Do 05.04.2007
Vier Tage Diskussionen und Beratungen – aber wozu? Diese Frage müssen sich viele Mitglieder der Rifondazione Comunista (PRC) bei einer speziellen Organisationskonferenz der Partei gestellt haben, die von 29.3.-1.4. in Carrara, Italien stattgefunden hat.
Die Konferenz war einberufen worden, um einige jener Probleme zu diskutieren, mit der sich die Partei knapp ein Jahr nach ihrem Eintritt in Romano Prodis mitte-links Koalition konfrontiert sieht und um zu beraten, wie damit am besten umzugehen sei. Auf der Tagesordnung standen Diskussionen zu Themen wie „Gender Demokratie“ und „Europäische Linke“.
Aber im Vorfeld der Konferenz verlautbarte die PRC-Führung undemokratischer Weise durch die nationale Presse ihr eigenes Partei-„Projekt“. Obwohl sie es „sozialistisch“ nennen ist ihr Ziel doch die Vereinigung der Linken in Italien in einer Formation, die tatsächlich eine neue liberal-kapitalistische Formation wäre. Die Konferenz durfte dann organisatorische Reformen für eine Partei diskutieren die, wenn es nach dem Willen der Parteiführung geht, in einem Jahr nicht mehr existiert!
Auf der Konferenz wurde eine Umfrage unter Parteimitgliedern verbreitet, die einige der Probleme, der sich die PRC gegenübersieht, deutlich machte. Weniger als 17% der Parteimitglieder sind jünger als 30 und die meisten Ortsgruppen haben keine Kontakte zu „sozialen Bewegungen“ – gegen Globalisierung und den Krieg – von denen die Führung behauptet, dass sie sie vertreten würde. Nur 1,5% geben an, Kontakt zu regionalen Gewerkschaften zu haben.
Aus dem Publikum erläuterte Donato Marone, von der (Fiat) Melfi Ortsgruppe, sehr deutlich die Bedingungen, die normale ArbeiterInnen ertragen müssen. Gerade in dieser Woche hat eine Untersuchung gezeigt, dass die italienischen ArbeiterInnen die am schlechtesten bezahlten in Europa sind. „Unsere WählerInnen sind nicht zufrieden“ erklärte Donato. „Was haben wir in dieser Regierung zu suchen?“ Sogar Paulo Ferrero, Minister für Soziale Solidarität, musste eingestehen, dass die „Unione“ zwar im letzten April die Wahlen gewonnen hat, „die Menschen“ sich aber geschlagen fühlen – dass sie nicht davon profitiert haben.
In einer eindrucksvollen Rede erklärte Marco Veruggio – Mitglied im nationalen politischen Komitee der PRC und Mitglied der Controcorrente, einer linken Alternative in der Partei – dass die Krise in der Partei eine politische ist. „Es schaut so aus, als ob die PRC von einer Partei des Kampfes über eine Partei von Kampf und Regierung zu einer Partei von nur mehr Regierung wird“, sagte er. „Wenn wir über ‚Flexibilisierungen“ reden, die die Reichen treffen und den Armen helfen, dann ist das so, wie wenn man über Entlassungen spricht, die die UnternehmerInnen treffen und den ArbeiterInnen helfen.“ „Wenn wir nicht darüber reden, ob Alitalia (italienischen Fluglinie, Anm.) privatisiert werden soll, sondern darüber, wie.“ „Wenn wir – anstatt über das Verbrechen des Krieges zu reden – über die Regeln der Beteiligung am Krieg und darüber herum streiten, ob unsere Truppen (in Afghanistan) 10 km mehr im Süden oder im Norden sind“.
Wo ist die Grenze?
“Wenn ich sage, wir müssen ‘Nein’ zum Krieg, zu den Angriffen auf die Pensionen, zu Privatisierungen sagen, auch wenn das heißt, das die Regierung fällt, dann sagt man mir, das würde Berlusconi helfen” sagte er weiter. „Nun, GenossInnen ich frage euch – wo ist die Grenze, die wir nicht mehr überschreiten werden? Gibt es eine solche Grenze... oder ist für die Partei die einzige Orientierung geworden, die Regierung aufrecht zu erhalten?“.
Eine Reihe von RednerInnen drückten ihr Unbehagen darüber aus, dass die Parteiführung sich darauf vorbereitet, den Begriff „Kommunismus“ durch „Sozialismus“ zu ersetzen – was in Italien als Rückzug gesehen wird. Trotzdem wurde die Abschlussresolution des von der Führung dominierten Politischen Komitees mit großer Mehrheit angenommen. Die Resolution selbst ist extrem wage und abstrakt und spricht davon, politische und soziale Bewegungen zu einer Diskussion über eine linke „Baustelle“ einzuladen. Aber es ist klar, dass der Generalsekretär der Partei, Giordano, und der Präsidenten des Abgeordnetenhauses, Bertinotti, die Partei aus wahltaktischen Gründen noch weiter nach rechts bewegen wollen.
Es handelt sich dabei um eine Vorwegnahme künftiger Wahlrechtsänderungen, die große politische Blöcke und die Fusion der zwei wichtigsten Parteien in Romano Prodis Regierungskoalition – der Margariten Partei (frühere Christdemokraten) und der DS (Demokratische Linke, ehemalige „Kommunisten“) zu einer neuen kapitalistischen „Demokratischen Partei“ – begünstigen würde. Das wird höchstwahrscheinlich nach ihrer Konferenz, die dieses Monat stattfindet, zu einer linken Abspaltung von der DS führen (die bis zu 25% der Partei mitnehmen könnte). Giordano und Bertinotti wollen eine Vereinigung mit dieser Abspaltung von der DS und mit anderen Kräften, um eine liberale reformistischen Partei zu bilden, die mit der „mitte-links“ Demokratischen Partei ein Wahlbündnis eingehen könnte.
Eine qualitative Veränderung
In Italien entstand die PRC vor mehr als 15 Jahren als eine kleine Massenpartei die für eine revolutionäre Überwindung des Kapitalismus eintrat und die radikalsten ArbeiterInnen und Jugendlichen ansprach. Die geplante Veränderung würde ebenso einen deutlichen Rückschritt bedeuten wie eine qualitative Veränderung in der Rechtsentwicklung der Partei. Und das würde wiederum die Frage nach der politischen Vertretung der ArbeiterInnenklasse aufwerfen und nach der Notwendigkeit damit zu beginnen, eine neue Massenpartei der ArbeiterInnenklasse und der –bewegung aufzubauen.
Eine ArbeiterInnenmassenpartei in Italien wird v.a. aus zwei Quellen aufgebaut werden: In erster Linie aus jenen Kräfte, die in Arbeitskämpfen und gewerkschaftlichen Kämpfen involviert sein werden, die gegen die Angriffe auf die Pensionen, gegen prekäre Beschäftigungsverhältnisse, gegen Privatisierung und die „Reformen“ des öffentlichen Sektors stattfinden werden. Und aus sozialen und regionalen Kämpfen wie die Bewegungen gegen den Bau der US-Basis in Vicenza und gegen den TAV Hochgeschwindigkeitszug im Val di Susa.
Die Linke organisieren
Controcorrente sieht ihre zentrale Aufgabe korrekterweise darin, diese Kämpfe aufzubauen und die Linke in der PRC zu organisieren um gegen den Rechtsruck von Giordano und Bertinotti vorzugehen. Wenn, wie Marco Veruggio in seiner Rede klar gemacht hat, es das zentrale Ziel der Parteiführung für den Vorschlag einer neuen Formation ist, in der Regierung zu sein, „dann werden wir von Morgen an bis zum nächsten Parteitag alle jene GenossInnen, die immer noch meinen, dass wir eine antikapitalistische kommunistische Partei, die den ArbeiterInnen eine Stimme geben kann, brauchen... und die sozialen Bewegungen auffordern, dass wir alle gemeinsam ‚Nein’ wir stimmen nicht zu, sagen“.
Unglücklicherweise hat sich die “Sinistra Critica“, die Organisation des Vereinigten Sekretariats der Vierten Internationale (in Österreich: SOAL), die beim letzten Kongress der PRC rund 70% der Stimmen erhielt, entschieden, aus diesem Kampf innerhalb der PRC aus zu steigen. Bei einer Pressekonferenz in Carrara verkündete ihr Parlamentarier, Salvatore Cannavo, das sie nicht an der Konferenz teilnehmen würden. Ihre einzige Beteiligung war, dass eine Stellungnahme ihres Senators Turigliatto verlesen wurde, der skandalöser Weise aus der Partei ausgeschlossen worden war, weil der gegen die Außenpolitik der Regierung, inklusive des Krieges in Afghanistan, gestimmt hatte.
Cannavo erklärte, dass Sinistra Critica die PRC nicht verlassen wird, aber dass ihre Mitglied sich selbst aus allen Positionen der Partei „suspendieren“ werden und sich darauf konzentrieren, ihre Organisation und die „Foren des sozialen Kampfes“ aufzubauen. Das ist ein konfuser „dritter Weg“ der sowohl ihren Mangel an politischer Klarheit als auch die Uneinigkeit in ihren eigenen Reihe wiederspiegelt.
Innerhalb der PRC gilt es immer noch eine Schlacht zu schlagen. Und auch wenn diese Schlacht verloren wird, so können im Zuge des Kampfes die Kräfte der Linken sowohl innerhalb der PRC als auch außerhalb organisiert und gestärkt werden und damit die Vorbereitung für den Aufbau einer künftigen ArbeiterInnenmassenpartei begonnen werden.