Di 22.02.2022
Inflation wird gerne, sofern sie sich im Rahmen hält, als positiv und Zeichen von Wirtschaftswachstum gesehen. Doch für die Arbeiter*innenklasse bedeutet sie Verluste. Aber Inflation trifft nicht alle gleich! Während Reiche und Unternehmen ihre Vermögen in Gold, Immobilien, Land und anderen „handfesten“ Werten anlegen, sehen wir, wie uns das Geld zwischen den Fingern zerrinnt. Aktuell hinken die Lohnerhöhungen nicht nur den steigenden Preisen weit hinterher, sondern auch die Sparzinsen sind minimal. Verlust auf allen Ebenen! Was also tun?
Instinktiv versucht die Arbeiter*innenbewegung jeher auf steigende Preise mit Lohnforderungen zu reagieren. Das wird von Kapitalseite mit der „Lohn-Preis-Spirale“ abgelehnt. „Metaller-Einigung: Inflation treibt Löhne stark an“ schreibt das Zentralorgan des Kapitals, die Presse. Die Lohn-Preis-Spirale ist eine leicht zu entlarvende Lüge (siehe vorige Seite).
Doch wo bleiben angesichts der Preissteigerungen entsprechende Lohnerhöhungen? Der ÖGB hat sich in den letzten Jahrzehnten die „Benya-Formel“ zurechtgelegt: Löhne und Gehälter sollen um die Inflation plus Produktivitätssteigerung steigen. Damit würde die Ausbeutung im Wesentlichen unverändert bleiben. In der Praxis sinkt der Anteil der Löhne und Gehälter am erwirtschafteten Reichtum seit Jahrzehnten stetig – bei gleichzeitiger Zunahme an unselbstständig Beschäftigten. Wirklich notwendig wäre als erster Schritt eine automatische Bindung der Löhne/Gehälter an die Inflation: Steigen die Preise, steigen automatisch die Löhne. Die Gewerkschaft verhandelt dann Erhöhungen darüber hinaus. Diese „gleitende Skala der Löhne und Arbeitszeit“ hat der Revolutionär Trotzki bereits 1938 im „Übergangsprogramm“ formuliert. An Aktualität hat sie nichts eingebüßt!
Doch was fordert der ÖGB (fast wortgleich auch die SPÖ) aktuell? Eine befristete Senkung der Umsatzsteuer auf manche Warengruppen (z.B. Heizen) sowie staatliche Zuschüsse, um über den Winter zu kommen. Beides wäre nicht falsch, aber entschieden zu wenig. Die Bundesregierung selbst plant einen Teuerungsausgleich für arme Haushalte. Konkret ist eine Einmalzahlung von 150 Euro vorgesehen. In der Praxis werden die Hürden hoch sein, diese Einmalzahlung zu bekommen, viele die sie brauchen, werden sie nicht bekommen. Und warum nur eine befristete Senkung der Umsatzsteuer und nur auf manche Warengruppen? Die Umsatzsteuer ist die unsozialste Steuer überhaupt. 10-20% werden auf die Preise draufgeschlagen, das trifft jene, die einen höheren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben müssen überproportional. Es braucht also eine vollständige Abschaffung der Umsatzsteuer, das würde z.B. Wohnen auf einen Schlag um über 10% verbilligen!
Aber, kommt als Argument, das würde ja nicht weitergegeben an die Konsument*innen. Und tatsächlich: Als Corona-Maßnahme wurde die Umsatzsteuer in der Gastronomie auf 5% gesenkt – aber nicht um den Konsum billiger zu machen, sondern damit die Konsument*innen (unfreiwillig) der Gastronomie zusätzliche Einnahmen verschaffen. Sobald diese wieder angehoben wird, werden die Preise in der Gastronomie steigen, und wieder zahlen wir! Übrigens schulden die Unternehmen dem Staat über 3 Milliarden an Umsatzsteuerschulden, Geld das wir bezahlt haben und das sie nur ans Finanzamt weiterleiten müssten! Es braucht also auch die Kontrolle von Maßnahmen. Vertreter*innen der Arbeiter*innenklasse müssen die Inflation berechnen, die tatsächlich für die Arbeiter*innen anfällt – und als Grundlage für die automatische Lohnerhöhung nehmen, nicht einmal pro Jahr (oder seltener), sondern laufend. Dazu gehört auch die Überprüfung der Unternehmen, da diese jederzeit mit „gestiegenen Produktionspreisen“ argumentieren und sich hinter dem „Betriebsgeheimnis“ verstecken können. Um das zu verhindern, müssten die gesamten Finanzunterlagen durch Betriebsräte und Vertreter*innen der Gewerkschaften untersucht werden. Auch eine staatliche Preiskontrolle wäre ein Schritt in die richtige Richtung, doch darf sie nicht bürgerlich-staatlichen Organen überlassen werden, die doch nur wieder die Interessen der Kapitalist*innen umsetzen.
Wie bei allen anderen wirtschaftspolitischen Problemen (Arbeitslosigkeit, Staatsverschuldung etc.) sind letztlich alle Ansätze zum Scheitern verurteilt, die im Rahmen kapitalistischer “Sachzwänge“ stecken bleiben. Das gilt für Neoliberale wie für Keynesianer*innen inklusive ihrer jüngsten Spielart, der „Modern Monetary Theory“ (MMT). Logisch, wer nicht versteht wo die Probleme herkommen, kann sie nicht wirksam bekämpfen. Inflation ist nicht Ausdruck einer „falschen“ Wirtschaftspolitik, sondern eines falschen Wirtschaftssystems, des Kapitalismus. Warum die Wirtschaft nicht nach den Bedürfnissen der Menschen organisieren und planen? Warum nicht Nachhaltigkeit, menschenwürdige Bezahlung, umfassende soziale Absicherung ins Zentrum rücken und Profitorientierung beseitigen? Warum nicht jene entscheiden lassen, die den gesellschaftlichen Reichtum durch ihre Arbeit schaffen? Utopisch? 1000 Mal realistischer als die Hoffnung, den Kapitalismus human, sozial, friedlich oder ökologisch zu machen.