Fr 23.02.2007
Ungleichheit, Unterdrückung, Krise und nicht zuletzt die Umweltzerstörung in der Sowjetunion und in den Ostblock-Staaten haben die Idee der Planwirtschaft in Misskredit gebracht. Dennoch wird der geplante Einsatz von Ressourcen – als Alternative zur Anarchie des Marktes – das entscheidende Mittel sein, um Probleme wie Klimaerwärmung anzupacken.
Eine Planwirtschaft auf demokratischer Grundlage ist die Antwort auf die Probleme des Kapitalismus als auch auf das Scheitern des Stalinismus .
Haben die Ostblock-Staaten nicht bewiesen, dass eine Planwirtschaft immer Bürokratie und Diktatur bedeutet?
Eine Planwirtschaft kann demokratisch oder bürokratisch sein. Genauso wie eine Marktwirtschaft mit parlamentarischer Demokratie oder mit einer Militärherrschaft einhergehen kann. Anders als von bürgerlicher Seite gern behauptet, gab und gibt es seit Jahren und Jahrzehnten in kapitalistischen Ländern nicht nur bürgerliche Demokratien, sondern ebenso Diktaturen; vor siebzig Jahren in einer ganzen Reihe von europäischen Staaten auch faschistische Regime.
Die Marktwirtschaft kann auch ohne Demokratie auskommen. Oft kamen die Kapitalistenklassen zum Schluss, Gewerkschaften und Opposition auszuschalten, um ungehinderter ihren Profitinteressen nachzugehen. Die Gesetze des Marktes galten weiter.
Planwirtschaft braucht dagegen Demokratie, wenn sie funktionieren soll. Wenn Konkurrenz und Profit ausgeschaltet sind, dann muss unbedingt ein Mechanismus her, um Effizienz und Produktivität zu gewährleisten. Dieser Mechanismus kann nur in der demokratischen Kontrolle und Einbeziehung der arbeitenden Bevölkerung in die Entscheidungsfindung sein.
Das Kernproblem im Stalinismus waren die Kommandomethoden. Trotz des Einparteien-Apparates konnte die So-wjetunion dank einer geplanten Wirtschaft von einem extrem rückständigen Land zu einer führenden Industrienation aufsteigen. Eine Weiterentwicklung wurde dann aber durch die bürokratischen Fesseln unmöglich gemacht.
Wie soll es denn möglich sein, Planung und Demokratie auf überbetrieblicher Ebene, im nationalen Maßstab zusammen zu bringen?
Warum soll das nicht möglich sein? Wenn die Konzerne in Gemeineigentum überführt sind, könnten die Beschäftigten in jedem Werk und in jedem Büro VertreterInnen demokratisch in Leitungs- und Entscheidungsgremien wählen. Diese Funktionäre müssten rechenschaftspflichtig und jederzeit abwählbar sein. Sie dürften keine Privilegien einstreichen. Das wäre die beste Garantie dafür, dass sie sich nicht verselbständigen. Diese Prinzipien müssten auf allen Ebenen (nicht nur im Betrieb, sondern auch in der Schule, an der Universität, in den Stadtteilen und so weiter) gelten. Darüber hinaus könnten dann stadtweite und überregionale VertreterInnen gewählt werden. Die Ziele in Wirtschaft und Gesellschaft würden durch eine demokratische Willensbildung von unten nach oben bestimmt werden. Überall könnten Diskussionen stattfinden – begünstigt durch eine drastische Reduzierung der Arbeitszeit.
Auch über die heutigen nationalen Grenzen könnte und müsste ein Austausch stattfinden. Derzeit will jede herrschende Klasse in ihrem eigenen Nationalstaat beispielsweise eine eigene Energiewirtschaft schaffen. Der Konkurrenzkampf zwingt sie de facto dazu. Darum erleben wir gerade auch eine Renaissance der Atompolitik. Gegenwärtig werden 24 neue Atomkraftwerke gebaut. Der Anteil der Kernenergie an der globalen Stromerzeugung soll von 16 auf 27 Prozent bis zum Jahr 2030 steigen. Eine demokratische Planung der Wirtschaft international würde dagegen im Weltmaßstab feststellen, wo es welche Ressourcen gibt, wo welcher Bedarf besteht, und dementsprechend harmonisch diskutieren und entscheiden.
Ist der Mensch nicht zu egoistisch für den Sozialismus?
Der Mensch kann verschiedene Eigenschaften haben, egoistische und solidarische. Im Kapitalismus, wird das Ellenbogendenken von Kindheit an gefördert. Trotzdem zeigt sich auch heute, dass Hunderttausende sich aus freien Stücken ehrenamtlich in Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und anderen Strukturen über ihre eigenen Belange hinausgehend engagieren. Wenn den Beschäftigten die Betriebe gehören, wenn in der Gesellschaft nicht mehr über ihre Köpfe hinweg Entscheidungen gefällt werden, dann werden sie sich auch ganz anders einbringen.
Wird es nicht zu vielen Fehlern kommen?
Natürlich wird nicht alles von Anfang an reibungslos klappen. Doch während in der Marktwirtschaft und bei bürokratischer Herrschaft die ProduzentInnen und KonsumentInnen Fehlentscheidungen ausbaden müssen, ohne Einfluss nehmen zu können, ließen sich in einer demokratischen Planwirtschaft Fehler schnell feststellen und korrigieren. Wenn etwas in der Produktion falsch läuft, hätten die Beschäftigten ein unmittelbares Interesse und alle Möglichkeiten, dies sofort vorzubringen.
Aber wie soll sich die Fülle der Konsumentenwünsche ermitteln lassen?
Wenn jedes einzelne kapitalistische Unternehmen Marktforschung betreiben kann, warum soll das nicht auch gesamtgesellschaftlich möglich sein? Die heutigen Möglichkeiten der Statistik, der Demoskopie, Internet und moderne Techniken erleichtern das enorm.
Grundbedürfnisse der Menschen ändern sich auch nicht täglich, sondern können einigermaßen gut eingeschätzt werden. Ein demokratischer Plan ist auch nichts Starres, sondern eine Arbeitshypothese. Ein Plan lässt sich flexibel korrigieren und anpassen.