Hong Kong: Regierungschef muss gehen

Sally Tang mei-ching, Socialist Action

Wiederkehrende große Proteste in China und Hong Kong machen die Herrschenden in Peking nervös.

Leung Chun-ying („CY“) ist zurückgetreten – Millionen Menschen in Hong Kong feiern diese Neuigkeiten. Als Regierungschef von Hongkong war er ein Desaster für die Bevölkerung mit Angriffen auf demokratische Rechte und einer sozialen Polarisierung. Es ist ironisch, dass seine Chefs im chinesischen Regime ihn dafür entlassen haben, dass er einen Teil des gewählten Legislative Council (LegCo, gesetzgebende Körperschaft, entspricht einer Art Parlament) entlassen wollte. Seine Agenda bedeutete mehr Kontrolle über Honkong durch Festlandchina in Bezug auf Bildung, aggressives politisches Vorgehen gegen Proteste und einen erneuten Versuch, Artikel 23 (ein „Antisubversionsgesetz“) einzuführen. Seine Amtszeit war gekennzeichnet von Vertiefung der Armut und einer Immobilienkrise.

Wie auch immer die offizielle Version von CY’s Abgang lautet, der wirkliche Grund war, dass seine Herrschaft durch Massenproteste blockiert wurde. Die Wahlergebnisse der Wahl zur LegCo im September waren eine schmerzliche Niederlage für das Establishment. Das wiederum war Ergebnis der Regenschirmbewegung von 2014. CY hat diesen 79 Tage dauernden Kampf überlebt – aber als angeschlagener Herrscher.

Vor seinem Abgang hat CY noch mit undemokratischen Manövern versucht, seine Herrschaft zu sichern. So initiierte er z.B. eine Hexenjagd gegen vier oppositionelle gewählte VertreterInnen der LegCo, darunter „Long Hair“ Leung Kwok-hung von der Sozialdemokratischen Liga. Drei von ihnen waren im September in die LegCo gewählt worden. Durch Attacken auf die demokratischen Oppositionsparteien in der LegCo hoffte CY Rückendeckung von Peking für den auf die Elite beschränkten Wahlprozess zum Regierungschef zu erhalten, um eine Spaltung in der herrschenden Elite zu vermeiden. Sein Plan war, die vier los zu werden und sie dann in den Nachwahlen durch pro-Peking PolitikerInnen zu ersetzen. „Long Hair“ nannte dieses Manöver einen Putsch gegen die Wahlergebnisse des Septembers. Ein schwächerer oppositioneller Block hätte es der Regierung leichter gemacht, die LegCo zu kontrollieren und unpopuläre Maßnahmen durchzuboxen. CY hatte bereits angekündigt, Artikel 23 einzuführen, der ein massiver Angriff auf die ohnehin beschränkten demokratischen Rechte in Hong Kong ist. Es handelt sich dabei um ein „Antisubversionsgesetz“ dessen Einführung bereits 2003 durch Massenproteste verhindert worden war.

Peking hat nun CYs Herrschaft beendet. Das zeigt die Nervosität der Herrschenden in Peking. Es gibt auch starke Indizien, dass der Einbruch in das Büro von Socialist Action, der Sektion des CWI in Hong Kong, aus dieser Richtung kommt. Das Büro ist in einer extrem armen Gegend, in der es aufgrund der Armut kaum Einbrüche gibt. Es wurden alte, schlechte (und schwere) Computer gestohlen, Dokumente gesucht und das ganze Büro unter Wasser gesetzt und somit Archive und Unterlagen vernichtet. Auch wenn der Schaden groß ist, konnten die „Diebe“ kaum Wertvolles mitnehmen, was vermuten lässt, dass sie eher an Informationen über unsere Arbeit in Hong Kong und China interessiert waren.

Ein mögliches Ende der Herrschaft von CY haben SozialistInnen bereits nach den Wahlen im September vorhergesagt. Es war klar, dass das chinesische Regime versuchen würde, weitere Bewegungen und Aufstände in Hong Kong zu vermeiden. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage hat gezeigt, dass nur 19% der Bevölkerung Hong Kongs eine Wiederwahl von CY unterstützt hätten. Peking wird CY mit einer weniger kontroversen Figur ersetzen, um politische Spannungen zu reduzieren. Bei der Wahl im März könnten sie sich für eine Person wie Finanzsekretär John Tsang Chun-wah entscheiden, der unter den traditionellen Tycoon Familien einiges an Unterstützung hat. Die Entscheidung Pekings, CY zu ersetzen ging von Xi Jinpung und der zentralen Führung aus und reflektiert den Machtkampf in Peking. Sie spiegelt dennoch auch die Macht von Massenprotesten wider.

CYs Rückzug ist auch ein verspäteter Sieg der Regenschirmbewegung. Das ist eine wertvolle Schlussfolgerung für die Frage, was als nächster Schritt nötig ist. Schon die Massenbewegung 2003 gegen Artikel 23 hatte einen Regierungschef zum Abdanken gezwungen. Diese Lehren sind wichtig für den Wiederaufbau der Pro-Demokratie Bewegung in Hong Kong und China. Denn die Bewegung war siegreich trotz der zögerlichen Haltung ihrer Führung, der sogenannten Pandemokraten. Sie hätte auf Festlandchina und auf die Ebene von Streiks und sozialen Kampfmaßnahmen ausgeweitet müssen. Auch eine zukünftige Bewegung muss das aufgreifen. Denn auch wenn CY zurückgetreten ist – das undemokratische System von Korruption, für das er steht, ist noch intakt. Das Schicksal der vier Oppositionellen ist immer noch unklar. Wir müssen das gesamte Establishment stürzen – das System von kapitalistischer Diktatur – wenn demokratische Rechte und soziale Gerechtigkeit Realität werden sollen.

Mehr Informationen:

www.socialism.hk und www.chinaworker.info

 

Mehr zum Thema: 
Erscheint in Zeitungsausgabe: