Do 01.12.2011
Es war eine dunkle Mainacht im Jahre 1933, in der ein groß gewachsener Mann in schwarzer SS-Uniform, die Mütze tief in die Stirn gezogen, das Tor des KZ Dachau durchschritt. Er schien Zeit zu haben und brachte er eine ganze Weile damit zu die Wachmannschaften zu drangsalieren, stramm stehen und grüßen zu lassen. Erst dann verschwand die Gestalt in Richtung der Allee, die vom Lager in die Stadt hineinführte.
Keine der Wachen hatte sich auch nur die Mühe gemacht den Mann genau anzusehen. Hätten sie’s getan, ihnen wäre aufgefallen wie zerschrammt sein Gesicht war. Er gab ganz und gar nicht das Bild eines SS-Mannes, eines KZ-Aufsehers ab. Doch die Gewohnheit Befehle auszuführen hatte sie des Verstands beraubt und so ließen sie einen Mann aus dem KZ laufen, den sie überall gesucht und schließlich festgenommen hatten: Hans Beimler.
Beimlers Biografie liest sich wie ein Abenteuerroman. Er war alles andere als der Prototyp eines stalinhörigen KP-Bürokraten. Er war ein aufrechter Kämpfer, war ehrlich und geradeheraus. Ein mutiger Mensch voller Mitgefühl und nicht ohne eine spitzzüngigen Witz. Beimler wollte nie hinter einem Schreibtisch sitzen. Sein Betätigungsfeld war der Kampf: Streikposten stehen, Flugblätter verteilen, in Fabriken sprechen, wenn nötig eine Prügelei mit einer SA-Horde und schließlich der Kampf mit der Waffe in der Hand.
Das Kind, das nicht stille sitzen konnte
Beimler erblickte am 2.Juli 1895 in München das Licht der Welt. Seine Mutter war eine ledige Köchin, sein Vater machte sich schnellstens aus dem Staub, als ihm die Überraschung offenbart wurde, dass sein Sohn unterwegs war. Eine alleinerziehende Mutter - welch Affront im erzkatholischen Bayern. Das Kind kam zu den Großeltern, die im oberpfälzischen Waldthurn lebten. Die Armut der ArbeiterInnen in dieser 2.000 Seelen zählenden Einöde war erdrückend. Das Geld reichte kaum für das Nötigste. Für Hans gab es kein Bett, er schlief in einer Holzkiste, was ihm den Spitznamen „Kistenboibl“ einbrachte.
Und er machte Probleme - von Anfang an. In der Schule saß er nie stille, war kaum zu bändigen und zeigte wenig Interesse daran, ob sein Verhalten mit der streng katholischen Moral seines Umfelds zusammenpasste. Auf die Frage seines Großvaters, des stolzen Schlossermeisters, was er denn für einen Beruf zu ergreifen gedenke, erwiderte er: Konditor. Dieser Streit bleibt einer der wenigen, in denen sich Beimler nicht durchsetzt. Mit seinem 16. Lebensjahr hatte er ausgelernt: Beruf Schlosser. Kaum den Gesellenbrief in der Tasche hielt ihn nichts mehr in der geistigen Enge der Oberpfalz. Er ging auf Wanderschaft. Seine Großmutter weinte zum Abschied, sein Opa hatte nur noch Kopfschütteln für den Jungen übrig.
Dessen Weg führt in seine Geburtsstadt: München. Dort tritt er 1913 dem gewerkschaftlichen Metallarbeiterverband bei.
Erster Weltkrieg und Novemberrevolution
Der erste Weltkrieg. Die Bourgeoisien Europas hetzten die Menschen aufeinander. Das große Sterben zu Beginn des 20. Jahrhunderts kostete 17.000.000 Menschenleben! Eine gewaltige Schlacht um Rohstoffe, Absatzmärkte und billige Arbeitskräfte. An diesem Gemetzel wollte Beimler nicht teilnehmen. Doch schon 1914 wurde er eingezogen. Als Schlosser, zählte er zu jenen Fachkräften, die die kaiserliche Marine dringend suchte. Beimler kam auf einen Minensucher und brachte es bis zum Maat – immerhin also Unteroffizier.
Die deutsche Kriegsmarine sah sich während des gesamten Krieges der britischen Umklammerung ausgesetzt. Nur einmal probte die Führung der kaiserlichen Seestreitkräfte das Kräftemessen mit den englischen Kriegsschiffen, während der Seeschlacht im Skagerak.
Sonst verbrachten die Matrosen ihre Tage mit endlosen Debatten. Die verbitterten Soldaten stellten Fragen, wurden wütend, angesichts des prunkvollen Lebens ihrer Vorgesetzten. Sie zweifelten am Sieg und an der Rechtmäßigkeit des Krieges. Verwünschten den kaiserlichen Polizeistaat und schimpften mit bitteren Worten über den Kapitalismus, der das große Morden zu verantworten hatte.
Irgendwer drückte Beimler 1917 schließlich ein Flugblatt in die Hand. Es erzählte kurz und knapp die Geschichte der Russischen Revolution. Beimler war begeistert. Für ihn, wie für Millionen ArbeiterInnen weltweit wurde dies Ereignis zum Weckruf: Endlich ein Ausweg aus Krieg und Unterdrückung. Beimler wird Spartakist – heimlich, denn Spartakist sein hieß damals verfolgt zu werden.
Als im Oktober 1918 die Führung der deutschen Marine einen selbstmörderischen Angriff auf die britischen Inseln plant, ist der Bogen überspannt. Die Matrosen verweigern die Befehle und bilden Räte. Beimler ist organisierender Kopf und Aktivist in einem. Schon am 3.November veranstaltet er mit anderen eine Demonstration durch Cuxhaven.
Mit einem Patronengurt, seinem Gewehr und einem Karton voller Flugblätter reiste er auf eigene Faust von Cuxhaven aus durch halb Deutschland. In München unterstellte er sich ohne Zögern der bayrischen Räterepublik, die wenig später durch konterrevolutionäre Freikorps im Auftrag der rechts-„sozialistischen“ MSPD im Blut ertränkt wird. Beimler leistete sich gemeinsam mit einer Handvoll unnachgiebiger Kämpfer Scharmützel mit den weit überlegenen Freikorps. Doch der Kampf der Revolutionäre ist hoffnungslos. Nach der Niederwerfung der Revolution durchkämmt eine wild gewordenen Soldateska die bayrische Hauptstadt und mordet, plündert und verhaftet vollkommen willkürlich. Auch Hans Beimler gerät in ihre Hände, wird aber mehr oder weniger wohlbehalten wieder laufen gelassen.
Als 1921 der von der KPD geführte mitteldeutsche Aufstand mit Truppen aus Bayern niedergeworfen werden soll, sprengt Beimler kurzerhand eine Brücke und verhindert so wichtige Truppen- und Munitionstransporte. Die bayrische Polizei weiß genau, wo sie suchen muss. Nur wenige Tage nach der Aktion wird Beimler abermals verhaftet und unter Schmähreden eines nationalkonservativen Richters zu zweijähriger Festungshaft verurteilt. Beimler quittiert seine Verurteilung lächelnd mit einem Achselzucken.
Antifaschistischer Kampf
Nach seiner Haftentlassung tritt er eine Stelle in der Lokomotivenfabrik Krauss-München-Sendling an. Sein Einfluss auf die Kollegen im Betrieb wird derartig groß, dass die sozialdemokratische Führung des Metallarbeiterverbandes ihre Felle davon schwimmen sieht und Beimler wegen oppositioneller Bestrebungen ausschließt. Doch inzwischen hat er längst den Ruf eines unerbittlichen Kämpfers. Man beruft ihn ins Zentralkomitee der KPD, Mitglied des bayrischen Landtags wird er 1930 und 1932 und von 1932 bis 1932 Mitglied des Reichstags.
Es waren Jahre voller Brutalität. Die von den deutschen Unternehmern ausgehaltenen Nazis griffen mit ihren Prügelbanden KommunistInnen und SozialdemokratInnen an. Die Angst des deutschen Großbürgertums vor der sozialen Revolution war derart gewachsen, dass sie die NSDAP und deren SA vor ihren Wagen spannte, um die Arbeiterbewegung zu zerschlagen.
Und wieder stand Hans Beimler in vorderster Front. Er ging in Betriebe, diskutierte mit Sozialdemokraten und unorganisierten ArbeiterInnen über den klügsten Weg im Kampf gegen die braune Bedrohung. Doch nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler, am 30. Januar 1933, konnte er nicht mehr offen auftreten. Beimler lag der illegale Kampf. Er eilte in Betriebe, trommelte die Beschäftigten zusammen, hielt eine flammende Ansprache für die Einheitsfront und war viel zu schnell verschwunden, als das die Nazis hätten zugreifen können. Dies ist umso bemerkenswerter, als die Nazis die organisierte Arbeiterbewegung nur im Auftrag der Unternehmer zerschlugen und somit deren Unterstützung genossen. Wo immer Beimler auftauchte drohte ihm also die Denunziation durch leitende Angestellte, Fabrikbesitzer und Vorarbeiter. Dennoch kriegten sie Beimler nicht. Er geriet für SA, SS und Polizei mehr und mehr zum Phantom.
Irgendwann im März durchkämmte die SA eine Villensiedlung am Rande von Augsburg. Es war ein Tipp, ein „guter“ Tipp, denn Hans Beimler war dort. Gerade noch aus dem Küchenfenster entkommen, sprach er einen der SA-Leute an, warum denn so ein Aufhebens gemacht werde. Der gab mürrisch zurück, man suche den verdammten Beimler. Der Gesuchte klopfte dem SA-Mann auf die Schulter und wünschte viel Erfolg, bevor er seelenruhig die Szenerie verließ.
KZ Dachau
Im April 1933 dann der Verrat. Ein Spitzel in den Reihen der illegalen KPD verabredete eine Zusammenkunft mit Beimler. Der Gerufene kam, völlig übernächtigt und unvorsichtig geworden, zum Treffpunkt. Eine ganze Horde SA-Männer fiel über ihn her und schlug auf ihn ein. Beimler wehrte sich, doch es waren zu viele. Sie schleppten ihn auf einen Pritschenwagen und fuhren unter ständigen Fußtritten ins Münchener Gestapo-Hauptquartier, wo man ihn mit Hohnrufen empfing.
Die Braunhemden warfen Beimler in ein kahles Büro, mit Schreibtisch und zwei Stühlen. Unter den Augen eines Gestapo-Beamten prügelten sie ihn halbtot. Dann vernahmen sie ihn, doch Beimler schwieg. Eisern, selbst als sie weiter prügelten hielt er stand. Geheimnisse gab er nicht preis.
Am 25. April verschleppten ihn die Nazis ins KZ Dachau. Beimler musste ein Schild um den Hals tragen mit der Aufschrift: „Herzlich willkommen!“ Er kam sofort in den Bunker. Jene in jedem KZ gefürchteten Arrestzellen, in denen man dem Zorn der Bewacher schutzlos ausgeliefert war. Gut zwei Wochen versuchten sie Beimler zu brechen - erfolglos. Selbst als sein Körper zerschunden und mit Wunden überseht war, schwieg er weiter. Dann warfen die Nazis seinen Freund zu ihm in die Zelle. Er hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten und die SA ließ ihn verbluten. Ein letzter Versuch Beimler den Verstand zu rauben.
Wenige Stunden danach polterten zwei betrunkene SA-Leute in Beimlers Zelle und legten ihm einen Strick um den Hals. Es war wohl das einzige Mal, aber diesmal bat er seine Bewacher um einen Gefallen: Es war der Geburtstag seiner Tochter und sie sollte nicht den Rest ihres Lebens daran denken müssen, dass ihr Vater an diesem Tag gestorben sei. Die zwei Braunhemden erklärten sich mit einem Aufschub einverstanden.
Derweil hatte Beimler nicht vor auf die beiden zu warten. Es muss ihn kaum fassbare Überwindung gekostet haben, trotz seiner Schmerzen die Zellenwand zum Lichtschacht hochzuklettern und die provisorischen Befestigungen der Gitterstäbe zu lösen. Dann war der Weg frei. Beimler lief im Dunkel der Nacht auf das Tor zu, bis, völlig unerwartet, ein SS-Mann vor ihm stand. Der sah den Flüchtenden nicht, stand mit dem Rücken zu ihm und rauchte gelangweilt eine Zigarette. Woher Beimler – mit seinen Prellungen, Schürfwunden und gebrochenen Rippen – die Kraft nahm, wird wohl auch ihm selbst ein Rätsel gewesen sein. Aber er sprang auf den Wachmann und noch ehe dieser Alarm schlagen konnte hatte Beimler ihm das Genick gebrochen. Er zog die Uniform des Toten an und verließ das KZ durch das Torhaus.
Flucht
Beimler lief die Allee Richtung Stadt. Als ihn ein Pferdefuhrwerk überholte, sprang er auf. Nach der Ankunft in München suchte bei Genossen Unterschlupf.
Derweil stellten die Nazis ganz Südbayern auf den Kopf. Alle Zeitungen warnten vor dem „gefährlichen Kriminellen Beimler“, der bei seine Flucht aus Dachau eine SS-Wache ermordet hatte. Ein Eigentor: Die allmächtigen Nazis gaben ohne es zu wollen zu, dass sie einen ihrer erklärten Feinde hatten entkommen lassen. Sachdienliche Hinweise gingen bei der Gestapo nicht ein. Allerdings stellten deren Spitzel in den Tagen nach Beimlers Entkommen vermehrte Zuversicht bei KommunistInnen, SozialdemokratInnen und anderen AntifschistInnen fest. Dass durfte man nicht zulassen: Ein für damalige Verhältnisse ungeheuerliches Kopfgeld von 100 Reichsmark wurde auf Beimler ausgesetzt und seine Familie kam in Sippenhaft.
Der Gesuchte selbst wechselte häufig das Versteck, war zeitweise gar bei einem Polizisten einquartiert. Sonst wartete er ab. So als hätte er es nicht eilig raus zu kommen. Vielleicht war es aber auch das Gefühl die Familie in den Händen der verhassten Feinde zurücklassen zu müssen, das ihn in München hielt.
Nach einigen Wochen reiste er dennoch mit falschen Papieren über Berlin und die Tschechoslowakei in die Sowjetunion aus.
Das Ende aller Illusionen: Stalins Sowjetunion
Beimler kam in die UdSSR beladen mit den naiven Vorstellungen so vieler MarxistInnen jener Zeit. Für ihn war die Sowjetunion die lebendige Revolution, sie war die Lösung aller Probleme der Menschheit, erst recht die Lösung der Probleme in Deutschland. Und tatsächlich waren nach der Oktoberrevolution Großgrundbesitzer und Kapitalisten, Militaristen und Geheimpolizei entmachtet worden. Doch seit den hoffnungsvollen Tagen der Bolschewiki, seit Lenin und Trotzki, war viel Zeit vergangen. Statt aufrechter Revolutionäre wie Beimler selbst einer war, bestimmten stocksteife Bürokraten das Leben in der UdSSR. Sie klebten an ihren Privilegien, ihren Häusern und Datschen, an teuren Kuraufenthalten und schönen Büros. Wer immer gegen diese Verhältnisse das Wort erhob, wurde liquidiert und mit ihm nicht selten die Familie.
Beimler erlebte wie kampferprobte deutsche KommunistInnen, die Schutz in der UdSSR gesucht hatten, lieber wieder nach Deutschland zurückgingen, als in der Sowjetunion zu bleiben. Sie wollten lieber von den Nazis getötet werden, als von den „eigenen“ Leuten. Wenn er in Betrieben sprach, war er erschüttert über das Klima aus Angst und Furcht an den Werkbänken. Auch Beimler wollte nur noch raus.
Er verfasste die Broschüre „Mörderlager Dachau“, die erste Schilderung der erschütternden Zustände in deutschen KZ’s. Dann machte er sich auf den Weg nach Paris, um von dort aus den antifaschistischen Kampf in Deutschland zu organisieren. Doch er erlebte eine Partei, die sich selbst matt setzte. Die einflussreichen Stellen waren von unfähigen Bürokraten besetzt. Mit dem scheinheiligen Argument die ArbeiterInnen seien müde verweigerten die KPD-Bürokraten die Einberufung von Treffen. Anfangs versuchte Beimler noch diesen Makel durch unermüdliche Arbeit wettzumachen. Aber gegen die Wand der Bürokratie war es unmöglich anzurennen. Da wurden, ohne Absprache, Räume doch nicht gemietet, Ankündigungen von Treffen nicht verbreitet. Beimler war fassungslos über so viel Unfähigkeit. Und langsam reifte in ihm der Gedanke, dass es eben nicht nur Unfähigkeit war.
Weder in Frankreich, noch in der Schweiz gelang es die „Rote Hilfe“ zu formieren. Seinem engeren Freundeskreis vertraute Beimler seine Ratlosigkeit an. An die Öffentlichkeit ging er nicht – er wollte der Partei nicht schaden, die doch für den Kampf gegen die Nazis so bedeutend sein könnte. Doch selbst diese Disziplin konnte einen Menschen wie Beimler nicht ewig in der Räson halten. Irgendwann fing er an Briefe zu schreiben und in den wenigen öffentlichen Reden, die er noch halten konnte selbst einige Zustände in der UdSSR zu kritisieren. Postwendend kam die Antwort. Während seines Aufenthalts in der Schweiz wurde Hans Beimler aller Ämter enthoben.
Spanische Revolution
Für Beimler war es eine menschliche Katastrophe, dass man ihm, der im KZ gesessen hatte, dessen Familie die SS geholt hatte, der immer ein aufrechter Marxist gewesen war, die Möglichkeit nahm politisch zu handeln, während stumpfe Bürokraten die Außenwahrnehmung der KPen bestimmten. Es war die vielleicht dunkelste Stunde seines Lebens, denn die Partei, an die er einst geglaubt hatte, verwandelte sich vor seinen Augen in ein Hindernis auf dem Weg zum Sieg über Kapitalismus und Faschismus. Selbst sein frecher Witz verstummte mehr und mehr. Auch das Unmögliche schien auf einmal möglich: Hatte jene verfemten Kritiker der „Linken Opposition“ gar Recht. Wenigstens mit einigen ihrer Thesen? Beimler grübelte buchstäblich Tag und Nacht und es fraß ihn auf.
Zu jener Zeit putschte General Franco mit deutscher und italienischer Hilfe gegen die gewählte Volksfrontregierung aus bürgerlichen Demokraten und Kommunisten in Spanien. Doch die spanischen ArbeiterInnen wehrten sich: Sie stürmten unbewaffnet Polizei- und Armeekasernen, bauten Barrikaden in den Straßen. Sie zündeten ganze Stadtteile von Madrid an, um das Ausrücken der Armee zu verhindern.
Dieser kompromisslose, unerschrockene Kampf imponierte einem Beimler. Er bat nach Spanien gehen zu dürfen und die Parteiführung ließ ihn gewähren. Vielleicht, weil sie hofften den unbequemen Draufgänger im Bürgerkrieg auf der Iberischen Halbinsel loszuwerden.
Kaum war er in Spanien, war er auch schon Politkommissar der 11.Interbrigade. Seine ehrliche Bescheidenheit, sein tiefes Mitgefühl für die Leiden der spanischen Bevölkerung, sein Mut, seine Zuversicht, sein Witz, sein tiefer Internationalismus, ließen seinen Namen weit über Madrid hinaus bekannt werden. Und er hatte das was allen anderen fehlte: Militärische Ausbildung und Kampferfahrung. Er brachte den Brigadisten schießen bei, zeigte ihnen wie man einen Hinterhalt aufbaute und Panzer ohne Panzerabwehrmittel erfolgreich bekämpfen kann. Der enorme Anteil der 11.Interbrigade an der Abwehr der Franco-Offensive gegen Madrid 1936 war im Wesentlichen sein Werk
Er kannte jeden Schützengraben, sprach mit den Interbrigadisten und agitierte Tag und Nacht. Und das was er sagte war einfach wahr. Während die Stalinisten Agenten nach Spanien schickten, die Jagd auf marxistische und anarchistische Revolutionäre machten und auch ein Erich Mielke, der spätere Stasi-Chef der DDR, eigenhändig Revolutionäre liquidierte. Während Stalin alles tat um eine sozialistische Revolution in Spanien zu verhindern und den kapitalistischen „Demokratien“ seine Bündnisfähigkeit zu beweisen. Während die Stalinisten fürchteten, eine erfolgreiche Revolution in Spanien würde den ArbeiterInnen weltweit zeigen, dass Sozialismus ohne Bürokraten möglich ist, propagierte Beimler die soziale Revolution. Er verlangte die Aufteilung des Großgrundbesitzes, wollte die Verstaatlichung der Industrie und verlangte die Einheitsfront der Revolutionäre. Anarchisten, POUM, Kommunisten und auch Trotzkisten sollten gemeinsam kämpfen.
Seine Reden hatten Witz, waren pointiert und kurzweilig. Er verurteilte die Verbrechen der Bürokratie. Für einen Politkommissar einmalig.
Nun war Beimler nicht mehr nur lästig, er war zum Problem geworden. Denn die Interbrigadisten hörten ihm zu. Gerade das durfte aus Sicht der sowjetischen Bürokratie und der Bürokraten der Kommunistischen Internationale nicht sein. Die Interbrigadisten, aus aller Welt nach Spanien gekommen, um gegen die Faschisten Francos zu kämpfen, sollten nach dem Willen der KP-Bürokraten als ein Instrument zum Kampf gegen die soziale Revolution missbraucht werden. Mit einem Beimler als Politkommissar unmöglich.
Beimlers Tod
Bis heute geben Beimlers Todesumstände Rätsel auf. Am 1.Dezember 1936 war er mit zwei Begleitern im Madrider Studentenviertel unterwegs. Weit entfernt von den Kämpfen an der Front soll ihn hier in einer Nebenstraße die Kugel eines faschistischen Heckenschützen getroffen haben. Nach dieser Version ereilte seinen engen Freund Louis Schuster das gleiche Schicksal. Doch bedenkt man Beimlers Auseinandersetzung mit der stalinistischen Bürokratie scheint dies wenig glaubhaft. Nicht zuletzt deshalb, weil der einzig Überlebende der drei Geheimagent des Stalinschen Geheimdienstes GPU war, zuständig für den offenen und verdeckten Kampf gegen aufrechte RevolutionärInnen. Sein Name war Richard Staimer, er wird später der Schwiegersohn des ersten und einzigen DDR-Präsidenten, Wilhelm Pieck, werden.
Als Beimlers Leichnam zum Friedhof gefahren wurde, schlossen sich 300.000 SpanierInnen und Interbrigadisten dem Zug an. Eine Ehrerbietung wie sie keinem einzigen spanischen König jemals zuteil wurde.
Hans Beimler und die DDR
In den ersten Jahren nach Gründung der DDR fand der Name Hans Beimler kaum Erwähnung. Doch da gerade viele Spanienkämpfer sich an „Hans den Kommissar“ erinnerten, schwenkte die DDR-Bürokratie bald um. Sie begann ihr ganz eigenes Bild von Beimler zu malen. Von Dresden bis nach Greifswald wurden unzählige Schulen, Straßen und Plätze nach ihm benannt. Er wurde zu einem „Dutzend-Stalinisten“. Man machte ihn zu dem was er nie war und bis ans Ende seines Lebens hasste: einen langweiligen Bürokraten, dessen moralische Werte vollkommen überhöht und stets unter den Vorzeichen der herrschenden Clique dargestellt wurden. Höhepunkt dieser verherrlichten Darstellung, die Beimler völlig verzerrte, war der TV-Vierteiler „Hans Beimler, Kamerad“, mit Horst Schulze in der Hauptrolle.
Doch selbst diese Art des politischen Missbrauchs Hans Beimlers, von eben denen, die ihn sehr wahrscheinlich umbringen ließen, konnten die Erinnerung an den aufrechten Marxisten nicht verblassen lassen. Beimlers Kampfgeist, sein Mitgefühl und auch sein Witz sind nach wie vor Vorbild für all jene, die für eine Gesellschaft fernab von Unterdrückung, ohne Kapitalisten und frei vom Gedankengut des National-„Sozialismus“ kämpfen.