erbitterte Widerstand der Konzerne, die alle Hebel in Bewegung setzen werden, ihre Interessen zu wahren.

Lafontaine könnte seine Kritik an Beck damit verknüpfen, klar zu machen, dass die SPD dafür nicht zu gebrauchen ist. Das heißt: Wer etwas anderes will, muss sich organisieren und aktiv werden. Das wäre ein Ausgangspunkt, die Partei DIE LINKE grundlegend zu verändern.

Wenn Lafontaine aber wie bisher über Koalitionen mit der SPD sinniert – im Saarland sogar bedingungslos koalieren will –, dann öffnet das die Tür für Regierungspolitik mit der SPD gegen die Interessen der Arbeiterklasse. Mit verheerenden Folgen für die Betroffenen – und für DIE LINKE, siehe Berlin.

Macht der Konzerne

Lafontaine spricht von einem Systemwechsel. Doch konkret heißt das laut Lafontaine, für „einen fairen Welthandel und eine Weltfinanzarchitektur mit stabilen Wechselkursen und Kapitalverkehrskontrollen“ sowie den „Wiederaufbau“ des „Sozialstaats“ einzutreten.

Wenig Revolutionäres an sich. Aber es war genug für die Spitzen des deutschen Kapitals, gegen den damaligen Finanzminister Schröders Sturm zu laufen: Als Lafontaine 1999 über eine Steuerreform nachdachte, die die Banken und Konzerne in engen Grenzen belastet hätte, brach „eine Revolution des Kapitals” (Handelsblatt) aus. Es wurde mit Arbeitsplatzvernichtung und Kapitalabzug gedroht. DaimlerChrysler, Deutsche Bank und Co. zwangen so 1999 den Finanzminister Lafontaine in die Knie.

Das zeigt einerseits den heftigen Widerstand der Unternehmer gegen Verbesserungen im Interesse der Masse der Bevölkerung im heutigen Kapitalismus. Andererseits wird Lafontaines damaliger Fehler sichtbar, nicht gegen die Politik Schröders zu mobilisieren. Der Vorsitzende der Partei DIE LINKE Lafontaine könnte auch nur dann vor dem Schicksal des damaligen SPD-Vorsitzenden Lafontaine bewahrt bleiben, wenn er die Macht dieser Konzerne über die Gesellschaft in Frage stellen würde. Bei aller sozialistischen Wortwahl – das macht Lafontaine nicht.

Trotzdem: Die Debatten um Sozialismus sind eröffnet. Linke AktivistInnen in und außerhalb der Partei DIE LINKE können sie nutzen, um eine Vorstellung einer Welt jenseits von Ausbeutung, Kriegen und Unterdrückung mit Leben zu füllen.