Do 17.12.2009
Wird es angesichts des Sumpfes und der Skandale rund um die Hypo-Alpe-Adria bald eine zusätzliche Verschwörungstheorie über Jörg Haiders Tod geben. Nämlich jene eines rechtzeitigen Selbstmordes, um der Katastrophe zu entgehen? Oder wird es einen neuen Mythos in Kärnten über die Bauernschläue der BZÖ-Politiker geben, die den Bund aus getrickst haben? Wie auch immer, deutlich wird in diesen Tagen, dass der Rechtspopulist Haider und seine Mannen genauso wenig den Kapitalismus kontrollieren oder bändigen können, wie andere. Und dass sie genauso schlecht, wenn nicht aufgrund rechtspopulistischen Geldbedarfs noch schlechter, wirtschaften wie andere PolitikerInnen. Der de facto Bankrott der Bank und die Tatsache, dass das Bundesland Kärnten an einem ebensolchen nur knapp vorbei geschrammt sind, machen das Versagen des rechtspopulistischen Modells offensichtlich. Und doch greift es zu kurz sich auf den Wahnsinn von Haider & Co. auszureden. Denn die Hypo ist nur eine von vielen Banken die kracht. Aber die Zeche sollen, unabhängig davon welches Parteibuch die jeweils Verantwortlichen haben, immer dieselben zahlen: nämlich wir! Auch das Problem des Rechtsextremismus wird nicht, insbesondere nicht nun nach der Fusion des Kärntner BZÖ mit der FPÖ durch die offensichtliche Unfähigkeit des BZÖ gelöst werden, solange es keine starke linke Alternative gibt.
Hypo: der ganz normale Wahnsinn
Helmut Elsner ärgert sich wahrscheinlich grün und blau darüber, dass seine Finanzstrickereien nicht 1-2 Jahre später aufgeflogen sind. Dann wäre er wohl straf frei ausgegangen. Denn wofür er einsitzt, bleibt bei tausenden anderen BankerInnen und ManagerInnen ungestraft. Und selbst wenn jetzt gegen einige der Verantwortlichen juristisch vorgegangen wird muss die Frage gestellt werden: wer kontrolliert hier wen ihn wessen Interesse. Oder anders gesagt: eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Das die Justiz nicht unabhängig ist sondern mit der Politik eng verflochten hat sich im Verfahren bezüglich Dörflers Ortstafelverrückung gezeigt. Im restlichen Österreich ist es aber auch nicht besser. Wenn es also Verfahren gibt, dann sollten tatsächlich unabhängige Untersuchungen durch VertreterInnen der KleinkundInnen der Hypo und von ÖGB und AK Kärnten durchgeführt werden.
Offensichtlich hat es bei der Hypo wohl einiges an eigenartigen Geschäften gegeben. Die Medien überschlagen sich in Berichten über fragwürdige Geschäftspartner, verschwundene Jachten und Untersuchungen der Justiz gegen ehemalige Manager. Dass alles – und wohl noch viel, viel mehr – ist wohl richtig, aber wahrscheinlich auch keine Besonderheit der Hypo. Mag sein, dass bei der Hypo besonders sorglos mit dem Geld der SparerInnen umgegangen wurde, dass besonders riskant agiert wurde und das es besonders offensichtliche Verstrickungen der Politik gibt. Aber es war wohl nur ein Unterschied im Ausmaß all dessen, nicht in den Taten an sich. Banken spekulieren und Banken verlieren dabei, dass ist normales „Business“. Die Krise der Hypo hat ihre Ursache nicht nur in der Finanzkrise und nicht nur in „falschen“ Entscheidungen des Managements, sondern in einem zunehmend spekulativem Finanzsektor, der als Ausweg aus einer fundamentalen Krise des Kapitalismus (Marx nennt das eine Überakkumulationskrise) nach immer riskanteren Anlageformen suchte.
Und genau deswegen, weil es normal in diesem Geschäft ist, halten sie letztlich auch alle zusammen. Vielleicht werden diesmal ein Paar zur Verantwortung gezogen, aber im Großen und Ganzen wird sich nicht viel ändern.
Pest oder Cholera: Das große Sterben hat gerade erst begonnen
Am Montag den 14. Dezember hat die Republik Österreich die Hypo für drei Euro übernommen. Als zweite Bank nach der Kommunalkredit im Herbst 2008 wurde die Hypo „verstaatlicht“. Ob sie die Letzte bleiben wird ist noch offen. Denn tatsächlich gibt es jeden Grund nervös auf die Zukunft der österreichischen Bankenlandschaft zu schauen. Liselotte Palme schreibt in profil von „Überkapazitäten in Europas Bankenlandschaft“ und meint, dass wohl noch eine Reihe von Banken ihre Pforten für immer schließen wird. Über die tausenden Beschäftigten und die SparerInnen, die ihr Geld verlieren könnten wenn bei einer Ausdehnung der Bankenkrise die Einlagensicherung nicht mehr hält, verliert sie kein Wort. Das ist typisch für den ganzen Umgang mit den Konsequenzen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Nicht die Menschen, die ihre Jobs und Existenzgrundlage verlieren stehen im Vordergrund. Die Sorge der Politik und Medien gilt den Banken, Unternehmen und deren Grundlage für Profite!
Jahrzehntelang haben sich westliche Unternehmen am Balkan eine goldene Nase verdient. Sie haben staatliche Strukturen zerschlagen, mafiöse Strukturen gefördert oder zumindest geduldet und Regierungen unterstützt, die ihnen ein optimales Investitions- oder besser Gewinnmaximierungsklima schaffen. Die soziale Situation der Menschen auf dem Balkan war und ist ihnen völlig egal. Die Hypo ist in einigen Regionen am Balkan eine der wichtigsten Banken. Dort sollen nun massiv Jobs gestrichen werden – eine Katastrophe für die betroffenen Familien. Auch die Einlagen der kleinen SparerInnen sind dort nicht geschützt. Es ist unklar was bei einer Zerschlagung der Bank mit den außer-österreichischen Teilen geschieht. Und es mag zwar in Österreich eine Einlagensicherung geben – auf dem Balkan aber nicht. Die Berichte über mafiöse Geschäfte der Hypo auf dem Balkan dürfen nicht darüber hinwegtäuschen dass ein großer Teil der Einlagen von ganz normalen ArbeitnehmerInnen kommt. Von Krankenschwestern, Bauarbeitern, LehrerInnen und anderen, die ihr mühsam Erspartes einer großen Bank anvertraut haben. Die kleinen BankkundInnen und die Beschäftigten der Hypo in Österreich und am Balkan haben dieselben Interessen und müssen diese gemeinsam gegen ein künftiges „Sanierungskonzept“ das zu Lasten ebendieser geht verteidigen.
Die Krise der Hypo wie auch div. Pleiten (Quelle etc.) zeigen, dass die tiefste Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren noch nicht vorbei ist und die verkündete „Erholung“ eine bestenfalls extrem schwache ist und auf äußerst wackeligen Füßen steht. Von europäischer Seite gab es massiven Druck auf Pröll die Hypo nicht in Konkurs gehen zu lassen. Aber auch die anderen österreichischen Banken haben offenbar große Sorgen um die Bonität und den Bankenstandort Österreich. So wurden der Chef der Europäischen Zentralbank Trichet und Vertreter anderer Banken zumindest teilweise in die Verhandlungen einbezogen. Das Wohl der kleinen SparerInnen bzw. der Bankangestellten hatten sie damit wohl nicht im Auge. Die Hypo wäre die erste Bank in Europa gewesen, die im Zuge der Krise Bankrott gegangen wäre. Was sowohl symbolisch von Bedeutung gewesen wäre, als auch sehr praktisch Auswirkungen für den gesamten Bankensektor gehabt hätte. Da die verschiedenen Banken durch wechselseitige Kredite und sonstige Geschäftsbeziehungen eng miteinander verbunden sind, wäre ein Dominoeffekt die Folge gewesen der weit über Österreich hinaus Banken mitgerissen hätte. Z.B. wäre die Raiffeisenbank, die wie die Hypo am Balkan Geschäfte macht, von einem Hypo-Kollaps stark betroffen gewesen. Ein Zusammenbruch der Hypo hätte eine neue Finanzkrise auf dem Balkan und in Osteuropa auslösen können, die massive Auswirkungen in einer Reihe von westeuropäischen Ländern haben könnte – in Österreich, Deutschland, aber über die Unicredit auch in Italien. Eine solche neuerliche Finanzkrise kann der ohnehin sehr schwachen „Erholung“ den Todesstoß versetzen.
Doch ein solcher Dominoeffekt kann immer noch kommen. "Dem österreichischen Bankensektor stehen noch weitere, massive Wertberichtigungen ins Haus“ geht aus der 18. Ausgabe des Finanzmarktstabilitätsberichts der Österreichischen Nationalbank hervor. Grund sind u.a. das große Engagement in Osteuropa und der hohe Anteil an Fremdwährungskrediten. Tatsache ist: die heimischen Banken haben nicht „seriös“ agiert, sondern – wie all die anderen – hoch gepokert und spekuliert und stehen nun vor gewaltigen Problemen angesichts der Wirtschaftskrise in Osteuropa.
D.h.: es ist noch gar nichts vorbei. Jene Banken, die sich auf die Brust schlagen und über die Hypo lästern könnten bald selbst vor ähnlichen Problemen stehen. Und sie werden versuchen, ihre Kosten für die „Rettung“ der Hypo auf die BankkundInnen abzuwälzen wie sie das schon in den letzten Monaten durch ständig steigende Bankgebühren etc. getan haben. Und die Regierung agiert als Vertreterin der Wirtschaft und insbesondere der Banken. Kein Wunder dass es ein Schulter klopfen von Leitl und Co. für die Regierung gibt.
Verstaatlichung demokratisch und sozialistisch, sonst müssen ArbeitnehmerInnen die Zeche zahlen
Als SozialistInnen sind wir immer gegen Privatisierungen und für Verstaatlichung eingetreten. Aber diese Verstaatlichung dient nur dazu, die Kosten der Hypo-Krise auf die Gesamtgesellschaft (und dass heißt v.a. auf ArbeitnehmerInnen und ihre Familien) abzuwälzen und sie dann wieder zu privatisieren. Der Staat agiert als Retter für das Kapital, wird Personal abbauen und die Kosten der Sanierung auf unsere Schultern laden. Finanzstaatssekretär Lopatka fordert die Länder auf zu sparen, IHS-Budgetexperte Strohner meint, dass der Bund nun „Ausgabenseitig“ sparen soll, also z.B. das Pensionsantrittsalter erhöhen oder auch bei den Krankenhäusern kürzen soll. „Wir zahlen Eure Krise nicht“ wird hier sehr konkret – nicht die Beschäftigten der Hypo sind schuld an ihrer Krise, darum müssen ihre Jobs erhalten bleiben. Wir lehnen auch alle Versuche ab, die Sanierungskosten durch weitere Sozialabbaumaßnahmen auf uns abzuwälzen.
Wir sind nicht der Meinung mancher „Experten“, man/frau solle die Hypo doch einfach „krepieren“ lassen, weil das den Gesetzen des Marktes entsprechen würde. Wir sind für eine Verstaatlichung – aber eine demokratische und sozialistische. Die Verstaatlichung die notwendig ist hat nichts mit der alten Verstaatlichten zu tun, die wir in Österreich kennen. Bei der alten Verstaatlichten ging es nicht um ein Gegenmodell zum Kapitalismus, sondern darum, dass der Staat versuchte als besserer Kapitalist zu agieren. Kombiniert mit abgehobenen BürokratInnen denen es v.a. um ihre eigene Karriere ging. Wir brauchen eine völlig andere Verstaatlichung: Also eine, in der die Beschäftigten, VertreterInnen der KundInnen, der Gewerkschaften und der Gesellschaft das Sagen haben. Als erster Schritt müssen die Geschäfte der Bank der letzten Jahre genau geprüft werden und geschaut werden, wohin das Geld geflossen ist. All jene, die sich bereichert haben, müssen direkt und vollständig zur Kasse gebeten werden. Egal, ob es ManagerInnen, PolitikerInnen oder andere Banken sind. Die Einlagen der kleinen SparerInnen müssen vollständig gesichert werden, die Spekulationsgewinne der Großen zum Wohle der Allgemeinheit eingesetzt werden. Entscheidungen werden nicht von angeblichen „Experten“ gefällt, sondern von BelegschaftsvertreterInnen und den wahren ExpertInnen aus den Organisationen der ArbeiterInnenbewegung, aus den Gewerkschaften, der AK, aber auch von Strukturen wie der Armutskonferenz, von Attac etc. Diese echten ExpertInnen müssten demokratisch gewählt werden und ihre Arbeit muss laufend von jenen kontrolliert werden, die sie gewählt haben – und auch wieder abgewählt werden können, wenn sie ihre Aufgabe nicht im Sinne der ArbeiterInnenbewegung erfüllen. Diese demokratisch gewählten VertreterInnen sind keine hoch bezahlten ManagerInnen, sondern KollegInnen, die nicht mehr verdienen als die Menschen, in deren Auftrag sie arbeiten. Die Jobs der Beschäftigten müssen gesichert, die der ManagerInnen gestrichen werden – Ziel ist nicht die Wiederprivatisierung, sondern eine staatliche Bank, die günstige Kredite an ArbeitnehmerInnen vergibt.
Eine solche sozialistische und demokratische Verstaatlichung kann sich nicht auf die eine oder andere Bank beschränken. Gerade bei den vielen Betrieben, die Lohnsubventionen für Kurzarbeit erhalten oder die Beschäftigte entlassen und so die Kosten für den Erhalt ihrer Gewinne auf die Allgemeinheit abwälzen ist offensichtlich, dass sich im Kapitalismus immer eine kleine Schicht auf Kosten der Mehrheit bereichert. Die Frage der sozialistischen und demokratischen Verstaatlichung der wichtigsten Betriebe und Banken stellt sich also sehr konkret. Um dem offensichtlichen Chaos und der sozialen Katastrophe die der Kapitalismus erzeugt eine echte Alternative entgegen stellen zu können, braucht es nicht nur die eine oder andere Verstaatlichung, sondern die demokratische Planung der Wirtschaft. Geplant wird auch jetzt schon – nur im Interesse der Konzerne und Regierungen und oft gegen die Bedürfnisse der Menschen. Wir brauchen aber eine demokratische Planung, die sich an den Bedürfnissen der Menschen nach Arbeit, sozialer Sicherheit, sauberer Umwelt und einer friedlichen Zukunft orientiert.
Ein Nachtrag zum BZÖ und zur Frage von Populismus
Viele freuen sich, dass endlich offensichtlich wird, wie unfähig das BZÖ ist. Es hier aber wichtig auch zu sehen, welche Motive manche der KritikerInnen haben. Haider & seine Nachfolger haben Kärnten in den Bankrott getrieben; mit Prestige-Projekten und einer Politik des Stimmenkaufs. Medienwirksam und stimmen bringend wurde speziell vor Wahlen Geld direkt an Menschen ausbezahlt. Der Rechtsanspruch auf soziale Unterstützung wurde zurück geschraubt und durch „gütige Spenden des lieben Herrn Landeshauptmannes“ ersetzt die die Menschen sich noch dazu persönlich bei ihm abholen müssen.
Eine solche Politik lehnen wir als SozialistInnen natürlich ab. Für uns sind Sozialleistungen kein Almosen, sondern ein grundsätzliches Recht. Die Fusion zwischen FPÖ und BZÖ-Kärnten zeigt auch, wie eine „Sozial“-Politik der „sozialen Heimatpartei“ in der Praxis aussehen würde: Kürzungen bei den Rechten von ArbeitnehmerInnen und soziale Schwachen und die Vergabe von Almosen an jene, die den Herrschenden und ihrer Ideologie entsprechen.
Es ist nicht automatisch davon auszugehen, dass die Krise der Hypo und auch des Bundeslandes Kärnten zu einer Krise des Rechtsextremismus führen wird. Auf Bundesebene wird die FPÖ weiterhin versuchen, sich als „Saubermänner“ zu präsentieren und ev. auch Kritik an der bisherigen BZÖ-Politik in Kärnten äußern, in Kärnten werden FPÖ/BZÖ/FPK gemeinsam die Verantwortung von sich weisen. Solange es keine ernsthafte sozialistische Alternative in Kärnten gibt, die Widerstand unter ArbeitnehmerInnen, Arbeitslosen und Jugendlichen gegen die Sozialabbaupolitik des BZÖ/FPK organisiert ohne gleichzeitig nach den anderen etablierten Parteien zu schielen, kann BZÖ/FPK auch in Zukunft mit einer Stimmung des „Abwehrkampfes“ gegen Wien und die Bundespolitik punkten.
Aber die Kritik mancher KommentatorInnen gegen die „Füllhorn-Politik“ des BZÖ haben anderes im Sinn: es geht darum, auch linken Kommunalregierungen die Rute ins Fenster zu stellen. Ihnen soll klar gemacht werden: Es gibt kein Geld für soziale Maßnahmen, keine Umverteilung, keine Unterstützung für sozial Schwache. Auch wenn es in Österreich zur Zeit ohnehin keine große Partei gibt, die eine linke Politik macht oder machen würde wäre sie am Ruder, so gibt es sie in Deutschland mit der Linken doch. Und deswegen „mahnen“ die KommentatorInnen schon im Vorhinein: Kommt gar nicht auf blöde Gedanken. Und die Politik hat schon angekündigt als Lehre aus der Krise, den Handlungsspielraum von Ländern und Kommunen „einzuschränken“!
Doch es wird neue linke Formationen geben, auch in Österreich ist die Zeit dafür reif, die linke Kommunalpolitik machen. Sie werden dafür Geld in die Hand nehmen, und Sozialmaßnahmen finanzieren, die den Herrschenden nicht recht sind. Sie werden – wenn sie es ernst meinen – sich nicht an das vom Bund vorgegebene Finanzkorsett halten können. Aber sie werden dieses Geld nicht zum Stimmenkauf benützen, sondern es gemeinsam mit den Menschen die sie gewählt haben politisch erkämpfen und verteidigen so wie es der sozialistische Stadtrat von Liverpool in den 1980er Jahren gemacht hat.