Mo 01.03.2004
1997: Bei den Präsidentschaftswahlen setzte sich überraschend der „Reformer“ Saya Mohammed Khatami durch. Die Macht der Mullahs war zumindest angeknackst. 2004 scheint alles anders.
Im Jänner 2004 wurde ein neues iranisches Parlament gewählt – die Reformer wurden vernichtend geschlagen. Als entscheidend hat sich erwiesen, dass die Unterstützung Khatamis in der Bevölkerung gebrochen wurde. Gleichzeitig hat der alles kontrollierende „Wächterrat“ bereits im Vorfeld massiv eingegriffen, um Überraschungen vorzubeugen. Rund 2.300 KandidatInnen, davon 80 bisherige Abgeordnete wurden kurzerhand von den Listen gestrichen. In über 200 Wahlkreisen blieb nur noch der Kandidat der Konservativen.
Zahnlose „Reformen“
Mit der Präsidentschaft Khatamis wurden viele Hoffnungen auf Freiheit, Demokratie und Verbesserung der Lebensbedingungen verbunden. Schon bald stellte sich heraus, dass Khatami nicht gewillt war, sich tatsächlich auf einen Kampf mit den religiösen Führern einzulassen. Schließlich trägt er selbst den Titel „Hodschat-ul-Islam“ (=Beweis des Islam).
Tatenlos sah er zu, wie gegen Oppositionelle mit aller Härte vorgegangen wurde. An die 100 kritischen Zeitungen wurden ohne sein Einschreiten verboten. Es wurde nicht versucht, die Macht des „Wächterrats“ einzuschränken und das politische Gefüge nachhaltig zu verändern. Stattdessen bezeichnete er 1999 demonstrierende StudentInnen in Teheran als „Hooligans und Aufrührer“.
Revolutionäre Tradition
Im Jänner 1979 stürzte die iranische Revolution das Regime des verhassten pro-US-amerikanischen Schah M. Reza Pahlewi. Gestützt auf eine gewaltige Streikbewegung konnte die Verstaatlichung der wichtigsten Industriezweige erkämpft werden. Im Laufe der Revolution zeigte sich jedoch ihre Schwäche: Es gab keine Partei, die sich an die Spitze der Bewegung stellte und die Revolution zu Ende führte. Die starken Kommunisten wollten in Übereinstimmung mit der stalinistischen Etappentheorie, gemeinsam mit den religiösen Führern die bürgerliche Demokratie erreichen. Ausgestattet mit dieser Autorität in der Bewegung und revolutionären Phrasen, gelang es Khomeini und den Mullahs das soziale Element der Revolution immer weiter in den Hintergrund zu drängen und jede linke Opposition zu zerschlagen. Am Schluss stand nicht die Abschaffung des Kapitalismus, sondern die islamische Republik Iran. Trotzdem bedeutet der jetzige Wahlerfolg keinen anhaltenden Sieg der Konservativen – nur 50 Prozent gingen überhaupt wählen!
Die Mullahs haben ihre Autorität weit gehend verloren. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist nach 1979 geboren und hat genug von der wirtschaftlichen und politischen Sackgasse des Kapitalismus „islamischer Prägung“.