Kleineres Übel oder große Katastrophe? SPÖ wählen?

Debatte mit SPÖ-Nationalratsabgeordneter Sonja Ablinger

Angesichts der Nationalratswahl drucken wir hier ein Pro und Contra zur Frage, ob Linke die SPÖ wählen sollen, bzw. wer die SPÖ wählen kann, ab. Mit Beiträgen von Sonja Ablinger, Abgeordnete der SPÖ zum Nationalrat und Sebastian Kugler von der SLP.


Sonja Ablinger: Nicht ruhig am Wege stehen.

Gleich vorweg: Die Frage, die mir für diesen Beitrag gestellt wurde, werde ich nicht beantworten. Ob Linke SPÖ wählen sollen, lassen sich Linke nämlich nicht von anderen sagen. Das ist eine sehr eigene und bewusste Entscheidung. Ich will darlegen, was mich als Sozialdemokratin in der SPÖ bewegt und wo ich die notwendigen Herausforderungen sehe.

Die SPD ist in 150 Jahren ein Denkmal ihrer selbst geworden. Und so gilt für sie (...) der Satz von Robert Musil: „Auch Denkmäler sollten sich, wie wir alle es tun müssen, etwas mehr anstrengen. Ruhig am Wege stehen und sich Blicke schenken lassen, das kann jeder; wir dürfen von einem Monument mehr erwarten.“ (Heribert Prantl, Genosse Sisyphos, Süddeutsche Zeitung, 18.5.13)

So schrieb Prantl zum Gründungsjubiläum der SPD. Angesichts der gegenwärtigen Verhältnisse ist „mehr erwarten“ wohl ein understatement: Die Politik der konservativen Eliten, die Politik der radikalen Marktgläubigkeit, der Deregulierung und Umverteilung von unten nach oben hat Europa in die schwerste Krise seit den 1930er Jahren geführt. Noch nie waren so viele Menschen ohne Arbeitsplatz und von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Der Neoliberalismus ist gescheitert. Er ist sozial unzumutbar, wirtschaftlich unvernünftig und demokratiepolitisch gefährlich.

Wir brauchen einen radikalen Kurswechsel und die Sozialdemokratie muss dabei eine wesentliche Rolle spielen. Das fordert notwendigerweise eine kritische Reflexion über den eigenen neoliberalen Anschmiegekurs. Aber wenn wir uns darauf konzentrieren, was die Erfolge und Stärke der sozialdemokratischen Bewegung ausmachten, kann die SPÖ wieder Hoffnungsträgerin einer solidarischen Gesellschaft werden. Die Sozialdemokratie war als Bildungs- und Demokratiebewegung erfolgreich. Sie entwickelte ihre Stärke, weil sie damit überzeugen konnte, dass Demokratie immer auch einen sozialen Gehalt hat und die soziale Frage auch eine emanzipatorische ist.

Viele hegen Zweifel, ob die Sozialdemokratie diese Bewegung wieder werden kann. Ich teile manche Zweifel. Dennoch bin ich überzeugt, dass die Sozialdemokratie durch ihre Geschichte und mit ihrer Programmatik das Zeug dazu hat, es richtig zu machen.

Eine sozialdemokratische Bewegung, die trotz aller Widerstände ihr Handeln an den Grundsätzen von Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität ausrichtet, kann Bündnisse schmieden und überzeugend für Unterstützung werben. Das ist kein ruhiger Weg und ziemlich anstrengend – aber es ist die notwendige Alternative. Davon bin ich überzeugt und darum bin ich Sozialdemokratin in der SPÖ.

Sonja Ablinger, Abgeordnete zum Nationalrat der SPÖ sowie SPÖ-Kultursprecherin


Sebastian Kugler: Raus aus der Sackgasse!

Die Frage, ob Linke die SPÖ unterstützen sollen, ist keine Private, sondern ein fundamentales Problem linker Politik. Die SPÖ ist seit mehr als 20 Jahren Akteur des gesamtpolitischen Rechtsrucks und verantwortlich für unzählige neoliberale „Reformen“. Sie hat die Verstaatlichte zerschlagen und Sparpaketen nicht nur zugestimmt, sondern sie mitgeschnürt. 1 % besitzen 37 % des Reichtums. Der Sozialabbau der SPÖ hat die FPÖ groß gemacht. Die SPÖ hat jeder rassistischen Gesetzesverschärfung zugestimmt. Täglich werden sieben Menschen abgeschoben.

Ob die SPÖ ein Vehikel zur Veränderung ist oder werden kann, zeigt die Praxis: Bewegungen gegen Sozialkürzungen in der Steiermark und in Oberösterreich. Der Kampf der Öffentlich Beschäftigten gegen die Nulllohnrunde. Die Flüchtlingsbewegung. Keine dieser Bewegungen wird von der SPÖ unterstützt, im Gegenteil, sie ist ihre direkte Gegnerin.
International ist die Sozialdemokratie kein Teil des Kampfes gegen das Spardiktat der EU, sondern setzt es um. Papandreou, Zapatero, Brown, Sócrates und Schröder sind Sozialdemokraten!

Die SPÖ ist kein kleineres, sondern das effektivere Übel, weil sie Linke an sich bindet, ohne selbst einen Mikrometer nach links zu gehen. Eine innerparteiliche Linke ist nicht existent. Einzelne haben keinen Einfluss auf den Kurs. Wie die Partei mit organisierter Opposition umgeht, zeigte sich in den Hexenjagden gegen die Gruppe „Vorwärts“, aus der die SLP hervorging. Dass nun sogar Sonja Ablinger, die den größten Teil der SPÖ-Politik mitträgt, ins Fadenkreuz gerät, zeigt das Ausmaß der Degeneration.

Eine neue Linke ist notwendig. Diese kann nur aus sozialen Kämpfen erwachsen. Viele, die noch in der SPÖ sind, können BündnispartnerInnen beim Aufbau einer neuen Linken sein. Sobald sie kämpfen, sehen sie, dass „ihre“ Partei auf der anderen Seite steht. Kämpferische Gewerkschaftspolitik ist heute nur gegen die SPÖ möglich. Wir stehen an der Seite all jener, die es von links mit der SPÖ-Bürokratie aufnehmen. Aber heute noch Menschen, die links aktiv werden wollen, auf die SPÖ zu orientieren, ist ein Fehler und hemmt die Entwicklung einer neuen Linken. Es ist für Linke in der SPÖ, wie die GPA-DJP Jugend in einer Aussendung über die Flüchtlingsbewegung schreibt, „höchst an der Zeit, dass diese ihre eigenen Überzeugungen nochmals mit den Werten ihrer Partei oder Organisation vergleichen und sich überlegen, ob diese noch zusammenpassen, um schlussendlich die notwendigen Schritte zu setzen.“

Sebastian Kugler, Mitglied der SLP-Bundesleitung

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: