Indien/Pakistan/Kaschmir

Eine unendliche Geschichte
Lisa D.

Jedes Frühjahr beziehen Indiens und Pakistans Armeen ihre Posten entlang der „Waffenstillstandslinie“ in Kaschmir. Schießereien sind Alltag, an der Grenzstraße genauso wie in den Dörfern. In den letzten 10 Jahren „Waffenstillstand“ gab es mehr Tote, als in den drei ‚regulären‘ indisch-pakistanischen Kriegen zusammen.
Im Mai kam es zu den schwersten Kämpfen seit rund 30 Jahren zwischen Indien und Pakistan. Der Rest der Welt würde sich gerne aus diesem „Nachbarschaftskonflikt“ heraushalten, leider besitzen die beiden Länder seit einiger Zeit nukleare Waffen. Im August wird der Waffenstillstand wiederhergestellt, Lösung ist das allerdings keine. Vor allem, weil in Indien in Kürze Wahlen stattfinden. Pakistanisch-kaschmirische Milizen haben schwere Drohungen gegen alle Kaschmiri ausgesprochen, die sich an diesen Wahlen beteiligen - es gibt bereits Tote.

50 Jahre, keine Lösung in Sicht

Mit der Unabhängigkeit wird Britisch-Indien aufgeteilt. Die Kolonialherren versuchen getreu dem Prinzip „teile und herrsche“ entlang religiöser Linien zu spalten, Linien, die geographisch natürlich kaum zu ziehen sind. Bei der blutigen Teilung in Indien und Pakistan kommt 1 Mio Menschen ums Leben, 17 Mio fliehen in den jeweils anderen Staat. Über den Grenzstaat Kaschmir bricht offener Krieg aus: Der Maharadscha Kaschmirs, ein Hindu, schließt sich Indien an, Pakistan erhebt Anspruch auf das mehrheitlich muslimisch bewohnte Gebiet.
Vorläufiges Endergebnis 1949: Ein Pakistan, das sich als Heimat aller Muslime versteht, ein Indien, mehr Kontinent als Staat, in dem nationaler Stolz die Rolle des Bindeglieds spielt. Kaschmir ist geteilt, Indien  ist zufrieden, möchte die Waffenstillstandslinie als Grenze etablieren. Pakistan beansprucht Kaschmir, verlangt zumindest die Durchführung eines Referendums, einer Wahl zwischen  Indien und Pakistan.

Soziale Katastrophe

Die Herrschenden beider Länder haben allen Grund, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung auf den Feind außerhalb zu lenken. Die Lebensbedingungen sind katastrophal. In den beiden Ländern leben 370 Millionen Menschen in absoluter Armut, von weniger als 1 US$ pro Tag. Allein in Indien können sich 200 Mio keine 2 Mahlzeiten am Tag leisten. Natürlich verschärft die massive Aufrüstung für den Konflikt die Lage. Von 1990-96 haben die beiden Staaten zusammen 70 Mrd US$ für Rüstung, aber nur 12 Mrd für Bildung ausgegeben. 200 Mio haben keinen Zugang zu medizinischer Grundversorgung, es gibt sechs mal soviel Soldaten wie ÄrztInnen.
In Indien regiert eine 18-Parteien-Koaltion unter der Führung der hinduistischen BJP. Ein Wegbruch Kaschmirs würde Autonomiebestrebungen anderer Teilstaaten verschärfen. Die Machthaber in Pakistan haben fundamentalistische Bestrebungen immer gefördert, schließlich definiert sich der Staat über den Islam, Kaschmir gilt als „Heiliger Krieg“. Ohne Unterstützung der religiösen Gruppen gibt es keine Regierung.

Kein lachender Dritter

Die soziale Situation in Kaschmir ist noch schlimmer. Analphabetismus bis zu 86% (Frauen 96%), eineN ÄrztIn für 6.000 Menschen, 40% absolute Armut. Beide Teile werden von den jeweiligen Besetzern unterdrückt, lokale Regierungen sind Marionetten, nicht-regimetreue Parteien von den Wahlen ausgeschlossen, politische Aktivität für sie verboten. Der bewaffnete Aufstand begann vor 10 Jahren. Anfangs ist die Jammu and Kashmir Liberation Front führend, sie steht für ein unabhängiges, geeintes Kaschmir. Später übernehmen (pro-)pakistanische Milizen, die aber deutlich weniger Unterstützung in der Bevölkerung haben, die treibende Rolle.
Der Großteil der Kaschmiri selbst will Unabhängigkeit von Indien und Pakistan. In ganz Südasien kämpfen ArbeiterInnen gegen soziale Mißstände und Aufrüstung. Die Mitglieder des CWI in Indien und Pakistan treten gemeinsam mit der revolutionären National Awami Party in Kaschmir für das Recht auf Selbstbestimmung ein. Aber nur auf der Basis der gemeinsamen Interessen der ArbeiterInnen können wir die Trennlinien der Herrschenden, Nationalismus, Rassismus und Fundamentalismus,  überwinden und ein Konflikt wie der um Kaschmir wirklich gelöst werden.

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