Di 22.02.2011
Vom 2.-9.12.2010 fand im belgischen Nieuwpoort der 10. Weltkongress des Komitees für eine ArbeiterInneninternationale (CWI) statt. 120 Delegierte und Gäste aus über 30 Ländern von allen Kontinenten diskutierten vor dem Hintergrund der tiefsten Krise seit den 1930er Jahren und Massenprotesten von ArbeiterInnen und Jugendlichen.
Gerade noch hatten die Herrschenden begeistert den „Aufschwung“ bejubelt, da folgte das böse Erwachen. Der Zusammenbruch des irischen Kartenhauses hat deutlich gemacht, dass die Krise nicht vorbei ist. Dass noch viele (Finanz- und Schulden)Leichen in den Kellern der Banken und Unternehmen liegen. Und dass weiterhin versucht wird, die Kosten der Krise auf die ArbeiterInnenklasse abzuwälzen. Um 20-25 % wird der Lebensstandard der irischen Bevölkerung fallen, wenn die Regierung ihre Pläne durchbringt. Auch in den USA sind für 2011 Kürzungen nicht nur auf Bundesebene, sondern im Umfang von rund 20% auch auf Ebene der einzelnen Bundesstaaten geplant – mit allen sozialen Konsequenzen.
Tatsächlich kann von einem Aufschwung nicht die Rede sein. Selbst die besten Prognosen gehen von einem mageren Wachstum von rund 1,5% aus. Der Sozial- und Stellenabbau geht weiter, die Verluste, die die ArbeiterInnenklasse 2008-10 hinnehmen musste, werden durch den schwachen „Aufschwung“ nicht wett gemacht. Im Gegenteil geht der Raubbau weiter. Die wirtschaftlichen Konzepte der Bourgeoisie unterscheiden sich. Der eine Teil setzt auf weitere staatliche Rettungspakete national und international, die bei einer Fortsetzung der Zahlungsschwierigkeiten von Griechenland, Irland, Spanien, Portugal etc. aus ihrer Sicht nötig werden. Der andere Teil will rasch die Sparschrauben ansetzen, um die Schuldenlast zu reduzieren. Beide haben aus kapitalistischer Sicht recht, beide können aber keine Lösungen anbieten sondern nur durch ihre Maßnahmen neue Probleme anhäufen. Denn die Grundlage der Krise liegt nicht in einer falschen Wirtschaftspolitik im Rahmen des Kapitalismus, sondern in der systemimmanenten Überakkumulationskrise. Seit den 1980er Jahren wird profitables Investieren immer schwerer, weshalb das Kapital in Spekulation und die Finanzmärkte ausgewichen ist. So sind die riesigen Spekulationsblasen entstanden. Das Platzen dieser Blasen hat die aktuelle Krise ausgelöst, ist aber nicht ihre Ursache. Schon entstehen neue Blasen, wie z.B. in China, von dem sich viele eine Rettung der Weltwirtschaft erhoffen. Die chinesische Wirtschaft konnte zwar durch die starke Nachfrage manche Einbrüche abfangen, hat aber tatsächlich die weltweite Überproduktion weiter erhöht. Sie sieht sich im eigenen Land mit einer wachsenden und zunehmend gefährlichen Immobilienblase konfrontiert, die dazu geführt hat, dass 46 Millionen Wohnungen in China aus Spekulationsgründen leer stehen. Der vermeintliche Retter könnte also selbst zum Stein am Hals der Weltwirtschaft werden.
Der Ritt auf dem Vulkan
Die Versuche, durch Lohnkürzungen, Sozial- und Stellenabbau die Kosten der Krise abzuwälzen, werden mit einer Welle von Protesten beantwortet. Wütende Jugendrevolten wie in Britannien gegen die Verdreifachung der Studiengebühren ebenso wie die wilden Streiks der spanischen Fluglotsen und die Massenstreiks in Indien (100 Millionen) und Griechenland (sieben Generalstreiks in einem Jahr) haben die herrschende Klasse in Schrecken versetzt. Bei den Protesten in Frankreich gegen die geplante Verlängerung des Pensionsantrittsalters wehte ein „Hauch von '68“ durch die Luft. Die Wut über „die da oben“ nimmt zu und findet unterschiedlichste Ausdrucksformen. Nicht immer sind es „klassische“ Arbeitskämpfe durch die sich der Unmut ausdrückt. Auch die monatelangen riesigen Demonstrationen und Aktionen gegen Stuttgart 21 in Deutschland sind Ausdruck für den Wunsch und die Bereitschaft, sich zu wehren.
Die Bewegungen sind großartig und sie zeigen, dass allen Unkenrufen zum Trotz die ArbeiterInnenklasse lebendig, aktiv und kampfbereit ist. Aber es gibt auch Schwächen, die es den Herrschenden ermöglichen, sich noch im Sattel zu halten: die Kämpfe werden jeder für sich geführt, sie sind nicht zusammengeschlossen, insbesondere die Spaltung zwischen ArbeiterInnen unterschiedlicher Nationalität bzw. zwischen verschiedenen Ländern schwächt. Die Gewerkschaften bremsen die Bewegung oder sind im besten Fall hilflos, anstatt eine kämpferische Führung zu stellen. Die Klasse „an sich“, wie Marx es ausgedrückt hat, ist existent – aber es fehlt an Bewusstsein darüber, gemeinsame Interessen zu haben und gemeinsam viel erreichen zu können. Dieses fehlende Bewusstsein ist das Ergebnis der Verbürgerlichung der Sozialdemokratie in den 1990er Jahren und dem Fehlen von starken sozialistischen ArbeiterInnenparteien. Doch Bewusstsein ist nichts starres – es entwickelt sich in den aktuellen Kämpfen und Bewegungen und genau das ist es, vor dem sich die Herrschenden fürchten.
Das Imperium schlägt zurück
Diese Angst führt dazu, dass die Regierungen zwischen Angriffen auf unseren Lebensstandard und Zugeständnissen schwanken. Und auch dazu, dass es zu einem Ausbau der „staatlichen Repressionsapparate“ (Polizei, Militär, Überwachung) kommt. Streikverbote, Klagen und Verhaftungen von GewerkschafterInnen, Überwachung und Verfolgung von politischen AktivistInnen, bis hin zu protestierenden SchülerInnen. Das ist die Politik der regierenden Parteien in ihrem Bestreben, an der Macht zu bleiben. Ergänzt wird diese Aufrüstungspolitik auch durch die Notwendigkeit der einzelnen kapitalistischen Staaten, untereinander um Einfluss und Märkte in einer krisengeschüttelten Welt zu konkurrieren – was nicht immer nur mit Worten, sondern vermehrt auch mit Gewalt erfolgen wird.
Keine Atempause – Geschichte wird gemacht
Mitglieder des CWI sind aktiver Teil der Proteste und beteiligen sich an der Debatte über „wie weiter“ und „wohin wollen wir eigentlich“. Die griechische Sektion des CWI fordert, dass die Schulden nicht bezahlt und die Banken verstaatlicht werden. So kann der Ruf „Wir zahlen eure Krise nicht“ konkret umgesetzt werden. Bei Protesten stellt sich auch immer die Frage nach der politischen Alternative. Wird eine Regierung und ihre Politik gestürzt – was kommt dann? Mitglieder des CWI sind aktiv beim Aufbau von neuen politischen Formationen, von Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, wie in Italien, wo es nach dem Niedergang der PRC nun rund um die Metallergewerkschaft Fiom Diskussionen über die Notwendigkeit einer politischen Vertretung der ArbeiterInnenklasse gibt. Mitglieder des CWI beteiligen sich nicht am „kleineren Übel“ - so wird in den USA Obama und seine unsoziale Politik nicht unterstützt, obwohl die Rechten sich rund um die Tea Party Bewegung bei den Republikanern formieren. Stattdessen ist auch hier die Notwendigkeit einer ArbeiterInnenpartei zentral. Wo immer das CWI aktiv ist, wird deutlich gemacht, dass der Kapitalismus nicht in der Lage ist, eine menschenwürdige Zukunft zu gewährleisten. Die Beteiligung an Kämpfen gegen Verschlechterungen, gegen Rassismus oder nationalen Chauvinismus wie z.B. in Sri Lanka ist immer verbunden mit dem Kampf für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft. Der 10. Weltkongress des CWI hat an einem Wendepunkt in der Geschichte stattgefunden und die Grundlage dafür gelegt, dass wir diese Geschichte aktiv mitgestalten werden.