Mo 01.12.2008
Die Sozialistische Partei Australien (SP), australische Sektion des CWI und Schwesterpartei der SLP, verzeichnete ein Rekordergebnis bei den Gemeinderatswahlen in Melbourne (Bundesstaat Victoria) am Samstag den 29. November. Steve Jolly, langjähriges Mitglied des CWI und Aktivist der Bauarbeitergewerkschaft, wurde wieder in den Stadtrat von Yara gewählt. Die SP erreichte das beste KandidatInnenergebnis in ganz Yara und das beste linke Ergebnis im ganzen Bundesstaat Victoria.
Langride, jener Stadtteil von Yara in dem Steve mit seiner Familie lebt und in dem er kandidierte, hat etwa 20.000 EinwohnerInnen. Rund 11.000 davon gingen wählen. Die SP bekam hier 3.141 bzw. 29,9 % der Stimmen. Sie erreichte damit den ersten Platz vor den Grünen und der Labour Party (australische Sozialdemokratie), die mit ihrem amtierenden Stadtrat überhaupt nur 1.735 Stimmen bekam. Das ist das beste Ergebnis links von SP und Grünen seit den 50er Jahren. Im Wahlkampf wurden rund 8.000 Haushalte besucht, alle Haushalte von Yara bekamen zumindest ein Flugblatt ins Postfach oder an die Haustür. Neben den zahlreichen Einfamilienhäusern in Yara gibt es hier auch viele Hochhäuser die der Gemeinde gehören, und von der Gemeinde als Sozialwohnungen vergeben werden. In diesen Hochhäusern (20 Stockwerke) leben vor allem SozialhilfeempfängerInnen, MindestrentnerInnen, AlleinerzieherInnen und Aboriginals (australische UreinwohnerInnen).
Die SP kämpft hier gegen Mietsteigerungen, für mehr Kindergärten, mehr Spielplätze und mehr SozialarbeiterInnen. Zum Teil mit Erfolg. Mit der Unterstützung einiger MieterInnen überholte die SP in diesen Hochhäusern die traditionell starke Labour Party, und das obwohl der Spitzenkandidat der Labour Party lang als Beamter im Wohnungsamt für diese Sozialwohnungen zuständig war. Gerade von Menschen mit geringen Einkommen bekam die SP viel politische Unterstützung. Über 120 Nicht-SP-Mitglieder halfen im Wahlkampf. Viele hängten Plakate in ihre Fenster oder die lokalen Geschäfte.
Obwohl mit dem Makel der "verlorenen Stimme" behaftet (rund 20% der Erststimmen sind nötig um in den Stadtrat einzuziehen) erreichten auch die anderen SP-KandidatInnen Denis Dudley mit 2,1%, und Anthony Main mit 5,5 %, ein sehr gutes Ergebnis.
Rauschende Wahlparty mit hoffnungsvollem Blick in die Zukunft
Euphorisch war daher auch die Stimmung bei der Wahlparty im Haus von Steve Jolly. Der Erfolg motivierte viele zu weiteren Aktionen. Viele Menschen kamen am Wahlabend zur Party um zu gratulieren. Ausgelassen und lautstark wurde gefeiert. Garten und Wohnzimmer in Steves Haus waren überfüllt mit linken Jugendlichen, SP-AktivistInnen, linken BetriebsrätInnen, sozialistischen GrünaktivistInnen. Dazu viele ArbeiterInnen, Kleingewerbetreibende und PensionistInnen aus der Umgebung. Viele dieser UnterstützerInnen im Wahlkampf haben ihre Wurzeln in Italien, Irland, China, am Balkan und natürlich in Australien. Vor allem die älteren UnterstützerInnen bringen, neben ihrer Kultur, viele politische Erfahrung aus ihren Ursprungsländern mit. Eine Tatsache die die politischen Debatten am Wahlabend sehr bereicherte. Einige UnterstützerInnen lernten sich überhaupt erst am Wahlabend kennen und viele trafen erstmals andere SP-Mitglieder außer Steve Jolly. Dementsprechend auch die politischen Gespräche. Durch die bunte Mischung wurde viel über die Zukunft des Sozialismus, lokale Politik, das CWI, Gewerkschaften, China, Jugoslawien und vieles mehr diskutiert. Einige Partygäste entschlossen sich zu nähren Diskussionen mit der SP und überlegen sich den Beitritt.
In den politischen Ansprachen wurden die Notwendigkeit einer neuen ArbeiterInnenpartei und der Aufbau des CWI immer wieder betont. Denis Dudley forderte die UnterstützerInnen der Wahlkampagne auf, nicht nur die lokale Arbeit der Partei sondern auch die SP insgesamt durch einen Betritt zu stärken. Ein älterer Gewerkschafter sprach von "einer Sternstunde der australischen ArbeiterInnenbewegung und einem Abend der sozialistischen Hoffnung". Noch euphorischer drückte es die liberale Tageszeitung "The Age" (eine Art australischer "Standard") aus, sie meinte in einer Überschrift: "Der Sozialismus lebt und es geht ihm gut in Yara, wo Australiens einziger sozialistischer Stadtrat mit starker Unterstützung wiedergewählt wurde".
Ursachen des Wahlerfolges
Yara hat 70.000 Einwohner und liegt im Norden der Innenstadt von Melbourne. Die traditionelle ArbeiterInnenstadt ist einer der Geburtsorte und langjährigen Hochburgen der australischen Sozialdemokratie, später waren die Grünen hier sehr erfolgreich. In den 60er siedelten sich hier vor allem MigrantInnen aus Italien, Griechenland und dem Balkan in Yara an. In den frühen 90ern wurde Yara, wegen seiner Nähe zur Innenstadt und zu den Universitäten vor allem bei StudentInnen und KünstlerInnen sehr beliebt. Teile von Yara sind heute klassische "Szeneviertel", mit vielen Bars, Platten- und Modegeschäften, wie man sie aus vielen europäischen Großstädten kennt. Eine Entwicklung die sich negativ auf die Mieten, die Grundstückspreise und die allgemeinen Lebenskosten niederschlägt.
Eine Ursache für den Erfolg der SP liegt darin, in dieser Situation der allgemeinen Verteuerung, konsequent die Bedürfnisse der ansässigen ArbeiterInneschaft zu vertreten. Vor allem für AlleinerzieherInnen, ArbeiterInnen in Niedriglohnbranchen, Jugendliche und PensionistInnen stellt die Steigerung der Gebühren (etwa beim Müll), Mieten und Preise ein großes Problem dar. Mit unzähligen Kampagnen, AnrainerInnenmobilisierungen, Kundgebungen und Petitionen gelang es der SP, Druck auf den Stadtrat von Yara zu machen und so die schlimmsten Entwicklungen abzuwehren oder zumindest abzufedern.
Auf Basis dieser lokalen Kampagnen wurde der SP-Aktivist Steve Jolly bereits 2004 in den Stadtrat von Yara gewählt. Er nutzte den Stadtrat konsequent als Bühne für soziale Anliegen, Gewerkschaftsthemen und lokale Kampagnen. Eine weitere Urasche für den Wahlerfolg liegt in der Arbeit der Sozialistischen Partei. Der Kampf gegen den staatlichen Rassismus, die einenhalbjährige Besetzung einer von der Schließung bedrohten Volkschule Anfang der 90er, die konsequente Betriebsarbeit der SP ist vielen Mensch auch außerhalb der linken Szene bekannt. In vielen Fällen gelang es der SP erfolgreiche Kampagnen zu organisieren und konkrete soziale Anliegen mit marxistischen Ansätzen zu verbinden.
Ein wichtiger Schritt in dieser Entwicklung war die Gründung von "Unite" einer Gewerkschaft die versucht, die Beschäftigten in den großen Fast Food Ketten wie McDonalds und den großen Supermärkten gewerkschaftlich zu organisieren. Erste Erfolge zeichnen sich hier ab, so musste die Supermarktkette 7/11 die Löhne für einige Angestellte erhöhen.
Viele SP-AktivistInnen sind als gute "KämpferInnen für soziale Anliegen" bekannt. So reduziert sich der Erfolg der SP nicht nur auf die Person von Steve Jolly, der durch sein rasche und unbürokratische Art zu helfen und seinen offenen Zugang zu den Menschen, als "Anti-Politiker" sehr beliebt ist. Anthony Main, Sekretär von "Unite“ und Hauptverantwortlicher für die Arbeit der SP erreichte in seinem Stadtteil von Yara 5,5 % obwohl er nur geringer Chancen hatte in den Stadtrat einzuziehen und viele Linke mit dem Argument der "verlorenen Stimme" die grüne Kandidatin wählten. Denis Dudley vor allem bekannt durch ihre Kampagne für Sozialzentren für Heroinsüchtige in ihrem Stadtteil von Yara erreichte 2,1 %.
Mit dem Rückenwind dieses Wahlerfolgs versuchen die GenossInnen in Australien jetzt vor allem unter Jugendlichen in ganz Melbourne und lokalen AktrivistInnen aus dem Stadtteil Yara neue Mitglieder zu gewinnen. Die Möglichkeiten für den Aufbau des CWI in Australien sind durch den Wahlerfolg stark gestiegen.