Mi 10.08.2022
Endlich … angesichts der immer weiter eskalierenden Teuerung und der Untätigkeit der Regierung hat der ÖGB für den 17.9. Großdemonstrationen in allen Landeshauptstädten unter dem Slogan “Preise runter” angekündigt. Diese Demonstrationen müssen zum Auftakt für eine breite Bewegung werden. Dafür braucht es den aktiven Einsatz von kämpferischen Betriebsrät*innen, aktiven Kolleg*innen und Basisinitiativen im Rahmen der Mobilisierung und Demonstration. Das ist umso wichtiger, weil es bist jetzt so ausschaut, als ob die Demo als relativ einmaliger Appell an die Bundesregierung geplant ist und nicht als Teil eines eskalierenden Aktionsplanes - nicht einmal eine Verbindung zu den Lohnverhandlungen wird hergestellt. Aber die Demo kann auch ein wichtiger Beitrag im Kampf gegen Frauenunterdrückung, Rassismus und Klimazerstörung sein – die Aktivität der Arbeiter*innenklasse (d.h. aller die auf Lohnarbeit angewissen sind) ist die beste Basis für einen Kampf gegen Unterdrückung und für Klimagerechtigkeit.
Demonstrationen als Chance für Widerstand
Die Demonstrationen am 17.9. und koordinierte Lohnverhandlungen können ein wichtiger Schritt sein, um endlich den Kampf gegen die katastrophalen Auswirkungen der angehäuften Krisen (Pandemie, Klima, Energie, Teuerung etc.) auf unsere Lebensbedingungen zu organisieren. Nach Jahren des Politikversagens und einer Pandemie- und Krisenbekämpfung auf dem Rücken von Beschäftigten und Jugendlichen müssen sie der Startpunkt für einen Kampf für eine politische Alternative sein. Die Demonstrationen bieten die Chance, die angestaute Wut und Frustration über die politische und wirtschaftliche Elite in einen Kampf um ein besseres Leben für alle zu verwandeln. Wenn dieser entschlossene Kampf ausbleibt, besteht die Gefahr, dass FPÖ und Co. von der Situation profitieren.
Welcher Kampf ist notwendig?
Die galoppierende Teuerung aber auch eine bevorstehende Energiekrise sind eine massive Bedrohung für die große Mehrheit der Arbeiter*innenklasse. Schon jetzt ist klar, dass die Regierung fest dazu entschlossen ist, die Kosten für diese Krise auf uns abzuladen und lediglich Alibimaßnahmen beschließt.
Tatsächlich wird es eine Vielzahl an politischen Maßnahmen seitens des Staates zur Abfederung der Teuerung brauchen wie eine Reduzierung oder Streichung der Mehrwertsteuer sowie Preiskontrollen auf Lebensmittel und Güter des täglichen Gebrauchs, (hier entwickeln wir diese Forderungen im Detail), aber auch Maßnahmen in Reaktion zu breiteren wirtschaftlichen Verwerfungen als mögliche Folge einer Energie- und Wirtschaftskrise wie Sondersteuern auf so genannte "Übergewinne" bis hin zur (Wieder-)Verstaatlichung von Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge (insbesondere bei Strom und Gas). Dazu gehören Fragen wie: Wer bekommt bei einer Knappheit Energie und wer entscheidet das, was passiert mit den Beschäftigten in Unternehmen, die wegen Energieknappheit schließen müssen.
Wir sind der Meinung, dass nur die vollständige Kontrolle durch die Arbeiter*innenbewegung (Gewerkschaften, Arbeiter*innenkammer, Betriebsräte) über die betroffenen Wirtschaftsbereiche sicherstellen kann, dass tatsächlich die Interessen der Bevölkerung im Mittelpunkt stehen und nicht die Profite von Konzernen. Im Schwerpunkt der Septemberausgabe unserer Monatszeitung Vorwärts entwickeln wir einen sozialistischen Plan für die Energiekrise. Gleichzeitig wirft die Krise natürlich die Frage der Finanzierung und die Notwendigkeit einer Besteuerung von Superreichen und Konzernen auf. Alle diese Maßnahmen brechen auf die eine oder andere Art und Weise mit Profit- und Marktorientierung, aber dafür brauchen wir eine Gewerkschaftsbewegung, die über den kapitalistichen Tellerrand hinausschaut.
Gleichzeitig wird es bei den Lohnrunden im Herbst notwendig, durch entsprechende Lohnforderungen und Abschlüsse über der Inflationsrate die extreme Teuerung auszugleichen. Auch die Einführung einer gleitenden Lohnskala (das ist die automatische Anpassung der Löhne an die Inflation ähnlich der automatischen Erhöhung der Mieten gemäß Verbraucherpreis-Index) wird in diesem Zusammenhang immer wichtiger. Die Durchsetzung solch „extremer“ Forderungen bleibt jedoch im Rahmen der traditionellen Sozialpartner-Rituale utopisch, obwohl sie zur Verteidigung des Lebensstandards unumgänglich sind. Denn sie würden unmittelbar die Profite der Unternehmer*innen und Konzernbosse angreifen. Solche Forderungen können daher nur im Kampf durchgesetzt werden. Das erfordert rechtzeitige und entschlossene Vorbereitung und Organisierung von Seiten der Gewerkschaften (über ihre Medien sowie entsprechende Stellungnahmen in der Öffentlichkeit, mobilisierende Betriebsversammlungen und Betriebsratskonferenzen etc.). Entsprechend katastrophal daher, dass der Aufruf der Gewerkschaften die bevorstehenden KV-Verhandlungen nicht einmal erwähnt und sich auf einen Appell an die Regierung bzw. Politik beschränkt. Aber genau diese Lohnverhandlungen und deutliche Lohnerhöhungen spielen eine zentrale Rolle beim Abfedern der Inflation.
Es braucht ein koordiniertes Vorgehen bei den Lohnverhandlungen kombiniert mit Forderungen auf politischer Ebene. Das könnte z.B. bedeuten die Kollektivvertragsverhandlungen sowohl terminlich als auch inhaltlich zu synchronisieren, d.h. überall die gleichen bzw. ähnliche Forderungen aufstellen und gemeinsame Streiks zur Durchsetzung aller KVs zu organisieren - und auch nur gemeinsam abzuschließen. Kombinieren könnte man das mit Forderungen an die Politik und den Abschluss von KV-Verhandlungen auch von politischen Maßnahmen abhängig machen. Ein wichtiger erster Schritt wäre ein branchenübergreifender bundesweiter Aktions- und Streiktag zur Einleitung der Herbstlohnrunde.
Insgesamt muss man sich im Herbst von jeder Routine und Sozialpartnerschaft lösen. Regierung und Unternehmen werden alles dafür tun, um Profite auf dem Rücken von Beschäftigten zu retten. Die Gewerkschaften dürfen dieses Spiel nicht mitspielen sondern müssen entschlossen für ihre Mitglieder und die breitere Arbeiter*innenklasse kämpfen.
Kampf statt Symbolik
Leider hat die Gewerkschaftsspitze in der Vergangenheit zu oft gezeigt, dass ihr im Endeffekt politische Stabilität und die Verhandlungsbasis mit den Unternehmen wichtiger ist als die Interessen ihrer Mitglieder. Ein gutes Beispiel dafür sind die Proteste gegen den 12-Stundentag von Schwarz-Blau: zum Höhepunkt demonstrierten mehr als 100.000 Menschen in Wien und in Umfragen gaben 55% an, Streiks gegen die Reform zu unterstützen. Aber anstatt dieses Potenzial zu nützen und die Reform zu Fall zu bringen, ließ die Gewerkschaftsspitze die Proteste - wahrscheinlich aus Angst vor den Auswirkungen von Streiks - auslaufen. Auch während der Pandemie verzichtete die Gewerkschaft auf jede Mobilisierung und akzeptierte mehrere katastrophale Gehaltsabschlüsse (z.B. im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich am Beginn der Pandemie).
Auch dieses Mal deuten mangelnder Aktionsplan und Verbindung zu den Lohnverhandlungen leider darauf hin, dass die Gewerkschaftsspitze keinen entschlossenen Kampf sondern lediglich symbolische Aktionen plant. Aber viele Mitglieder, Funktionäre, Betriebsrät*innen werden das anders sehen und wollen tatsächlich einen Kampf für die Interessen von Beschäftigten organisieren. Politische Linke und betriebliche Initiativen müssen in ihrer Mobilisierung für die Demonstration auch dabei helfen, genau diese Stimmung von unten zum Ausdruck zu bringen.
Organisierung von unten
Deshalb müssen wir alle diese Demonstration, aber auch die Lohnverhandlungen und die allgemeine politische Situation zum Anlass nehmen, um in unseren Betrieben zu mobilisieren und zu diskutieren, wie eine Antwort der Arbeiter*innenbewegung auf diese Krise ausschauen kann. Betriebsrät*innen sollten Betriebsversammlungen für diese Diskussionen einberufen und dort, wo Betriebsrät*innen sich weigern oder nicht dazu in der Lage sind solche abzuhalten, können informelle Treffen nach Arbeitsende eine ähnliche Rolle spielen. Kämpferische Betriebsrät*innen sollten sich mit anderen vernetzen, um über gemeinsame Forderungen und Aktionen zu beraten.
Aber auch die ökologische, feministische und antirassistische Bewegung müssen diese Proteste aufgreifen. Für Klima-Aktivist*innen kann die Demo eine wichtige Möglichkeit sein, den Schulterschluss zu Beschäftigten und Gewerkschaften zu finden und ihre Forderungen einzubringen. Inflation und Wirtschaftskrise treffen nicht nur Frauen noch härter, auch die kämpferischsten Teile der Arbeiter*innenklasse in den letzten Jahren waren überwiegend weiblich. Das gleiche gilt auch für Menschen mit Migrationshintergrund. Krisen treffen die Ärmsten nicht nur am härtesten; wir können auch sicher sein, dass die Rechte von dem Unmut profitieren wird, wenn Linke und Arbeiter*innenbewegung keine Antwort geben.
Diese Organisierung von unten ist nicht nur im Zuge der Lohnverhandlungen zentral, sondern ist auch die einzige Basis für einen Kampf um unsere Rechte in der Zukunft und für den Aufbau neuer Massenorganisationen und Parteien, die den Kampf für die Interessen von Beschäftigten, Jugendlichen, Frauen, Migrant*innen und die Umwelt organisieren und eine echte politische Alternative erkämpfen.
Aktiv einbringen mit der ISA / SLP
Wir als Internationale Sozialistische Alternative werden uns in den nächsten Wochen und Monaten auf unterschiedliche Art und Weise in die Demonstration, die Lohnverhandlungen und die allgemeinen Proteste gegen Teuerung einbringen und versuchen, dabei zu helfen, einen Durchbruch der Bewegung zu erzielen. Dafür haben wir fünf zentrale Ansatzpunkte:
- Lohnverhandlungen im privaten Gesundheits- und Sozialbereich als Leuchturm: Schon in den Jahren vor der Pandemie zählte diese Branche zu den kämpferischsten. Nach einem 3-Jahresabschluss stehen dieses Jahr erstmals wieder Lohnverhandlungen an, die mit Pandemie, Teuerung und Pflegenotstand besonders wichtig werden. Gleichzeitig gibt es in diesem Bereich viele kämpferische Betriebsrät*innen und aktive Kolleg*innen, die Streikerfahrung haben und sich nicht mehr von der Gewerkschaftsspitze bremsen lassen. Außerdem hat die Branche eine unglaubliche gesamtgesellschaftliche Bedeutung. Dadurch hat auch der Arbeitskampf das Potential, zu einem Vorbild zu werden und auch andere Branchen in den Kampf zu ziehen. Als ISA untersützen wir die Basisinitiative "Sozial aber nicht blöd", die sich für eine kämpferischen Kurs in den KV-Verhandlungen einsetzt.
- ROSA und sozialistisch-feministischer Protest gegen Teuerung: Frauen werden mit am härtesten durch die Teuerung getroffen: niedrigere Gehälter, unsichere Jobs, oft die Verantwortung für den Familieneinkauf, Alleinerzieher*innen. Außerdem wissen wir, dass jede Krise häusliche Gewalt verstärkt. Gleichzeitig waren weibliche Beschäftigte und junge Frauen an der Spitze von vielen Arbeitskämpfen und Protesten und auch historisch haben Frauen oft eine zentrale Rolle beim Aufstand gegen Teuerung, Knappheit und Krise gespielt (Bespiele dafür ziehen sich von der französischen und der russischen Revolution bis zu den Massenaufständen im Sudan). Die sozialistisch-feministische Initiative ROSA plant die Proteste gegen die Teuerung, den Kampf gegen Gewalt an Frauen und die bevorstehenden Lohnverhandlungen zu verbinden.
- Mobilisierung und Koordination in den Betrieben: unsere Mitglieder werden in den nächsten Monaten versuchen, an ihren Arbeitsplätzen Diskussionen zu führen und für die Demo zu mobilisieren, aber auch weitergehende Forderungen einbringen. Vor allem Mitglieder unserer Organisation in Betriebsratsgremien werden nicht nur versuchen, ihre Betriebe zu mobilisieren, sondern sich auch mit anderen Betrieben zu vernetzen und zu koordinieren.
- Aktionen und Mobilisierung auf der Straße: zusätzlich wollen wir in den nächsten Wochen bei Infotischen auf der Straße und vor Betrieben für die Demonstration mobilisieren und dabei helfen Menschen zu organisieren.
- Für eine internationale sozialistische Alternative: die aktuellen Krisen zeigen auf eine dramatische Art und Weise, dass uns der Kapitalismus in den Abgrund führt. Um die Krise aufzuhalten braucht es Maßnahmen die mit der Profitlogik brechen (Kontrolle und Verstaatlichung großer Energie- aber auch Lebensmittel- und Industriekonzernen, massive staatliche Investitionen in erneuerbare Energie usw) - also sozialistische Maßnahmen. Nur eine Arbeiter*innenbewegung die mit so einem sozialistischen Programm ausgestattet ist kann eine Antwort auf die Krise liefern. Genau die wollen wir als ISA aufbauen.
Nur durch den aktiven Einsatz von unten können wir sicherstellen, dass wir die Chance dieser Demonstrationen nützen können. Melde dich bei uns, wenn du mitmachen willst!
Unsere Forderungen:
-> Für eine Koordination der Lohnverhandlungen mit den politischen Protesten gegen die Teuerung
-> Es braucht sofort eine Abschaffung der Mehrwertsteuer, Preiskontrollen, eine Anpassung der Sozialleistungen an die Inflation und massive Investitionen in erneuerbare Energien
-> Bei den Lohnverhandlungen braucht es einen koordinierten Kampf aller Branchen um keinen Abschluss unter der Inflation zuzulassen. Wir brauchen eine automatische Anpassung der Löhne an die Inflation!
-> Verhandlungen reichen nicht - wir brauchen einen Aktionsplan mit branchenübergreifenden Demonstrationen und Streiks.
-> Zur demokratischen Organisation des Arbeitskampfes brauchen wir Betriebsrät*innen und Aktivenkonferenzen auf regionaler und bundesweiter Ebene und Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse!
-> Kontrolle und Verwaltung von Energieverteilung und Industrie durch die Gewerkschaften, Betriebsräte und Beschäftigte als Antwort auf Energie- und Wirtschaftskrise.
-> Für eine Arbeiter*innenbewegung mit einem sozialistischen Programm, die für ein Ende des kapitalistischen Horrors und für ein grundlegend anderes, demokratisch organisiertes Wirtschaftssystem ohne Profitlogik kämpft.