Kampf ums Öl und Hetze gegen Muslime

Georg Kümmel, CWI-Deutschland

Menschen aus islamischen Ländern werden als neue Gefahr dargestellt
Heute „geht die größte Bedrohung vom islamistischen Terrorismus aus“, verkündet Innenminister Wolfgang Schäuble. Der SPIEGEL warnt vor der Islamisierung der Gesellschaft. Das Kopftuch einer Lehrerin wird zur „Gefährdung des religiösen Schulfriedens“ hochstilisiert (Verwaltungsgerichtshof Mannheim). Die Taten von einer kleinen Zahl Fanatiker werden zum Vorwand genommen, um alle Muslime dieser Welt als potenzielle Terroristen darzustellen.
Rassistische Hetze ist nicht neu. Jahrzehntelang richtete sie sich aber eher allgemein gegen „die Ausländer“ und „die Asylanten“. Ihre Religion spielte dabei kaum eine Rolle. Doch plötzlich entdecken nicht nur die Rechten, sondern alle etablierten Kräfte, wie rückständig und gefährlich der Islam sei. An den Suren des Koran hat sich aber gar nichts geändert. Was sich dagegen geändert hat, ist die politische Weltlage.
Insbesondere der Kampf um die letzten Reserven an Öl und Gas wird mit zunehmender Schärfe geführt. Über sechzig Prozent der weltweiten Vorkommen an Öl liegen aber in Ländern mit überwiegend muslimischer Bevölkerung. Der Zusammenhang zwischen Irak-Krieg und Interessen der US-amerikanischen Ölkonzerne ist mittlerweile allgemein bekannt. Es ist deshalb leicht nachvollziehbar, dass hinter der Hetze gegen den Islam in den USA handfeste wirtschaftliche und militärische Interessen stecken. Schließlich muss der Bevölkerung eine Begründung geliefert werden, warum man unter großem Aufwand Besatzungstruppen in Afghanistan und Irak stationiert.

Auslandseinsätze

In Deutschland sind die Zusammenhänge zwischen anti-islamischer Stimmungsmache und den außenpolitischen Interessen nicht ganz so offensichtlich. Doch auch Deutschland will bei der Ausbeutung der knapper werdenden Vorkommen an Öl und Gas dabei sein und ist dabei. Der zahlenmäßig größte Auslandseinsatz findet in Afghanistan statt. Dabei geht es auch um geopolitische Interessen. Der Machtanspruch Deutschlands in der Welt soll unterstrichen werden. Das Land und die umliegenden Staaten sind islamisch geprägt und im benachbarten Iran und Zentralasien liegen bedeutende Öl- und Gasreserven.
Noch präsentiert sich die Bundeswehr in Afghanistan als Schutztruppe, die auch noch fleißig Brunnen und Straßen baut. Aber schlussendlich geht es bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr genauso wenig um das Wohl der einheimischen Bevölkerung wie bei den Einsätzen der USA. Die deutsche Armee betreibt seit Jahren „konsequent den Wandel zu einer Armee im Einsatz“ – auch um eine „wettbewerbsfähige Energieversorgung“ zu gewährleisten (Weißbuch der Bundeswehr 2006). In Zukunft soll die Bundeswehr dabei auch auf Menschen schießen können, wie es heute schon die US-Armee täglich tut. Die Opfer werden voraussichtlich Menschen muslimischen Glaubens sein. Damit dann die Empörung daheim nicht zu groß wird, damit nicht Millionen in einer neuen Antikriegsbewegung auf die Straße gehen, muss man diese Kampfeinsätze und deren Vorbereitung als Feldzug gegen den „islamistischen Terror“ verkaufen.

Teile und Herrsche

Indem man diffuse Ängste gegen die islamische Welt schürt, schafft man gleichzeitig auch noch einen Vorwand, um demokratische Rechte abzubauen. Außerdem soll damit die ureigenste Funktion des Rassismus zum Tragen kommen: Teile und Herrsche. Ein gemeinsamer Kampf gegen Arbeitslosigkeit und Sozialabbau, aber auch gegen Militarisierung und Krieg, soll verhindert werden.
Man wird einwenden, dass es doch die Gefahr von Terrorattentaten islamistischer Fanatiker gibt. Die breite Masse der Bevölkerung in islamischen Ländern wird seit Jahrzehnten vom Westen und von dem Westen ergebenen Potentaten ausgebeutet, gedemütigt, unterdrückt. Wer weiter Krieg gegen Länder mit überwiegend islamischer Bevölkerung führt, wer dabei den Tod tausender unschuldiger Menschen verächtlich als „Kollateralschäden“ abhakt, der beseitigt nicht die Ursachen, sondern schafft nur den Boden für noch mehr Terror.

Jede Religion ist rückständig

Ein anderer Einwand lautet, dass der Islam eine rückständige Religion ist und damit eine Bedrohung der Freiheit sei. Jede Religion ist rückständig. Wie rückständig sie aber in ihrer konkreten Ausprägung im Leben einer Gesellschaft ist, hängt von den Umständen ab, insbeson-dere vom wirtschaftlichen Entwicklungsstand und den politischen Verhältnissen. Sämtliche Rechte, die Frauen heute in unserer von den vielgepriesenen „christlichen Werten“ bestimmten Gesellschaft haben, sind ihnen nicht von Pfarrern, Bischöfen oder Päpsten geschenkt worden, sondern wurden gegen hartnäckige Widerstände erkämpft.
Wer, statt die reaktionäre Rolle der Mullahs zu kritisieren, die religiösen Gefühle der einfachen Gläubigen verletzt, sie fortwährend diskriminiert, beleidigt, verunglimpft und sogar jede Kopftuch tragende Frau in die Nähe von Terroristen rückt, der treibt diese Gläubigen den reaktionären Führern nur weiter in die Arme, statt sie aus deren Einfluss zu lösen.

Was tun?

Die wahre Bedrohung geht von dem verrückten kapitalistischen System aus. Menschen einer bestimmten Religion werden systematisch diskriminiert und verunglimpft, weil sie das Pech haben, dass in ihren Ländern der Schmierstoff des Welt-Kapitalismus im Boden liegt. Die Interessen hinter den militärische Interventionen und die Nutznießer der wirtschaftliche Ausbeutung dieser Länder sollen verborgen werden – unter einem dicht gewebten Netz aus Propaganda gegen alle Menschen aus islamischen Ländern.     

Religion als Waffe in der Hand der Herrschenden

Religion wurde und wird schon immer als Waffe benutzt und zwar sehr flexibel. Mal werden bestimmte Religionen und deren Anführer gefördert und mal werden die Anhänger bestimmter Religionen diskriminiert.
Während die USA und andere westliche Länder einen Propagandafeldzug gegen die Gefahren des Islam führen, ist ihr wichtigster Verbündeter im Nahen Osten, Saudi-Arabien, ein nach reaktionären Prinzipien geführtes islamisches Land, dessen Rechtssystem auf der Grundlage der Scharia aufbaut. Sowohl die fundamentalistische Hamas in Palästina als auch die Taliban und deren Vorläufer in Afghanistan wurden ursprünglich vom Westen, insbesondere den USA, unterstützt.
Das schlagendste Beispiel ist aber die Geschichte des Iran. 1979 kam es dort zu einer Revolution gegen die Schreckensherrschaft des Schah, der ein treuer Verbündeter des Westens war. Der Westen befürchtete, dass am Ende nicht nur der Schah gestürzt würde, sondern dass mit ihm der Kapitalismus im Iran abgeschafft werden könnte. Da trat ein Mann auf die politische Bühne, der ankündigte, im Iran einen islamischen Gottesstaat errichten zu wollen. Doch dieser reaktionäre Islamistenführer, Ayatollah Khomeini, wurde sogar nach Kräften unterstützt, sein Ziel zu erreichen. Khomeini bekam Asyl in Frankreich. Seine Anweisungen wurden von der britischen BBC, aber auch von der Deutschen Welle, in täglichen Radiosendungen in persischer Sprache unter seinen Anhängern im Iran verbreitet. Seine Reden wurden in Frankreich auf Tonbandkassetten kopiert und anschließend zig-tausendfach im Iran verbreitet. Nachdem der Schah durch die Revolution gestürzt und aus dem Land geflüchtet war, wurde Khomeini mit einer Maschine der staatlichen Air France in den Iran geflogen. Khomeini tat dann das, wofür er monatelang mit westlicher Unterstützung geworben hatte: Unter seiner Führung wurde im Iran ein brutales, reaktionäres Regime auf der Grundlage der Ideologie des islamischen Fundamentalismus errichtet.                                     

Forderungen der SAV

  • Schluss mit Hetze und Diskriminierung gegen Menschen aus islamischen Ländern
  • Gleiche Rechte und Religionsfreiheit für alle
  • Rückzug aller ausländischen Truppen aus Irak, Afghanistan und anderen Ländern
  • Stopp aller Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • Überführung der Energiekonzerne in öffentliches Eigentum, demokratische Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaftskomitees, VertreterInnen der arbeitenden Bevölkerung und von Umweltschutz- und Verbraucherverbänden
  • Statt blutiger Kampf um den letzten Tropfen Öl – weltweit Umbau der Energieversorgung auf erneuerbare Energien