So 17.09.2023
Gedenken wir Jina Amini, bauen wir sozialistisch feministische Solidarität auf!
Ein Jahr ist seit der brutalen Ermordung von Jina Amini durch die "Sittenpolizei" vergangen, die eine der radikalsten und weitreichendsten Protestwellen in der Geschichte des Irans gegen Gewalt, Unterdrückung und Diktatur auslöste. Frauen und Jugendliche standen dabei an vorderster Front und inspirierten nicht nur breite Schichten der arbeitenden Bevölkerung im Iran, sondern auch Millionen von Frauen weltweit. Heute hat die Staatsmacht die Repression verschärft, um verzweifelt zu versuchen, die mutigen Massen daran zu hindern, erneut auf die Straße zu gehen. Doch trotz der Verhaftungen, Hinrichtungen und Einschüchterungen haben die Menschen nicht aufgehört, zu protestieren. Die mutige Feministin, Arbeiter*innen-Journalistin und Aktivistin Sepideh Qolian schrieb in einem Brief, in dem sie die Schrecken ihrer Inhaftierung beschrieb:
"Das Echo von 'Frau, Leben, Freiheit' ist selbst durch die dicken Mauern des Evin-Gefängnisses zu hören."
Kein zurück
Wir haben nicht nur einige anhaltende und neue Ausbrüche von Straßenprotesten wie in Kurdistan, Khuzestan, Sistan und Baluchestan erlebt: Im Frühjahr streikten die Arbeit*innen in über hundert Betrieben für höhere Löhne. Die Rentner*innen protestieren weiterhin gegen die unerträglichen Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die revolutionäre Bewegung wieder erhebt und im Sinne von Rosa Luxemburg verkündet: "Ich war, ich bin, ich werde sein." Heute warten die Frauen nur darauf, dass die Sittenpolizei sie einschüchtert, damit sie sich sofort verbal und physisch wehren können. Verhaftungen und Einschüchterungen durch staatliche Kräfte werden nun regelmäßig mit spontanen Gegenwehraktionen beantwortet, bei denen sich Frauen und Männer in Massen versammeln, um die Verhaftung zu verhindern.
Der mutige Aufstand der Massen, angeführt von jungen Frauen und Männern, der den Iran an die Schwelle zur Revolution gebracht hat, wird von den Massen nicht vergessen werden. Vielmehr dient er als Grundlage für eine neue Welle der Bewegung, die sich erneut erhebt, um die Freilassung aller politischen Gefangenen, das Ende der Polizeibrutalität und der Unterdrückung sowie den Sturz des gesamten Regimes zu fordern. Die Mullahs haben deutlich gemacht, dass sie keine Zugeständnisse an die Bewegung machen werden. Alle Fäden des iranischen Staates und der Wirtschaft laufen in ihren Händen zusammen, und sie werden Macht und Reichtum nicht freiwillig aufgeben. Der Sturz des brutalen Regimes der Mullahs wird nur mit der schieren Kraft der organisierten Massen möglich sein - aller Unterdrückten und insbesondere der Arbeiter*innenklasse, mit ihrer Macht, die gesamte Wirtschaft zum Stillstand zu bringen.
Für unabhängigen Widerstang von Arbeiter*innen und Unterdrückten
Wir haben einen Eindruck von der potenziellen Macht der Arbeiter*innenklasse, der Armen und der Unterdrückten bekommen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können - mit dem heldenhaften Kampf der Arbeiter*innen von Haft Tappeh, mit dem Streik der Lehrer*innen, mit dem Kampf der Ölarbeiter*innen. Die Massen selbst sind die einzigen, die über die Zukunft ihres Landes entscheiden sollten. Reza Pahlavi, der Sohn des 1979 verjagten Shahs, und alle Kräfte, die sich hinter ihn und seine Agenda gestellt haben, repräsentieren diese Massen nicht. Sie repräsentieren den Reichtum und die Macht des Imperialismus, ignorieren Forderungen der Minderheiten und stellen eine Gefahr für die Bewegung dar. Um die Bewegung weiter zu verbreiten und wieder aufzubauen, müssen wir sicherstellen, dass sie nicht die einzige organisierte Opposition gegen das islamische Regime sind. Das breite Bündnis und die "Charta", die im Februar von einigen unabhängigen Arbeiter*innen- und Studierendenorganisationen gebildet wurde, zeigt, welche Schritte notwendig sind: koordinierte und organisierte Aktionen von unten auf der Grundlage eines gemeinsamen Programms und gemeinsamer Forderungen.
Die Frau, Leben, Freiheit Bewegung weltweit aufbauen
Bauen wir echte internationale Solidarität von unten mit den Menschen im Iran auf: Protestieren wir auf der Straße, fordern wir unsere Gewerkschaften auf, Stellung zu beziehen, bauen wir Solidaritätsgruppen im Exil auf, leisten wir Widerstand gegen jede Form imperialistischer Intervention. Die herrschenden Klassen und Regierungen der westlichen Länder haben die Ressourcen geraubt und die ganze Region in Krieg und Zerstörung getrieben. Die Jagd nach Profiten ist ihr einziges Interesse, ob in Form von Sanktionen, die vor allem die Ärmsten treffen, oder in Form von faulen Geschäften mit den Mullahs. Diese Regierungen heucheln Solidarität mit den Frauen im Iran, während sie gleichzeitig die Körper der Frauen durch Abtreibungsverbote, Angriffe auf die Rechte von Frauen und Queers sowie rassistische Maßnahmen wie das Verbot des Hidschabs kontrollieren.
Unsere Verbündeten sind die Massen, die in Syrien gegen das reaktionäre Regime protestieren. Es sind die Schülerinnen und Frauen in Afghanistan, die heldenhaft den Kampf gegen die Taliban fortsetzen. Es sind die Massen, die in Israel und Palästina gegen die Bedrohung durch die Rechtsextremen und religiösen Fundamentalist*innen protestieren. Es sind die Jugendlichen und die Arbeiter*innenklasse in Frankreich, die gegen Polizeigewalt und Rassismus sowie gegen wirtschaftliche Not und Armut protestieren. Es sind Frauen, Jugendliche und Menschen aus der Arbeiter*innenklasse überall, die unter den endlosen Formen der Unterdrückung und Ausbeutung leiden - von geschlechtsspezifischer Gewalt über rassistische Polizeimorde bis hin zu Krieg und Klimakatastrophe. Der Kapitalismus ist ein weltweites System, das die ganze Welt in Zerstörung und Schrecken stürzt - einschließlich der Aufrechterhaltung reaktionärer Regime wie im Iran. Deshalb bedeutet internationale Solidarität, dass wir den Kampf überall aufnehmen, um sicherzustellen, dass der Ruf nach "Frau - Leben - Freiheit" Wirklichkeit wird: Um Sexismus, Rassismus, Queerfeindlichkeit und das dahinter stehende System zu beenden. Die Forderung nach voller Gleichberechtigung auf allen Ebenen der Gesellschaft, was auch den Kampf gegen die Superreichen einschließt, die die arbeitenden Menschen ausrauben und ausbeuten, angetrieben durch das System des Profits und der Unmenschlichkeit. Ein eindrucksvoller Bericht aus den letzten Monaten ist die Geschichte eines jungen Mädchens. In ihrer Schulklasse nahm sie ihren Zwangs-Hidschab ab und der Lehrer drohte ihr, sie deswegen von der Schule zu verweisen. Als er sie nach ihrem Namen fragte, antwortete sie: "Ich bin Jina Amini" - alle anderen Schüler*innen standen auf und sagten: "Wir sind auch Jina Amini". Dies ist keine Ausnahmesituation, es ist ein täglicher Kampf gegen eine der repressivsten Diktaturen der Welt geworden. Und dieser Mut und diese Solidarität geben uns eine immense Inspiration, für unsere Rechte zu kämpfen, uns jetzt zu organisieren und eine internationale, sozialistisch-feministische Kraft aufzubauen.
Bauen wir eine Bewegung auf für:
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Ein sofortiges Ende der blutigen Unterdrückung: Freilassung aller politischen Gefangenen, Gewerkschafter*innen und Student*innen, Wiedereinstellung aller entlassenen Regimegegner*innen und Rückschlag gegen Polizei, Militär, Revolutionsgarden und alle staatlichen Kräfte
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Ausweitung des Kampfes für volle Gleichberechtigung und Freiheit für Frauen und queere Menschen auf allen Ebenen: Abschaffung aller diskriminierenden Gesetze und Kampf gegen jede Form von geschlechtsspezifischer Gewalt und Unterdrückung
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Aufbau von kämpferischen und demokratisch organisierten Strukturen an Arbeitsplätzen, in Schulen und in Nachbarschaften, um sich gegen die Repression zu verteidigen und das notwendige Programm für die Bewegung zu diskutieren
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Widerstand gegen jede Form des Imperialismus - weder USA, noch China und Russland: Unabhängige Organisationen der Arbeiter*innenklasse aufbauen, um für eine Alternative zum Regime zu kämpfen
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Kampf für echte Demokratie: Aufbau einer revolutionären verfassungsgebenden Versammlung durch Arbeiter*innenräte unter Ausschluss aller Kräfte, die an Unterdrückung und Ausbeutung beteiligt waren, um das Regime durch eine demokratische sozialistische Arbeiter*innenrepublik mit vollen Rechten für alle nationalen und ethnischen Gruppen, einschließlich des Rechts auf Unabhängigkeit, zu ersetzen
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Aufbau einer internationalen Solidarität der Arbeiter*innenklasse und der sozialistischen Feminist*innen: Organisiert euch mit ROSA und ISA, um diesen Kampf aufzubauen! Für einen internationalen Kampf, der das verrottete kapitalistische System, das Rassismus, Sexismus, Imperialismus und Krieg reproduziert, durch eine sozialistische Gesellschaft ohne Unterdrückung, Armut und Krieg ersetzen kann!