So 09.04.2017
Die gesamte Parteienlandschaft ist in der Krise. Kaum eine der etablierten Parteien ist wirklich stabil. Dass Einzelpersonen wie Hofer, Sobotka, Kurz, Kern oder Doskozil immer mehr in den Vordergrund rücken, drückt auch die Krise ihrer Parteien aus. In der FPÖ brodelt ein Führungskonflikt, die ÖVP besteht sowieso nur mehr aus EinzelkämpferInnen, in der SPÖ Wien rumort es schon lange und auf Bundesebene ist Kern immer mehr isoliert.
Nun hat die politische Krise auch die Grünen erreicht. Der vorläufige Höhepunkt ist der Ausschluss der Jungen Grünen aus der Partei. Bei dem Konflikt ging es natürlich nicht einfach um die Frage konkurrierender grüner Listen bei der ÖH-Wahl. Wie die anderen Parteien, die die kapitalistische Logik mittragen, haben die Grünen keine Antwort auf die sich verschärfende wirtschaftliche und soziale Krise. Die Spielräume für „grüne“ Politik, für beschränkte umwelt- und gesellschaftspolitische Verbesserung bei gleichzeitiger Akzeptanz des Rahmens des Profitsystems, werden immer kleiner. Somit heißt es eben für die Parteiführung, „pragmatisch“ zu sein. In Stadt- und Landesregierungen machen sie seit Jahren dieselbe Politik wie die „alten“ Parteien. Sie akzeptieren die kapitalistische Sachzwanglogik und kürzen für Profite, etwa im Gesundheits- und Sozialbereich in Wien, Oberösterreich oder Innsbruck. Das hat reale Konsequenzen: die Grünen in Wien sind mitverantwortlich für Gangbetten und PatientInnen, deren Krankenhausaufenthalt durch Personal- und Ressourcenmangel lebensgefährlich wird. Bei immer mehr KollegInnen führen die Arbeitsbedingungen zu einem - oft schon sehr frühen - frühen Burn-out oder anderen Krankheiten.
Der Ausschluss der Jungen Grünen sagt in erster Linie viel über die Grünen als Partei aus, die sich immer als „anders“ als die etablierten Parteien darstellen wollten - als demokratisch und unbürokratisch. Die Realität sieht anders aus und da verwundert es auch nicht mehr, dass sie mit innerparteilicher Kritik so umgehen wie die anderen etablierten Parteien. Es ist nur eine Ironie der Geschichte, dass sich gerade die Grünen, die Wahlkämpfe als Marketingkampagnen durchplanen und denen es längst mehr um Image statt um Inhalt ging, sich nun selbst so ein PR-Desaster geleistet haben.
Die Jungen Grünen und die neu gegründeten Grünen Studierenden standen innerhalb der Partei für einen linkeren Kurs. Seit ihrer Gründung vor sieben Jahren haben die Jungen Grünen hunderte jugendliche Mitglieder gewinnen können. In manchen Regionen, vor allem außerhalb der Städte, wurden sie zu einer Anlaufstation für linke Jugendliche, die aktiv werden wollten. Es gab sogar marxistische Schulungsangebote. Das alles wurde von der Parteiführung toleriert, solange die Kritik der Jungen Grünen in der Praxis wenig Auswirkungen auf die Agenda der Partei hatte und die Parteiführung erwarten konnte, aus der Jugendorganisation loyalen Nachwuchs für ihre Strukturen zu bekommen. Tatsächlich war von den Jungen Grünen in den letzten Jahren leider wenig offene Kritik an den von den Grünen mitgetragenen Kürzungsprogrammen, etwa den Spitalsreformen in Wien und Oberösterreich, zu hören und zu sehen. Auch in den letzten Wochen wo es rund um den Konflikt mit der Parteiführung und den Ausschlüssen viel Öffentlichkeit standen die brennenden politischen Fragen (und wohl auch Differenzen) nicht im Vordergrund.
Gleichzeitig gab es den Versuch der Jungen Grünen, im eigenen Wirkungsbereich linker aufzutreten. Doch auch das war offenbar zu viel für die Parteiführung. Glawischnig und Co wollen den stockbürgerlichen Anpassungskurs konsequent weitergehen. Sie wollen unbedingt in Regierungen, um dort das Spardiktat „mitzugestalten“. Mit ihnen kann es keine linke Politik geben.
Nun stellen sich einige Landesorganisationen gegen Glawischnig und Co. Das zeigt, dass der Konflikt weit tiefer ist und durch verschiedene Strukturen der Grünen Partei geht. Zur Zeit ist noch offen, wie es weiter gehen wird. Auch ein Szenario, wo Glawischnig gehen muss und die Jungen Grünen – ev. mit Bedingungen – wieder aufgenommen werden, ist nicht ausgeschlossen. Aber auch dann würde sich der Charakter der Partei wohl nicht wesentlich ändern. Die Grünen können nicht „zurück“erobert werden. Sie haben sich längst auf ihre Rolle als Verwalterin des Kapitalismus und seiner Krisen eingeschworen. Politische Arbeit innerhalb der Grünen wird immer bedeuten müssen, dass man die eigenen Positionen verwässern muss um sich nicht den Unmut der Parteiführung auszusetzen.
Der Rauswurf wirft für die Mitglieder und AktivistInnen der Jungen Grünen nun viele Fragen auf: Was sind die Ziele der politischen Arbeit, was will man erreichen? Was sind die wichtigen nächsten Themen und Arbeitsfelder? Welche Organisationsform und welche BündnispartnerInnen will und braucht man für diese Arbeit? Und sind diese Ziele mit der Grünen Partei gemeinsam, oder auch mit anderen gemeinsam umsetzbar? Manche haben wahrscheinlich Angst davor, nun ohne Mutterpartei arbeiten zu müssen. Manche, v.a. inaktive, Mitglieder werden den Bruch und einen eventuellen unabhängigen Neuanfang auch nicht mitgehen. Aber viele haben sich auch durch die politische Arbeit der letzten Jahre, durch viele Diskussionen und auch durch die Konflikte mit der Grünen Partei nach links entwickelt. Von ihnen kann der Rauswurf auch als Chance gesehen werden, eine konsequente linke, ja antikapitalistische, Jugendorganisation aufzubauen. Die Führung der Jungen Grünen hat für 30. April einen Strategiekongress einberufen, auf dem weitere Schritte besprochen werden sollen. Hier werden sicher nicht alle, aber zumindest manche Weichen für die künftige Arbeit gestellt.
Tatsächlich sind die Jungen Grünen nicht die ersten kritischen Jugendlichen, die von der Mutterpartei ausgeschlossen werden. Der Verband Sozialistischer Mittelschüler wurde 1973 von der SPÖ ausgeschlossen, die KPÖ trennte sich anlässlich des „Prager Frühlings“ von ihrer Jugendorganisation FÖJ, etc. Auch die „Vorwärts“-Strömung, aus der SLP hervorging, wurde anfang der 1990er Jahre aus der SJ ausgeschlossen. Einige Erfahrungen der damaligen AktivistInnen können auch für die Jungen Grünen nun wichtig sein:
Ein eigenes Programm: Viele in den Jungen Grünen verstehen sich als AntikapitalistInnen und MarxistInnen. Als Jugendorganinsation einer bürgerlichen Partei wurde die Programmatik der Jungen Grünen beschränkt. Diese Beschränkung kann jetzt überwunden werden, es muss keine Rücksicht mehr genommen werden. Dazu braucht es aber mehr als Schlagwörter wie „Mut“ „Zuversicht“ und „Perspektiven“. Der Weg für ein konsequentes, antikapitalistisches Programm, das sich in Wort und Tat gegen jede Form von Unterdrückung und Ausbeutung stellt, ist frei.
Finanzielle Unabhängigkeit: Natürlich ist es angenehm, Geld von der Mutterpartei für Flyer, Magazine, Büros und Seminare zu bekommen. Aber das kann auch einen politischen Maulkorb bedeuten. Politische Unabhängigkeit und finanzielle Unabhängigkeit sind untrennbar miteinander verbunden. Es ist besser, Flyer nur in schwarz-weiß drucken zu können, dafür aber darauf schreiben zu können, was man für richtig hält - und nicht, was die Partei durchgehen lässt. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, sich selbst zu finanzieren - von Mitgliedsbeiträgen über den Verkauf von Material bis zu Spendenaufrufen. Es ist alles andere als einfach - aber es ist notwendig. Die große Solidarität die die jungen Grünen in den letzten Wochen erhalten haben zeigt hier das Potential Unterstützung zu sammeln
Orientierung auf soziale Bewegungen: Bildungsarbeit ist gut, Seminare sind wichtig und Medienaktionen sind sinnvoll – aber nur, wenn sie Teil einer größeren Perspektive sind und darauf abzielen, soziale Kämpfe zu stärken. Ob gegen Rassismus oder die Schließung eines Jugendzentrums, wir müssen Bewegungen aufbauen, in denen Betroffene sich selbst organisieren und Verbesserungen erkämpfen können.
Organisationen sind Mittel, nicht Zweck
Es kommt viel auf uns zu. Die gesamte Politik rückt nach rechts. Angriffe auf Lebensstandards und demokratische Rechte sind im vollen Gange. Die soziale Ungleichheit steigt immer mehr, während die Regierung in Aufrüstung statt in Bildung investiert. Es braucht Widerstand, auf allen Ebenen. Dieser Widerstand braucht Organisation. Politische Organisationen sind kein Selbstzweck, sondern Mittel. Es geht nicht in erster Linie um „professionelles“ Auftreten, um Mediencoachings oder ähnliches, sondern um ein kämpferisches Programm und Aktivität auf der Straße, in Arbeitsplätzen und Ausbildungsstätten.
Die Jungen Grünen haben aktuell eine große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Sie haben auch eine Verantwortung dafür, wie sich die Linke in Österreich in der nächsten Periode weiter entwicklen wird. Die SLP ist der Meinung, dass es eine neue Partei der ArbeiterInnen und Jugendlichen braucht, um ein effektives Werkzeug im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung zu haben. Viele Menschen hierzulande suchen nach einer neuen linken Organisation oder auch Partei, die sie nicht nur wählen können, sondern die bereit ist, Kämpfe aufzugreifen, zu führen und Menschen dabei einzubinden. Kämpfe gegen die zahlreichen Angriffe von Bundes- und Landesregierung(en) und gegen die FPÖ. Mit Aufbruch gibt es einen Versuch, eine konsequente antikapitalistische Kraft links von SPÖ und Grünen aufzubauen. Aufbruch spielt auch eine führende Rolle in dem aktuellsten umweltpolitischen Kampf gegen das Murkraftwerk in Graz. Was Aufbruch nicht bieten kann, sind große Büros und viel Geld. Was Aufbruch bieten kann, sind AktivistInnen, wie auch die der SLP, die mit aller Kraft eine echte Alternative zur etablierten Politik aufbauen wollen. Wir schlagen daher den AktivistInnen von Aufbruch und von den Jungen Grünen vor, einen Diskussionsprozess über gemeinsame Schritte zu starten und in der Praxis zusammenzuarbeiten. Dafür gibt es genug Anknüpfungspunkte, etwa im Kampf gegen das Murkraftwerk und Schwarz-Blau in Graz oder in der aktuellen Aufbruch-Kampagne für leistbares Wohnen.