Kranksein ist nicht schön, im Kapitalismus noch weniger

Sonja Grusch

Dauerthema Pflege. Die viel zu wenigen Plätze in Pflegeheimen sind oft nicht die menschliche Umgebung, die wir uns für unsere Lieben wünschen. Um es ganz klar zu stellen: Die Kritik richtet sich an die öffentliche Hand bzw. Betreiber, die zu wenig Pflegepersonal anstellen. Wo menschenwürdige Arbeitsbedingungen fehlen, bleibt eine menschenwürdige Behandlung der zu Pflegenden leicht auf der Strecke. Doch meistens scheitert professionelle Pflege ohnehin an den Kosten.

Es wird auf die getreten, die schon am Boden liegen: auf Kranke und Pflegebedürftige. Und das hat Kalkül. Wer bettlägrig ist, beteiligt sich weniger an Wahlen und leistet keine für den Kapitalismus gewinnbringende Arbeit. Wer Familienmitglieder pflegt, hat kaum Zeit, sich an Widerstand zu beteiligen. Der größte Teil der Pflege wird von Angehörigen geleistet und hier von Frauen. Diese Schwerstarbeit wird – bei weitem zu wenig – durch das Pflegegeld finanziell unterstützt. Der Staat handelt nach dem Motto: Wozu in teure Pflegeheime und angestellte PflegerInnen investieren, wenn die Angehörigen die Arbeit eh billig Zuhause erledigen.

Seit 2009 wurde das Pflegegeld nicht mehr erhöht (die Preise sind aber um mindestens 10% gestiegen). Nun plant SPÖ „Sozial“-Minister Hundstorfer eine Reform. Doch was sich dahinter versteckt, ist der Versuch, künftig (zehn)tausenden Menschen den Zugang zu verweigern. Im Amtsschreib liest sich das dann als „die Zugangskriterien für die Pflegegeldstufen 1 und 2 sollen neu definiert werden“. Diese Verschärfung soll mit 1.1.2015 in Kraft treten. Die angekündigte Erhöhung (in der höchsten Pflegestufe um 1,98 %) soll aber erst mit 1.1.2016 wirken. Wenn sie bis dahin nicht noch weiter hinausgeschoben wird. Denn in Krisenzeit zeigt jeder sein wahres Gesicht, auch der Kapitalismus. Und seines ist menschenverachtend.

 

 

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