Fr 01.09.2000
250 GenossInnen aus über 20 Ländern kamen im Juli in Belgien zusammen, um eine Woche die zentralen Themen der revolutionären Bewegung zu erörtern. Es war die größte und jüngste Schulung des KAI seit mehr als 10 Jahren.
Aus allen europäischen Sektionen waren sie angereist, aber auch aus Israel/Palästina, Australien und den USA. Es war schon ein Erlebnis zu hören, wie in Israel/Palästina von einem Mitglied eine Sektion mit 19 GenossInnen in eineinhalb Jahren aufgebaut werden konnte. Oder wie eine zwanzigjährige irische Genossin berichtete, welche Anstrengungen die Partei unternimmt, um die Strukturen der Partei auf die Kandidatur bei Parlamentswahlen vorzubereiten. In Irland hatte unsere Schwesterpartei schließlich bereits ein Gewicht erreicht, das uns dazu zwingt in mehreren Wahlkreisen gleichzeitig anzutreten. Einen Rückzieher würde die ArbeiterInnenklasse nicht nachvollziehen können. Die GenossInnen aus Kasachstan konnten berichten, dass sich die größte ArbeiterInnenformation aufgrund der internationalen Solidaritätsarbeit weiterhin dem KAI solidarisch fühlt. Neben einer würdevollen Gedenkveranstaltung anläßlich des 60. Todestages des großen Revolutionärs Lev Davidovitsch Bronstein (Leo Trotzki) wurden Fragen der wirtschaftlichen Entwicklung in Europa und der Welt, sowie Fragen der revolutionären Taktik diskutiert.
Krise und Aufschwung
Auch wenn die bürgerlichen PropagandistInnen erklären, dass die Aufwärtsentwicklung unbegrenzt weiterginge, sind die ersten deutlichen Brüche sogar in den USA sichtbar. Nicht zuletzt die New Economy musste einige Rückschläge hinnehmen, wie die massiven Kursrückgänge am NASDAQ oder auch bei europäischen Telekomwerten zeigen. Selbst angesehene kapitalistische Kommentatoren in den USA warnen bereits vor einer Überhitzung der Konjunktur, ein deutliches Zeichen für ein bevorstehendes Ende des US-Booms. Ein solches Ende hätte allerdings gravierende Auswirkungen auf Europa. Der europäische Boom ist primär auf gestiegene Exporte, v.a. in die USA, zurückzuführen. Die Konsumption in den USA ist auf einem Rekordniveau aber auf Pump und das seit Jahren. Das kann nicht ewig so weitergehen, diese Schulden holen die US-Firmen und Haushalte eher früher als später ein.
Dazu kommt, dass die US-Firmen mehr als die Hälfte ihrer Kredite zum Rückkauf ihrer eigenen Aktien verwenden, um so die Kurse hochzuhalten. Auch das ist nicht unbedingt ein Zeichen für eine florierende Wirtschaft. Darüber hinaus kehrt auf die politische Bühne in den USA eine verschwunden geglaubte Macht zurück: Die ArbeiterInnenklasse. Steigende Mitgliedszahlen bei Gewerkschaften und mehr Streiks sind der klare Ausdruck dafür. Einige besonders ausgebeutete Schichten traten zum ersten Mal auf den Plan und konnten mit militanten Streikmaßnahmen zum Teil große Erfolge erzielen, wie zum Beispiel das Reinigungspersonal kalifornischer Spitäler. Auch in anderen Ländern, etwa Irland oder Norwegen, versuchen ArbeiterInnen ihren Anteil am Aufschwung mit Streiks zu erkämpfen. Insgesamt eine instabile Situation für Weltwirtschaft, in der das Eintreten einer tiefen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise nur noch eine Frage der Zeit ist.
Die Aufgaben revolutionärer Parteien
Ein zentrales Element der politischen Situation weltweit ist die Absenz politischer Formationen der ArbeiterInnenklasse. Die alten Massenparteien sind überall ins Lager der Bürgerlichen gewechselt, neue Parteien sind nicht in Sicht. In diesem Vakuum kommt den kleinen revolutionären Parteien des KAI eine Doppelrolle zu. Einerseits müssen sie ihre eigenen Kräfte aufbauen und stärken, andererseits spielen sie an vielen Orten z.B. in Irland, Schweden, Belgien,... die Rolle einer kleinen Massenpartei ohne eine solche zu sein. Das heißt sie machen Massenarbeit, sie werden von den Massen beobachtet und sind ein zentraler Bestandteil der Klassenauseinandersetzung, und das obwohl sie eigentlich die Größe dazu gar nicht haben. Diese Situation eröffnet große Chancen, birgt aber auch enorme Risiken. Einerseits haben einige Sektionen des KAI die Chance in den nächsten Jahren zu Parteien mit zumindest regionaler Massenverankerung zu werden, andererseits birgt solch rasantes Wachstum das Risiko in ein opportunistisches Fahrwasser zu geraten. Es wird die Aufgabe des gesamten KAI sein solche Entwicklungen genau zu beobachten und gegebenenfalls gegenzusteuern.
Neben der theoretischen Klärung, die diese Schulung brachte, war vor allem das jugendliche Gesicht des KAI beeindruckend. Belgien war eine Reise mehr als wert.