Fr 10.09.2010
Vor siebzig Jahren wurde der größte lebende Revolutionär der Zeit, Leo Trotzki, von Josef Stalins Auftragskiller Ramon Mercader ermordet. Vorher hatte es mehrere gescheiterte Attentate auf Trotzki gegeben, doch dieses mal zerstörte ein tödlicher Schlag mit einem „Eispickel“ erfolgreich das „Gehirn“ der ArbeiterInnenklasse und das Symbol der unversöhnlichen Opposition zum Kapitalismus und totalitären Stalinismus. Dieses Ereignis, dass Stalin und die von ihm repräsentierte bürokratische Elite im Kreml feierten, erfreute auch die kapitalistischen Regierungen in Europa, Amerika und der ganzen Welt.
Kapitalisten versuchen literarischen Mord an Trotzkis Ideen
Robert Service, der in seiner vor kurzem erschienenen „Biographie“ Trotzki erneut ermordet hat, dieses Mal auf eine politische und literarische Art, zitiert zustimmend die Worte Winston Churchills an den russischen Botschafter in Britannien zur Zeit der berüchtigten Moskauer Prozesse, die die Grundlage für die Ermordung Trotzkis legten: „Ich beobachte seine Aktivitäten seit einiger Zeit. Er ist das böse Genie Russlands, es ist sehr gut, dass Stalin mit ihm abgerechnet hat.“
Wenn Trotzkis Mörder glaubten, dass sie mit ihm seine Ideen zerstören könnten haben sie sich schwer geirrt. Die politisch bewusstesten Schichten späterer Generationen haben, wenn sie den Kampf gegen den Kapitalismus und Stalinismus aufnahmen, in Trotzkis Werken nach Erklärungen und Anregungen gesucht. Sogar in der Periode der ideologischen Konterrevolution nach 1989 erwiesen sich seine Ideen noch als attraktiv. Jetzt, angesichts der größten ökonomischen Krise des Kapitalismus seit den 30ern und der daraus unvermeidlich Folgenden Massenrevolte der ArbeiterInnen und Armen, fürchten die Kapitalisten den Einfluss von Trotzkis Ideen. Sie sind sich bewusst oder ahnen zumindest dass in einer Periode der Massenrevolte Personen wie Che Guevara, der als Kämpfer für Sozialismus und nationale Befreiung und Gegner der Bürokratie gilt, und Leo Trotzki Interesse auslösen. Um der neuen Generation den Weg zu versperren ist eine Kampagne zur Diskreditierung Trotzkis notwendig. Das ist der Sinn von Büchern wie dem von Robert Service und Anderen die im letzten Jahr produziert wurden.
“Zeig mir wer deine Freunde sind und ich zeige dir wer du bist“. Service ist ein "Kumpel" des aktuellen Chefs der Bank of England und Schlächter der Wohlfahrtsstaates, Mervyn King. Er möchte den unglaubwürdigen Eindruck erwecken dass Trotzki, der von Stalin zusammen mit dem Großteil seiner Familie und der revolutionären Generation die er repräsentierte ermordet wurde, trotzdem ein Bruder im Geiste Stalins und des von ihm geführten bürokratischen Terrorsystem sei. Ebenso wie der Stalinismus sind Trotzkis Ideen scheinbar ein „Auswuchs“ des Bolschewismus, dem ein totalitärer und autoritärer Charakter zugeschrieben wird. Dies ist selbstverständlich eine üble Verleumdung der Partei die Lenin führte, der Bolschewiki, der demokratischsten ArbeiterInnenpartei die die russische Revolution anführte, das größte einzelne Ereignis in der Geschichte der Menschheit. Der Stalinismus war mit seinen totalitären Methoden und der Auslöschung der Bolschewiki selbst nicht die Fortsetzung des Bolschewismus, sondern seine Negation.
Der Stalinismus ist nicht mehr der Anziehungspol, der er z.B. in den 30er Jahren und in einem gewissen Maße in der Periode direkt nach 1945 war, als die neu in den Kampf eintretende Generation von den Verbrechen des Stalinismus größtenteils nichts wusste. Das ist heute nicht der Fall. Daher kann Trotzki in der neuen explosiven Phase einen Weg nach Vorn aufzeigen - durch seinen Kampf für ArbeiterInnendemokratie und seine Analyse nicht nur des wichtigen Themas Stalinismus, sondern auch der Kämpfe der ArbeiterInnenklasse im allgemeinen. Das bedeutet nicht, dass Trotzki „unfehlbar“ war, ebenso wenig wie Marx, Engels und Lenin. Aber seine Einschätzungen der großen Probleme, mit denen die ArbeiterInnenklasse zu seiner Zeit konfrontiert war, waren meistens korrekt. Besonders bemerkenswert ist der riesige Beitrag, den er in den 30ern mit seiner Analyse des Faschismus leistete. Selbst dann war er bereit seine früheren Kommentare zu korrigieren, die aus den 20ern stammten, als der Faschismus noch ein neues Phänomen war. Zu dieser Zeit neigte auch Trotzki dazu, in einer ungenauen Verwendung des Begriffs diktatorische Regime wie das von Primo de Rivera in Spanien als faschistisch zu bezeichnen. Später erkannte er dass das ein Fehler war und lieferte eine viel präzisere Definition des Faschismus, der ArbeiterInnenorganisationen vernichtete, im Unterschied zu bonapartistischen Militärregimes, die zwar reaktionär waren, denen jedoch nicht gelang alle demokratischen Rechte und Organisationen zu zerstören.
Trotzkis Ideen sind nicht veraltet
Oft wird behauptet, Trotzkis Ideen seien „überholt“. Dies erklären ProfessorInnen und VerteidigerInnen des bestehenden Systems. Tatsächlich ist „Trotzkismus“ eine moderne Manifestation der Ideen von Marx. Von Anfang an haben die Gefolgsleute des Kapitalismus behauptet, er sei auf „demokratische“ Gesellschaften nicht anwendbar, besonders nach der Erfahrung des 20. Jahrhunders. Wenn der Marxismus so „veraltet“ ist, wie war dann möglich dass wir, die MarxistInnen, die Funktionsweise des kapitalistischen Systems besser verstanden haben als die VerteidigerInnen dieses Systems selbst? Sie haben durch ihr Sprachrohr Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“ ausgerufen. Das Wall Street Journal erklärte 1990 nach dem Zusammenbruch des Stalinismus „Wir [die KapitalistInnen] haben gewonnen“.
Die MarxistInnen erkannte selbstverständlich dass die Abwicklung der Planwirtschaft, die dem Kollaps des totalitären Systems folgte eine historische Niederlage für die ArbeiterInnenklasse war. Zumindest auf wirtschaftlichem Gebiet waren die Planwirtschaften Russlands und Osteuropas - trotz ihrer Belastung durch die Bürokratie - ein Bezugspunkt, ein Hinweis darauf was auf der Basis einer ArbeiterInnendemokratie möglich gewesen wäre. Eine Andeutung von Unterstützung für die Errungenschaften der Planwirtschaft fand sich vor kurzem im Guardian. Die Zeitung berichtete, dass das aktuelle Putin-Regime in Russland zu Profitzwecken die berühmte globale Saatbank in St. Petersburg zu zerstören plant. Hingegen „verhungerten während der 900-tägigen Belagerung Leningrads im zweiten Weltkrieg zwölf russische WissenschaftlerInnen lieber, als die einzigartige Sammlung von Samen und Pflanzen zu essen, die sie für die Menschheit schützten.“ [9. August]
Viele „MarxistInnen“ leugneten entweder die riesigen Auswirkungen des Unterganges des Stalinismus oder flohen vom Schlachtfeld. Das CWI verstand, dass er zwar eine Niederlage - in erster Linie eine Niederlage ökonomischer Art – war, aber keine so verheerende Katastrophe wie die Zerstörung der ArbeiterInnenorganisationen durch den Faschismus in den 30ern. Wir sagten voraus – abgesehen von einigen bürgerlichen Ökonomen wie Nouriel Roubini, der auf empirischem Weg zu denselben Schlüssel gelangte, praktisch als einzige – dass die Methoden, die den Kapitalismus nach dem Zusammenbruch des Stalinismus anheizten irgendwann katastrophale Auswirkungen für das System haben würden. Die kolossale Aufnahme von Krediten, fiktivem Kapital, führte zur größten Spekulationsblase der Geschichte. Wir wurden damals als „primitive Katastrophisten“ bezeichnet. Im Gegenteil wendeten wir uns gegen jene MarxistInnen – einige davon frühere Mitglieder von Militant, dem CWI in Britannien – die 1987 eine große Krise vorhersagten. Wir erklärten, dass der Kapitalismus durch die Benutzung der Reserven Deutschlands und Japans vorübergehend einen Ausweg finden würde. 2007 allerdings sagten wir, dass das System in eine tiefe Krise geraten würde. Genau das ist passiert. Unsere Analyse war, anders als die der ökonomischen Scharlatane des Kapitalismus, nicht auf Alchemie basiert, sondern auf einer wissenschaftlichen Analyse ihres Systems. Diese wiederum beruht auf der Herangehensweise Trotzkis, die auf den Methoden von Marx basierte. Wenn eine Idee die aktuelle Situation korrekter erklären kann als Andere ist sie die beste verfügbare Methode, egal wie „alt“ sie ist. Der Marxismus hat sich schließlich bei der vorhersage von Ereignissen den Wahrsagern der besitzenden Klassen weit überlegen gezeigt.
Marx wies darauf hin dass das kapitalistische System letztlich auf der profitorientieren Produktion für eine Handvoll Millionäre, Multimillionäre und Milliardäre – ökonomische Polutokraten – aufbaut, nicht auf sozialen Bedürfnissen. Der Grundwiderspruch des Systems ist dass die ArbeiterInnenklasse nicht über den vollen Wert dessen, was sie produziert verfügen kann. Dies ergibt sich aus der Tatsache dass die ArbeiterInnenklassen nur einen Teil des Wertes, den sie erzeugt in Form von Löhnen bekommt, den Rest bezeichnete Marx als „unbezahlte Arbeit“. Das System kann so lange funktionieren, wie dieser Überschuss produktiv in Industrie, Forschung und Technik – die Produktionsmittel – investiert wird. Allerdings entwickelt sich aus dieser Situation an einem bestimmten Punkt eine Krise, die zur Überproduktion von Kapital und Konsumgütern führt. Die Idee der „Überproduktion“ an sich wäre in allen vorkapitalistischen Wirtschaftssystemen als absurd betrachtet worden, in einer von bitterer Armut und Not geprägten Welt. Aber die wesentliche Antriebskraft dieses Systems ist Profit, nicht menschliches Bedürfnis. Der Kampf um den Überschuss ist der Auslöser für ein Programm, Löhne zu senken und den Anteil des Wohlstandes, den die ArbeiterInnenklasse bekommt zu verkleinern.
Wirtschaftliche Not für Millionen
Diese theoretischen Ideen wurden von den SozialistInnen des CWI, die in der historischen Analyse von Trotzki verankert sind, auch während der 90er und zu Beginn dieses Jahrzehnts weiterhin vertreten. Fast jeden Tag finden sich in der Presse Beweise für die marxistische Analyse. Im Juli hat die Financial Times darauf hingewiesen, dass seit 2007 in den Fabriken der USA 7 Millionen ArbeiterInnen entlassen wurden. Offiziell sind in den USA 15 Millionen Menschen arbeitslos, aber mit der Zahl der Unterbeschäftigten und denen, die die Suche nach einem Arbeitsplatz aufgegeben haben liegt die tatsächliche Zahl bei 30 Millionen, 20% der Arbeitsfähigen. In Europa sind zehn Prozent der Arbeitsfähigen arbeitslos. Gleichzeitig war dem selben Artikel zu entnehmen, dass die Profite der großen US-Firmen um astronomische 36% gestiegen sind, eine direkte Folge der Entlassung von Millionen ArbeiterInnen mit all dem daraus folgenden sozialen Elend. Im Ergebnis liegt die riesige Summe von zwei Billionen Dollar auf den Konten der Großunternehmen. Und trotzdem befindet sich die USA, wie wir erwartet haben, am Rande einer „double dip“-Rezession.
Warum ist das so? Es gibt für die KapitalistInnen in einer Welt, in der es angeblich gerade keinen „Bedarf“ gibt, keinen „profitablen“ Ausweg. Deshalb investieren sie nicht. Damit verraten sie ihre Mission, wie Marx es ausdrückte. Das einzige, was den Kapitalismus mit seiner Ungleichheit und seinem barbarischen Charakter historisch rechtfertigen kann ist die Entwicklung der Produktivkräfte. Und momentan scheitern die Kapitalisten offensichtlich an dieser Aufgabe. In Osteuropa, wo „blühende Landschaften“ versprochen wurden, zeichnet sich das gleiche Bild. Zum Beispiel sind in Rumänien von knapp über neun Mio. ArbeiterInnen 1,2 Mio. arbeitslos. In einem ähnlichen Ausmaß gibt es Massenarbeitslosigkeit in Kasachstan. Es ist nicht nur Massenarbeitslosigkeit, sondern permanente Arbeitslosigkeit – Marx" angeblich widerlegte Idee einer Reservearmee der Arbeitslosen – die sich heute sogar in manchen der reicheren Städte Europas zeigt. In Athen besetzen Gruppen von MigrantInnen und ArbeiterInnen jeden öffentlichen Platz. Sie haben nichts zu tun außer zu versuchen, für eine Stunde oder einen Tag einen Job zu ergattern! Die Tatsache, dass der Kapitalismus weiterhin die Umwelt ruiniert wird durch das obszöne Spektakel geldgeiler Spekulanten unterstrichen, die im Schutz der Moskau umgebenden Waldbrände versucht haben, in Zusammenarbeit mit einem französischen Unternehmen ein lukratives Bauprojekt durchzusetzen. Die, die dagegen protestieren, wie die russischen Mitglieder des CWI, werden von faschistischen Schlägern angegriffen und krankenhausreif geprügelt.
Kapitalismus und Krieg
Nach wie vor liegt die schreckliche Bedrohung des Krieges über der Menschheit. Afghanistan ist so ungewinnbar wie der Vietnamkrieg. Zusätzlich dauert die Intervention der USA mittlerweile länger an als der Vietnamkrieg und wird jetzt nicht mehr als „Bushs Dummheit“ gesehen, sondern als Obamas Krieg. Vor kurzem hat die Geschichte eine furchtbare Warnung abgegeben, was passieren kann wenn die Repräsentanten des Kapitals die Kontrolle behalten. Sechzig Jahre nach dem Koreakrieg, in dem beinahe so viele US-Soldaten gestorben sind wie im Vietnamkrieg, werden Details der Konfrontation zwischen den USA und China aus den Archiven öffentlich. Offenbar hat der US-General MacArthur nicht nur einen nuklearen „Präventivschlag“ gegen China angedroht, sondern schlug auch vor, 30 bis 50 Atombomben einzusetzen! Er wurde vom damaligen Präsidenten Truman entlassen. Aber wie viele weitere „MacArthurs“ gibt es im Lager der Privilegierten und Kapitalistenklassen, die wenn ihre Interessen bedroht werden auch vor der Drohung mit nuklearen „Schlägen“ nicht zurückschrecken?
Marx" Kapitalismuskritik, die Trotzki entschlossen verteidigte, war sehr einfach. Wenn das System Arbeitsplätze, Wohnungen, Nahrung, die Abschaffung von Krieg und Rassismus, die Überweindung nationaler Grenzen etc. erreichen kann, wird es sich erhalten. Aber die Essenz der aktuellen Situation des Weltkapitalismus ist dass er nicht in der Lage ist, selbst die grundlegendsten Bedürfnisse der Menschheit zu erfüllen, insbesondere nicht für die zwei Drittel, die in den neokolonialen Ländern leben. Dies wurde vom haitianischen Präsidenten Aristide gezeigt, der schwor die „obszöne Armut“ in seinem Land zu beseitigen, sie als er an der Macht war aber durch „akzeptable Armut“ ersetzte! Noch nicht einmal das wurde erreicht, wie die Situation nach dem Erdbeben in Haiti heute beweist. Trotzkis Idee der permanenten Revolution behält ihre Gültigkeit für die Länder der neokolonialen Welt. Sie besagt, dass die demokratische Revolution in der Moderne nicht mehr von den Kapitalisten durchgeführt werden kann. Die Ziele Landreform, echte parlamentarische Demokratie und Freiheit von den wirtschaftlichen und politischen Ketten des Imperialismus können von den schwachen herrschenden Klassen in diesen Ländern und Regionen unmöglich erreicht werden. Nur die Arbeiterklasse kann gemeinsam mit den armen BäuerInnen die nationale demokratische Revolution durchführen. Doch dann muss sie ihren Sieg sichern, indem sie zu den Aufgaben des Sozialismus übergeht, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene. Dies war die Folge der russischen Revolution, die Großgrundbesitz und Kapitalismus beseitigte und auch weltweit eine revolutionäre Welle auslöste.
Die russische Revolution und der Aufstieg des Stalinismus
Aber ZynikerInnen sagen „es wird als irgendeine Art von blutiger Diktatur enden“ wie in Russland. Das ist eine Lüge, Russland war 1917 nicht nur ein Leuchtturm für Planung und Sozialismus, sondern auch für die Verbreitung der ArbeiterInnendemokratie zu den Massen weltweit. Der Stalinismus entstand nicht aus der der Anfangsperiode der russischen Revolution, sondern aus ihrer Isolation. Manche, wie Service, behaupten dass Trotzki wenn er sich gegen Stalin durchgesetzt hätte die gleiche „persönliche Macht“ wie er etabliert hätte. Hier stellt sich die Frage ob Trotzki, in Anbetracht der Isolation der russischen Revolution, des Aufstiegs der Bürokratie und der Zerstörung der ArbeiterInnendemokratie Stalins Platz hätte einnehmen können ohne sein demokratisches und sozialistisches Programm für Russland und international zu verletzen. Unglaublicherweise gehen manche MarxistInnen heute weiter und meinen, dass Trotzki die Macht hätte ergreifen sollen als sie ihm in den 20ern von Antonow-Owsejenko, dem obersten Kommissar der Roten Armee, angeboten wurde. Schließlich besaß Trotzki zu der Zeit enorme Autorität in der Roten Armee – viel mehr als Stalin – nicht nur bei den Soldaten, sondern auch unter den höheren Offizieren die mit ihm im Bürgerkrieg gekämpft und die 21 Armeen des Imperialismus besiegt hatten. Trotzki unterstand jedoch, dass er wenn er „Macht“ aus dieser Quelle akzeptiert hätte letztlich ein Gefangener einer vielleicht noch schlimmeren „Militärbürokratie“ geworden wäre, die sich in Anbetracht der damaligen Isolation der russischen Revolution unweigerlich entwickelt hätte.
Dies beweist, dass Trotzki, ebenso wie Marx, Engels und Lenin, verstanden hatte, dass Sozialismus und Marxismus nicht durch Manöver, Cliquen oder Putsche wachsen wird. Nur indem wir am Bewusstsein der ArbeiterInnenklasse ansetzen – ihrem politischen Verständnis in der jeweiligen Phase – und versuchen es mit einem klaren Programm, Slogans und Organisation voranzubringen können Sozialismus und Marxismus tatsächlich wachsen. Das CWI hat nach dem Zusammenbruch des Stalinismus und besonders mit der Abwicklung der Planwirtschaft einen Rückschlag erlitten. Es könnte nicht anders sein, angesichts der kapitalistischen Propagandaorgien, die aus der Entwicklung folgten. Die, die versuchten die Realität zu ignorieren wurden wegen der schwierigen objektiven Situation die in dieser Zeit existierte gebrochen. Viele weigerten sich die Situation zu erkennen, manche verkannten sie sogar als „Sieg“, da der Stalinismus selbst zusammengebrochen war. Sie sagten nicht, dass sein Untergang mit der Abschaffung der Planwitschaft einherging. Die Socialist Party und das CWI hielten weiter das demokratische, sozialistische Banner Trotzkis hoch.
ArbeiterInnen ziehen in den Kampf
Dabei blieben opportunistische oder ultralinke Spaltungen nicht aus. In einer Periode wie der, die wir erlebt haben ist das nicht ungewöhnlich. Lenin und Trotzki führten in der Phase von 1907-1911 ähnliche Kämpfe. Aber wie wir vorhergesehen haben ist der Kapitalismus in die Krise gestürzt und hat eine neue Periode eröffnet. Politischer Kampf ist nicht nur während der Hochphasen von Bewegungen der ArbeiterInnenklasse notwendig, sondern auch in Rückzugsperioden, um sich auf zukünftige gewaltige Ereignisse vorzubereiten. Die großartigen Bewegungen der griechischen ArbeiterInnen und die kommenden Kämpfe in Spanien, Portugal, Irland und Italien sind nur der Anfang des politischen Erwachens der Arbeiterklasse. Nordeuropa wird ebenfalls stark betroffen sein. Der Generalstreik in Indien im Juli ist, trotz seines begrenzten Charakters, ein Vorzeichen dessen was in der neokolonialen Welt bevorsteht, während die Krisenlast verstärkt auf die Arbeiterklasse und die Armen geschoben wird. Alle kapitalistischen Regierungen Europas, von den stärksten und „reichsten“, wie der in Deutschland, bis zu den ärmsten in Griechenland, Portugal und Spanien im Süden, versuchen den Lohnabhängigen Sparprogramme aufzuzwingen. Widerstand ist unvermeidlich. Doch Widerstand allein ist nicht genug: wir brauchen auch ein klares Programm, die richtige Politik, taktische Improvisation und klare Slogans in jeder Phase des Kampfes. Trotzki hat das immer wieder und wieder unterstrichen.
Er hat viele Male gezeigt wie die ArbeiterInnenklasse, manchmal sogar „spontan“, versuchte, die Gesellschaft zu verändern. In der spanischen Revolution wurden vier Fünftel der Macht in Spanien durch die ArbeiterInnenklasse übernommen, wodurch der ursprüngliche Putsch der Franco-Faschisten 1936 zerschlagen werden konnte. Aber ohne eine klare ArbeiterInnen-Massenpartei die einen alternativen, arbeiterdemokratischen Staat errichten konnte wurde der Arbeiterklasse die Macht wieder abgenommen. Ein ähnliches Bild zeichnen die Ereignisse in Frankreich 1968, in Portugal 1974-75 und in vielen anderen Fällen.
Kampf für das Programm des Marxismus
Was sind die Lehren für heute? Es ist dringend notwendig eine neue Massenkraft aufzubauen, die die Kämpfe der ArbeiterInnenklasse auf wirtschaftlichem Gebiet und in der politischen Arena verbinden kann. Dies erfordert die „doppelte Aufgabe“ die sich das CWI in den frühen 90ern gestellt hat: Kampf um die Rehabilitation der Ideen des Sozialismus für die Massenbewegung und Beibehaltung des klaren Programms des Marxismus-Trotzkismus.
Wir befinden uns in einer der explosivsten Perioden der Geschichte. Wenn sich die Wirtschaftskrise als „Ansteckend“ herausgestellt hat und sich in immer weitere Länder ausbreitet, wie weit wird sich der Sozialismus verbreiten? Die Globalisierung hat die Basis dafür in einem Ausmaß geschaffen, das selbst Marx sich nicht vorstellen konnte. In der vietnamesischen Revolution entwickelte der Imperialismus die Theorie des „Domino-Effektes“, die annahm, dass wenn ein Land für den Kapitalismus verloren ginge der Kapitalismus in Südostasien zusammenbrechen würde. In einem gewissen Maß hat sich das bestätigt. Ein Sieg in den fortgeschrittenen industrialisierten Ländern, sogar in einem halb-industriellen Land wie Griechenland, hätte mächtige Auswirkungen für Europa und die Welt. Griechenland hatte schon einen kolossalen politischen Effekt, owohl es nur 0,5% zum Welt-Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Es ist die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnenklasse die antritt, sich gegen die Angriffe des Kapitals zu wehren und sie zu überwinden – symbolisiert durch sechs Generalstreiks, auf die die Arbeiterklasse der Welt schaut.
Diese Ereignisse zeigen, dass für die ArbeiterInnenklasse in Europa und der Welt ein neues Kapitel begonnen hat. Trotzki, den seine Gegner zu einer politischen Unperson erklärt haben, wird in der kommenden Periode als große Persönlichkeit nicht nur in der ArbeiterInnenbewegung, sondern im Kampf der ganzen Menschheit wieder auftauchen.