Mi 01.02.2017
Seit Wochen sind die KollegInnen, die nach dem Kollektivvertrag für Werbung und Marktkommunikation bezahlt werden auf den Beinen. Sie ziehen vor die Firmenbüros, „besuchen“ Veranstaltungen der Wirtschaftskammer und demonstrieren am Schwarzenbergplatz. Auf die Straße gehen nicht nur GewerkschaftsfunktionärInnen und BetriebsrätInnen, sondern auch ganz “normale” KollegInnen, die selbst für ihre Interessen was tun wollen. Worum geht’s? Die Unternehmer der Wiener Werbewirtschaft wollen heuer keine Erhöhungen zahlen und lassen die Gewerkschaft ins Leere laufen. Die zuständige Fachgruppe in der Wirtschaftskammer wird von Unternehmern aus der „Grünen Wirtschaft“ dominiert. Die grünen Funktionäre wollen die Löhne und Gehälter noch weiter nach unten drücken. Da ist die ÖVP-dominerte Wirtschaftskammer gern mit dabei.Die Sozialistische LinksPartei - SLP unterstützt aktiv die Proteste der KollegInnen. Irene Mötzl, Betriebsrätin beim Wohnservice Wien, aktiv in der SLP und im "Aufbruch", erzählt vom aktuellen Arbeitskampf in der Wiener Werbebranche:
Worum geht’s bei der Kundgebung am 2.2?
“Es geht um unsere Gehälter. Die Bezahlung nach dem Werbe KV ist von Haus aus schlecht, aber für 14.000 Wiener Beschäftigte in der Werbebranche ist er zumindest eine Untergrenze und bietet eine gewisse Sicherheit. Wenn sich die UnternehmerInnen durchsetzen, ist sogar das weg. Die Unternehmer wollen in einer kleinen Branche mit wenig Gewerkschaftsmitgliedern ausprobieren, ob sie den Kollektivvertrag wegkriegen können. Wenn das durchgeht, geht’s bei KollegInnen in anderen Branchen weiter. Daher ist unsere Sache eigentlich eine Sache der gesamten Gewerkschaftsbewegung. Die grünen Wirtschaftsfunktionäre reden von einer ’KV-Reform’, aber wir kennen das ja aus den Regierungen von Land und Bund. Egal ob Rot-Schwarz im Bund, Rot-Grün in Wien oder Blau-Schwarz in Oberösterreich: Wer von Reform redet, will bei den Betroffenen einsparen. Dagegen müssen wir uns wehren!”
Warum ist die Bezahlung nach Werbe KV so schlecht?
“Der KV ist ein typischer ‘Flucht–KV’. Viele UnternehmerInnen wenden diesen KV an, weil er nur eine sehr schlechte Bezahlung regelt. Typisch ist, dass große Medienkonzerne wie der ORF, Töchterfirmen betreiben, die den Werbe KV anwenden. Damit verdienen viele (vor allem junge) KollegInnen viel weniger. Während ältere KollegInnen nach anderen KVs – etwa dem JournalistInnen KV bezahlt werden. Damit schadet das Unternehmen nicht nur den jungen KollegInnen, es versucht auch, zu spalten und die besser bezahlten KollegInnen unter Druck zu setzen.
Es ist daher wichtig, nicht nur ‘einen KV’ und ‘KV-Verhandlungen’ zu fordern, wir müssen versuchen, eine hohe Lohn-erhöhung und echte Verbesserungen zu erkämpfen. Eine ‘Reform von unten’ also im Sinne der KollegInnen muss so ausschauen, dass es für die UnternehmerInnen nicht mehr attraktiv ist, den KV als Hebel zur Verschlechterung einzusetzen.”
Was sind nötige Forderungen?
“Eine deutliche Erhöhung der Gehälter. Die Gewerkschaft fordert aktuell 2,3% – das ist die absolute Untergrenze. Darunter sollte nicht abgeschlossen werden. Dann ein Vorstoß gegen unsichere Arbeitsverhältnisse. Außerdem: Bis jetzt waren die Lohn- und Gehaltserhöhungen nur auf der KV-Ebene. Nur wer punktgenau nach KV bezahlt wurde, bekam die Erhöhung. Verdient die Kollegin bzw. der Kollege nur ein paar Euro drüber, ist die Erhöhung nur eine freiwillige Leistung der Firma. Es ist wichtig, dass alle die Erhöhungen fix auf das jeweilige Gehalt bekommen, also dass es eine sogenannte „Ist“-Erhöhung bei jeder KV-Runde gibt. Das ist auch eine wichtige Forderung von Gewerkschaft und BetriebsrätInnen der Branche.”
Mobilisierung für den Widerstand
“Wir versuchen die KollegInnen immer gut zu informieren und eine gemeinsame Diskussion und Entscheidungsfindung zu ermöglichen. Das ist unter anderem bei zwei gut besuchten Betriebsversammlungen passiert. Viele KollegInnen haben sich an den kleineren Aktionen, die es bis jetzt gab, beteiligt. Für den heutigen Tag, die Kundgebung am 2.2., haben wir wie viele andere BetriebsrätInnen in den betroffenen Betrieben, gemeinsam mit der GPA-djp eine Betriebsversammlung in der Öffentlichkeit organisiert. So können viele KollegInnen teilnehmen.”
Wie soll es weiter gehen?
“Die heutige Kundgebung vom 2.2. darf auf keinen Fall die letzte Aktion sein. Jetzt müssen wir weiter machen, bis es eine deutliche Erhöhung gibt. Es braucht Druck aus den Betrieben. Bei den Aktionen in den vergangenen Wochen haben sich viele KollegInnen beteiligt. Ich war von der aktiven Beteiligung überrascht und ich glaube, anderen gings genauso. Unsere Branche ist sehr zersplittert und wir haben wenig Gewerkschaftsmitglieder. Ein Arbeitskampf, vor allem ein Streik, wird da sicher sehr schwer. Dass es schwer wird, darf uns aber nicht davon abhalten, uns darauf vorzubereiten. Nicht im Betrieb zu kämpfen, weil ‘wir so schlecht organisiert sind’ wäre jetzt genau das Falsche. Eine aktive Gewerkschaft führt auch zu einer höheren Organisierung.
Als nächstes wäre ein Aktions- und Streiktag ein wichtiger Schritt. Wir sollten eine Demonstration organisieren, auch weil es wichtig ist, an die Öffentlichkeit zu gehen. Wir müssen auch Unterstützung von “außerhalb” organisieren: Beschäftigte in anderen Bereichen, die vor ähnlichen Problemen stehen, Menschen mit denen wir im Rahmen unserer Jobs zu tun haben oder auch “die Öffentlichkeit” die gar nichts darüber weiß, was bei uns los ist.
Die KollegInnen, die die Möglichkeit haben, sollten die Teilnahme an der Demo als Betriebsversammlung in der Arbeitszeit bzw. als Streik nutzen. Dann könnte ein Warnstreik ein weiterer Schritt sein. Was genau passieren soll, sollten wir jedenfalls mit den KollegInnen im Betrieb und in der Gewerkschaft besprechen und dann gemeinsam demokratisch entscheiden. Wichtig sind in jedem Fall eine bessere Organisierung unserer Branche und auch Solidaritätsaktionen über Branchengrenzen hinweg, denn wir sind nicht die einzigen, die von Angriffen auf ArbeitnehmerInnen – Interessen durch Wirtschaft und Arbeitgeber betroffen sind.
Es ist aber nicht nur wichtig, unsere Forderungen und unsere nächsten Schritte in den Betrieben mit den KollegInnen zu besprechen und zu beschließen, sondern auch ein eventuelles Verhandlungsergebnis muss so angenommen oder abgelehnt werden. Je stärker wir möglichst viele KollegInnen in den Kampf einbeziehen, um so entschlossener können wir kämpfen und um so mehr erreichen.”
Stimmen von weiteren betroffenen KollegInnen:
"Nutzen wir die Chance unsere Arbeitsbedingungen zu verbessern. Eine Wiederaufnahme der KV-Verhandlungen ist mir und meinen KollegInnen zu wenig- wir wollen 4% oder mehr und eine jährlich fixe IST-Erhöhung. Viele KollegInnen wissen, dass wir dafür kämpfen müssen und sind auch bereit, das zu tun." (eine betroffene Mitarbeiterin der Medienbranche)
"Auch viele kleine Firmen werden dem Werbe-KV zugerechnet. Die betroffenen ArbeitnehmerInnen wissen oft nichts davon. Die GPA-djp sollte den aktuellen Arbeitskampf nutzen, um auch diese KollegInnen in Kleinbetrieben mit einer kämpferischen Kampagne einzubinden. Die Aktion am 2.2. sollte auf keinen Fall die letzte sein." (Claudia Sorger, Sozialwissen-schafterin und beschäftigt im Bereich des Werbe-KV)
"Der Angriff auf den Werbe-KV muss von allen engagierten BetriebsrätInnen und der Gewerkschaftsbewegung branchenübergreifend zurückgeschlagen werden. Dazu ist eine lautstarke Kampagne aller ArbeitnehmerInnen nötig. Bauen wir diese gemeinsam auf." (Franz Neuhold, Betriebsratsvorsitzender im Technischen Museum Wien mit ö. Mediathek)
"In immer mehr Werbe- und Medienbetrieben gibt es keine Kollektivverträge oder Betriebsräte mehr. Ein guter Lohnabschluss beim Werbe-KV ist nötig, um Lohndumping in der Branche einzudämmen. Ein erfolgreicher Kampf würde das Selbstbewusstsein auch in Betrieben ohne Betriebsrat massiv stärken. Auch KollegInnen aus Betrieben ohne Be-triebsrat müssen in den Kampf mit einbezogen werden. Hierfür müssen die erforderlichen Strukturen geschaffen werden." (Martin B., Journalist)
Flugblatt der SLP für die Aktionen am 2.2.2017